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Clemens Rostock spricht zu: Faire Kulanzregelungen und neue Tarifmodelle für den öffentlichen Nahverkehr im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie

Herr Vizepräsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Wir haben es jetzt schon einige Male gehört: Es gab bereits einen solchen Antrag im August letzten Jahres. Damals habe ich dazu gesagt: falsch hergeleitet, nicht treffsicher, deshalb teuer und auch keine zukunftsfähige Lösung, die uns in der nächsten Krise bzw. in der nächsten Pandemie weiterhilft. Ich will mich heute, grob gesagt, auch wieder daran entlanghangeln, auch wenn in der Zwischenzeit schon ein wenig passiert ist.

Erstens finde ich, Herr Görke, dass Sie es diesmal richtig hergeleitet haben. Damals haben Sie gesagt, ein eingeschränktes Angebot würde sozusagen Kulanzregeln legitimieren. Frau Walter-Mundt hat richtigerweise dargestellt, dass das gar nicht das Problem ist, sondern dass die Leistungen im großen Ganzen nahezu uneingeschränkt fortgeführt werden. Heute sagen Sie, dass die Kontaktbeschränkungen und die neuen Prozesse, das neue Arbeits- und Mobilitätsverhalten eine Reaktion erfordern. An der Stelle haben Sie schon einmal Lernfähigkeit bewiesen; das finde ich gut und es ist durchaus eine Steigerung.

Treffsicherer ist Ihr Vorschlag aber kaum geworden. Sie schlagen wieder vor, die Gültigkeit von Zeitfahrkarten zu verlängern. Sie schreiben zwar dazu „oder andere Maßnahmen von gleichwertiger Qualität“, das ist aber sehr unbestimmt. Darunter kann man sich Vieles vorstellen, was Sie leider gar nicht näher ausführen, auch in der Begründung nicht. Da waren Sie letztes Jahr sogar ein bisschen konkreter. Die Frage der Treffsicherheit lässt sich deswegen kaum abschließend bewerten.

Damals kritisierte ich, dass von den Freimonaten nicht nur diejenigen profitieren, die tatsächlich eingeschränkt unterwegs sind, sondern auch die anderen, die sozusagen genauso fahren wie vorher. Diesmal schreiben Sie, es sollen diejenigen profitieren, die ihre Zeitfahrkarten „nicht im gewohnten Umfang nutzen konnten“. Aber wie die Nachweiserbringung aussehen soll - Herr Zeschmann hat richtigerweise angesprochen, dass das auch wieder Verwaltungsaufwand nach sich zieht -, dazu schweigen Sie; auch das ist leider aus meiner Sicht eine Schwachstelle.

Interessant ist der dritte Punkt, der Punkt neuer Tarifmodelle; da würde ich mich Herrn Zeschmann anschließen, dass das in die richtige Richtung geht. Wir haben ja nun alle festgestellt - das habe ich am Anfang auch gesagt -, dass es neue Arbeits- und Mobilitätsmodelle gibt, und da gibt es eine interessante Diskussion. Es gibt viele und ich kenne in meinem Umfeld viele, die Zeitfahrkarten haben. Aber man bekommt als Abgeordneter ja auch Zuschriften. Da gibt es eine interessante Diskussion darüber, ob es im Moment unverantwortlich sei, die Zeitkarte zu kündigen, wenn man es sich leisten könne, sie weiter zu bezahlen. So sehr ich es gutheiße, wenn Menschen die Zeitfahrkarte behalten, weil sie es sich leisten können, so stellt sich schon die Frage, ob man nicht am Ende irgendwann das Tarifsystem an die neuen Gegebenheiten anpassen muss. Wenn sich die Monatskarte finanziell nicht mehr lohnt, dann wird sie irgendwann auch nicht mehr bezogen. Aber die Diskussion läuft ja bereits - das hat Frau Walter-Mundt auch gesagt - und Frau Henckel hat dazu sogar schon in der Presse ein wenig ausgeführt. Auch da passiert also schon etwas.

Man darf dabei auch nicht verschweigen, dass das gar nicht so einfach ist. Man muss zwei Dinge beachten, wenn man neue Tarifangebote schafft, von der diese Gruppe, über die wir jetzt sprechen, profitieren könnte. Man muss aufpassen, dass das nicht so attraktiv oder günstig ist, dass alle, die die Zeitfahrkarten auch behalten würden, dann auf das neue Tarifmodell umsteigen. Das ist ein sehr schmaler Grat, und deswegen ist das nicht mal so eben zu machen.

Und zweitens: So herum oder so herum, es führt auf jeden Fall zu Mindereinnahmen. Da kann ich mich auch nur Herrn Zeschmann - auch wenn er jetzt gegangen ist - anschließen, dass wir noch einmal über das gesamte Finanzierungsfundament sprechen müssen. Sie haben am Anfang noch einmal den Rettungsschirm angesprochen; da würde ich mir schon wünschen, dass Sie unseren Landesfinanzminister in den Verhandlungen unterstützen - und nicht Herrn Scholz und Herrn Scheuer auf Bundesebene. - Vielen Dank.