- Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Vizepräsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Interessant ist doch in der Politik, wenn man aus unterschiedlichen Perspektiven kommend am Ende zum gleichen Ergebnis kommt. Das haben wir soeben, glaube ich, gesehen, und wir Bündnisgrünen haben natürlich eine sehr ökologische Perspektive auf das Problem. Es ist ein klassischer Zielkonflikt, wie hier schon angesprochen wurde. Wir führen diese Konflikte, sozusagen stellvertretend, auch in unserer Partei, und ich möchte Sie daran teilhaben lassen, zu welcher Lösung wir gekommen sind, indem ich aus unserem Wahlprogramm zitiere:
„Naturschutz und Energiewende müssen Hand in Hand gehen. Bei der Abwägung von Standorten ist für uns die Schwere des Eingriffs in Natur und Artenvielfalt entscheidend. Grundsätzlich sind wir gegen die Nutzung von Windenergie im Wald, denn ein artenreicher Mischwald kann kein geeigneter Standort für Windenergieanlagen sein. Ein artenarmer Kiefernstangenforst kann allerdings ein besserer Standort sein als eine artenreiche offene Landschaft. Dies gilt es stets im Einzelfall abzuwägen.“
Zwischenfrage Herr Abg. Stefke (BVB/FW): „Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Ich frage einmal, ob Sie der Meinung sind, dass die Prosa, die Sie uns aus Ihrem Wahlprogramm vorgetragen haben, und ein Sowohl-als-auch wirklich die Antwort auf den Gesetzentwurf, den wir hier vorgelegt haben - für den Schutz des Waldes -, sein kann. Das würde mich explizit von Ihnen interessieren.“
Nun, ich habe gerade erst angefangen - vielleicht lassen Sie mich meine Rede noch zu Ende führen ‑, das ist natürlich nicht die vollständige Antwort. Das sagt viel über die Grundhaltung aus, mit der wir an das Thema herangehen. Denn - das wurde schon vielfach ausgeführt - es geht nicht darum, den Wald für Windkraft plattzumachen, sondern es nicht zu einem Totalverbot kommen zu lassen, weil es eben Einzelfälle geben kann, in denen das durchaus umweltfreundlicher ist, als die Anlage woanders hinzustellen. Und man muss aufpassen, dass man nicht am Anfang eines Prozesses a priori so viele Randbedingungen schafft, dass man das eigentliche Ziel nicht mehr erreichen kann. Deswegen gilt immer wieder: Das große Bild nicht vergessen.
Ich möchte noch einmal sagen, Sie haben ja richtig zitiert: Der Zustand des Waldes ist schlecht. Er leidet unter Klimawandel und Trockenheit. - Und jetzt sagen Sie: Und jetzt kommt die Windkraft noch obendrauf. - Aber wir reden hier über Pfadabhängigkeit, und noch einmal: Wenn man sich Sorgen um den Wald macht, muss man den Klimawandel angehen, weil der für den Wald ein weitaus größeres Problem als die Windkraft ist!
Das kann man anhand der Berechnungen klar belegen. Sie reden vom Wald als CO2‑Speicher, das ist ja richtig. Aber nehmen wir einmal Zahlen, sagen wir einmal tatsächlich: 1 ha Wald - und es gibt viele, die sagen, es ist dauerhaft sogar weniger - kann in einem Jahr ungefähr 6 Tonnen CO2 speichern. Eine Windkraftanlage kann im Vergleich mit dem Strommix in einem Jahr 3 600 Tonnen CO2
einsparen. Das heißt, wenn man sich nur auf die Rechnung, die Sie selbst aufgemacht haben, kaprizieren würde, müsste man tatsächlich den ganzen Wald abholzen und nur Windkraft hinstellen. Also seien Sie vorsichtig, wo die Rechnung hinführt, die Sie aufmachen. Und es kommt noch etwas obendrauf: Der abgeholzte Wald wird woanders wiederaufgeforstet, und zwar als Mischwald, das ist auch besser für die Grundwasserbildung, welche Frau Wernicke auch angesprochen hat. - Jetzt gern die Zwischenfrage.
Zwischenfrage Herr Abg. Vida (BVB/FW): „Sehr geehrter Herr Rostock, ich habe zwei Fragen: Können Sie einige Beispiele nennen, wo in Brandenburg die Aufforstung nicht nur theoretisch - im Bescheid ‑, sondern auch praktisch erfolgt ist? Vielleicht können Sie auch einmal die Landstriche benennen, wo das tatsächlich passiert? Und zweitens - Sie haben ja gerade eine Rechnung aufgemacht: Wenn man den Wald wegholzt und das Windrad so viel CO2‑neutralen Strom produziert, haben wir ja quasi eine positive Bilanz. - Passt die Rechnung auch, wenn wir, wie seit ungefähr drei Jahren in Brandenburg, regelmäßig Überkapazitäten haben, sodass der Zubau an Windrädern gar nicht zu mehr Strom, ergo zur CO2‑Einsparung, führt, sondern lediglich zum Wegholzen des Waldes? Geht die Rechnung dann auch auf? Vielleicht können Sie uns da kurz mathematisch helfen.“
Zur ersten Frage kann ich nichts sagen, weil ich mich damit nicht konkret beschäftige. Das wäre eine Sache, die wir uns mittels einer Kleinen Anfrage auflisten lassen können.
Zur zweiten Frage: Also ganz ehrlich, das verstehe ich nicht. Sie sagen, es gibt mehr Windstrom, aber er ist gar nicht da, oder wie? Der ist doch da, der ist in den Leitungen. Wir haben sogar umgekehrt das Problem, dass wir abregeln müssen. Aber da gehen wir ran, indem wir die Sektorkopplung vorantreiben und indem wir eben nicht abregeln, sondern nutzen wollen, zum Beispiel Elektrolyse für grünen Wasserstoff usw. Jede zusätzliche Windkraftanlage sorgt für mehr Strom. Und ich habe vorhin auch sehr deutlich ausgeführt, dass die neueren Anlagen nicht nur eine höhere Nennleistung, sondern auch mehr Volllaststunden haben, also eine doppelte Dividende abwerfen. Also, jede zusätzliche Windkraft-Kilowattsunde wollen wir nutzen, und die verschwindet doch nicht.