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Clemens Rostock spricht zu: Energetische Zukunft Brandenburgs - Dunkelflaute verhindern

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Ich bin heute Morgen ein bisschen verschnupft. Vielleicht liegt das auch an den vorliegenden Anträgen und den Redebeiträgen von den Kollegen Kubitzki und Hohloch. Das ist ja wirklich zum Haareraufen!

Wo soll man anfangen? Fangen wir vielleicht mit dem Dank für die Kohlekumpel an. Dem kann ich mich durchaus anschließen. Es ist ja nicht so, dass ich nicht auch allen dankbar bin, die dafür sorgen, dass wir Strom haben. Vielen Dank! Nur hören Sie doch auf, in der Lausitz unter Ihren Kohlekumpels und in der Lausitz insgesamt Angst und Schrecken zu verbreiten. Und da meine ich in diesem Fall nicht „Zukunft Heimat“; ich meine jetzt tatsächlich die vorliegenden Anträge.

Sie vergleichen den anstehenden Kohleausstieg immer wieder - das wurde auch schon angesprochen - mit dem Strukturbruch in den 90ern. Das ist schlicht falsch. Herr Hohloch, Sie haben Zahlen verlangt. Ich habe sie noch einmal herausgesucht: 1990 hatten wir 17 Tagebaue in der Lausitz; jetzt sind es noch 4. 1990 hatten wir eine Braunkohleförderung von 200 Millionen Tonnen im Jahr; jetzt sind es gut 50 Millionen, also nur noch ein Viertel. 1990 waren 80 000 Leute dort beschäftigt; jetzt sind es 8 000 - das sind nicht meine Zahlen, das sind die der Kohlenstatistik -, also nur noch ein Zehntel. Und diesmal haben wir 40 Milliarden Strukturwandelgelder. Zu behaupten, der Kohleausstieg sei ein erneuter Strukturbruch, ist also einfach falsch. Die Wahrheit ist: Der Großteil des Kohleausstiegs liegt längst hinter uns.

Noch zu ein paar anderen Aussagen - es wurde ja schon einiges aufgegriffen -: Sie sagen, Photovoltaik sei ohnehin unwirtschaftlich. Dann frage ich mich: Wie kann es sein, dass es in den letzten Ausschreibungen nur 5 bis 6 Cent bei Photovoltaik gab und damit dennoch gutes Geld verdient wird? Die Herausforderung ist doch nicht die Wirtschaftlichkeit, sondern eher, dass wir die Bevölkerung und die Kommunen daran teilhaben lassen. Das ist die Herausforderung bei der Photovoltaik!

Nächste Aussage: Stromerzeugung muss dann erfolgen, wenn der Strom gebraucht wird. Aus welchem Jahrzehnt haben Sie denn diese Aussage mitgebracht? Schon mal etwas von Speichern, Flexibilitätsmanagement, Sektorkopplung usw. gehört?

Wachen Sie endlich auf! Sie sind irgendwann eingeschlafen, und jetzt müssen Sie energiepolitisch auch irgendwann mal wieder aufwachen. Frau Ludwig hat es angesprochen: Erneuerbare Energien seien ein parallel überflüssiges Infrastruktursystem. Noch einmal Zahlen, liebe AfD: Im letzten Jahr erfolgte die Hälfte der deutschen Stromproduktion aus Erneuerbaren. Alles überflüssig? Liebe AfD, Sie sind bei der Energiepolitik ideologisch verblendet. Lassen Sie uns doch bitte bei den Fakten bleiben!

Dann zählen Sie immer wieder Beinahe-Netzstörungen auf. Es ist ja schon interessant, dass wir immer wieder über Beinahe- Sachen sprechen. Zur Dunkelflaute hat Kollegin Kornmesser eigentlich alles gesagt, aber auch hier noch einmal Fakten: Früher gab es mehr Netzstörungen als heute. Seit 2006 hat sich der SAIDI-Index, der genau das darstellt - wie viele Störungen gibt es im Netz? -, halbiert. Gleichzeitig ist der Anteil der Erneuerbaren gestiegen und gestiegen. Die Korrelation ist also nicht da. Und hier gilt mein Dank all jenen, die dafür Sorge tragen, sich darum kümmern und jeden Tag hart daran arbeiten, das Netz zu stabilisieren, Regelenergie auszugleichen usw.

Natürlich gibt es Herausforderungen - Herr Walter hat das zum Beispiel gesagt. Es ist ja nicht so, dass wir sagen, jetzt ist alles gut und wir können uns zurücklehnen. Sie schreiben zum Bespiel, die Bundesregierung hätte die Stromverbrauchsprognose zu niedrig angesetzt - da stimme ich Ihnen zu -; der Exportsaldo sinke - stimmt. Statt aber über den Ausbau der Kapazitäten der Erneuerbaren, über Sektorkopplung, Speicher, Strommarktdesign, Flexibilitätsmanagement zu sprechen - das wäre doch einmal ein Thema für eine Aktuelle Stunde zur Energiepolitik -, empfehlen Sie doch tatsächlich kurz vor dem Jahrestag von zehn Jahren Fukushima die Atomenergie als Heilbringer.

Sie wollen also die Atomkraftwerke am Netz halten und sogar neue bauen. Sie schreiben, nur Atom und Kohle könnten zuverlässig Strom produzieren. Das sehen wir ja - Frau Kornmesser hat es am Rande angesprochen, und ich will es noch einmal sagen: Nicht nur, dass die Kernkraftwerke in Hitzesommern ständig heruntergefahren werden müssen, weil nicht genug Wasser da ist, um das Kühlsystem am Laufen zu halten. Atomkraftwerke sind auch ständig in Reparatur, weil es ständig kleinere Störfälle gibt - und wenn man sich das Durchschnittsalter der Atomkraftwerke anschaut, sieht man, dass das kein Wunder ist.

Sie bringen es aber auch noch fertig, zu sagen: Atomkraftwerke müssen bleiben und wir brauchen neue, aber ein Endlager darf es bei uns nicht geben. Da muss man noch einmal unterstreichen, dass es ein großer Erfolg oder eine große Neuerung und eine wirklich gute Entwicklung in Deutschland ist, dass wir jetzt eine Endlagerkommission haben, die auf wissenschaftlicher Basis ein neues Endlager sucht. Wer sagt „Atomkraft ja, Endlager nein“, folgt doch dem Prinzip: Wasch mich, aber mach mich nicht nass!

Herr Hohloch, Sie haben dann noch gesagt, es sei alles so teuer. Dann schauen wir uns doch einmal an, was für Atomkraftwerke gebaut werden. Die Technik, die Sie ansprechen, wird noch lange nicht gebaut. Aber es gibt Atomkraftwerke, die gebaut werden, und zwar schon ziemlich lange. Schauen wir mal nach Großbritannien: Hinkley Point, Block C - hat alles nicht funktioniert, war wirtschaftlich überhaupt nicht darstellbar. Was hat die Regierung gemacht? Sie hat den Betreibern eine Preisgarantie über 35 Jahre gegeben: 92,5 Pfund pro Megawattstunde. Über 35 Jahre! Das sind ungefähr 15 Cent pro Kilowattstunde. Ich habe vorhin schon gesagt, wir haben bei Wind und Solar aktuell Zuschläge in Höhe von 5 bis 6 Cent pro Kilowattstunde, und sie sinken weiter. Und die britische Regierung muss 15 Cent pro Kilowattstunde über 35 Jahre garantieren, damit sich das Kernkraftwerk rechnet.

Gucken wir nach Finnland: Olkiluoto war 2003 ausgeschrieben, damals wurden Kosten in Höhe von 3 Milliarden Euro angenommen. Das Kraftwerk ist immer noch nicht am Netz - das ist fast 18 Jahre her. Die aktuelle Prognose - sie wurde ja ständig angepasst - lautet: Im Februar nächsten Jahres beginnt vielleicht die kommerzielle Stromproduktion. - Inzwischen belaufen sich die Kosten auf über 11 Milliarden Euro, und es wurde noch keine einzige Kilowattstunde produziert.

Schauen wir uns an, was wir in Deutschland getan haben. Ich sage: Das war viel cleverer. Wir haben die erneuerbaren Energien ausgebaut und sind schon viel weiter. Wir haben letztes Jahr die Hälfte des Strombedarfs damit gedeckt und sind schon an dem Punkt, an den die Finnen noch kommen müssen. Auch sie sagen: Atomkraft ist nicht das Ende, wir müssen danach noch die Energiewende hin zu Erneuerbaren schaffen. - Das haben die noch vor sich; wir haben es längst gemacht.

Fazit: Der Kohleausstieg ist zum großen Teil geschafft, es gibt keine Korrelation zwischen dem Ausbau der Erneuerbaren und Netzstörungen, Atomkraft hat keine Zukunft, stattdessen: weiter die Energiewende. - Vielen Dank.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Danke schön. - Herr Dr. Berndt hat eine Kurzintervention angemeldet. Bitte sehr.

Herr Abg. Dr. Berndt (AfD): Ja, Herr Kollege Rostock - das bezieht sich auch auf den Rest der Koalition hier -, es ist schon eine psychologische Betrachtung wert, dass Sie immer, wenn wir irgendeines Ihrer Dogmen angreifen oder infrage stellen, davon sprechen, dass wir Angst und Schrecken verbreiteten. So etwas nennt man Projektion.

Nein, Ihrem Nebel von Modebegriffen und Märchen, Ihrem Nebel, Herr Rostock, und Ihrem Nebel, Herr Walter, setzen wir Fakten entgegen - das ist kein Angst- und Schreckenverbreiten.

Kommen wir zu den Fakten: 2020 hat Deutschland 36 % mehr Strom importiert als 2019, vorwiegend aus Frankreich, einem Land, das Kernenergie nutzt - das ist Fakt. Deswegen ist es völlig richtig, darauf hinzuweisen, dass uns die Gefahr eines Stromversorgungsengpasses, nein, einer fehlenden Versorgung mit Strom droht.

Fakt ist: Sie haben den Atomausstieg überstürzt beschlossen, auch den Ausstieg aus der Kohle.

Fakt ist - das hat Herr Zeschmann deutlich dargelegt -: Es gibt keine Speicher. All das sind Fantasien, all das sind Modellrechnungen, Projektionen, da ist nichts Reales!

Fakt ist: Wir haben keine Absicherung unserer Stromversorgung in Fällen, in denen es dunkel ist, also Dunkelflaute ist, oder kein Wind weht.

Und: Sie verniedlichen die Fakten, diese für Sie unangenehmen Fakten, die zeigen, dass die Energiewende grandios gescheitert ist, immer

(Zuruf)

- auch Sie, Frau Ludwig - mit dem Wort Herausforderung. Es handelt sich nicht um eine Herausforderung. Es handelt sich um ein hausgemachtes Problem. Das haben Sie verursacht, und deswegen gibt es auch ziemlich einfache Lösungen: Wir müssen von der ideologischen Verblendung, die Sie, Herr Rostock, anderen vorwerfen, wegkommen, von der Sie aber eben ein richtiges Beispiel gegeben haben. - Besten Dank.

Präsidentin Prof. Dr. Liedtke: Herr Abgeordneter Rostock, möchten Sie reagieren? - Bitte schön.

Herr Abg. Rostock (B90/GRÜNE):* Herr Berndt, Sie haben Fakten angesprochen. Es ist richtig, dass wir mehr Strom importiert haben. Es ist aber auch richtig, dass wir mehr als das Doppelte exportiert haben; unser Exportsaldo ist also immer noch positiv. Ich habe dargestellt, dass es deswegen natürlich auch eines weiteren Ausbaus der Kapazitäten bedarf. Das ist dann eben die Schlussfolgerung.

Zweitens haben Sie einfach eine Situation beschrieben, in der wir vor einem Problem oder einer Herausforderung stehen. Aber es geht doch nicht um den Status quo, sondern darum, die Prozesse, die wir deshalb anstoßen müssen, anzugehen und sich nicht einfach hinzusetzen und zu sagen: „Hm, scheiße, dann lassen wir lieber die Atomkraftwerke länger laufen oder so.“ - Das ist doch keine Lösung!

Drittens sagen Sie immer, wir würden irgendwelche Speicher herbeireden. Ich habe in vielen Reden dargestellt, dass es nicht nur um klassische Speicher geht - von Flexibilitätsmanagement sprach ich gerade in meiner Rede. Auch Herr Zeschmann hat gesagt - obwohl ich nicht allem zustimme, was er gesagt hat -, dass es erneuerbare Energien gibt, die, um einmal Ihre Worte zu gebrauchen, „grundlastfähig“ sind, auch wenn sich das mit der Grundlast in den letzten Jahren deutlich relativiert hat.

Sie benennen Fakten, die sozusagen Herausforderungen sind - das stimmt -, aber wir haben Antworten darauf. Und zu Ihrer Antwort, diesem Fluidreaktor: Es gibt deutlich mehr Speicher als Fluidreaktoren - das kann man schon mal festhalten. Diese Technik - könnte man fast sagen - ist ein Hirngespinst irgendwelcher Atomfanatiker. Wir haben auch nicht die Zeit dafür. Ich habe dargestellt, wie lange es dauert, bis die sich in Europa gerade im Bau befindlichen Atomkraftwerke fertig sind - viele, viele Jahre -, und wie wirtschaftlich das ist - all das interessiert Sie anscheinend nicht.

Dann bringen Sie eine neuere, in der Zukunft liegende Technik ins Spiel, von der wir noch weit entfernt sind. Sie hätten zum Beispiel über den Fusionsreaktor in Frankreich sprechen können - dazu hätte ich auch viel zu sagen -, der ja viel weiter als die von Ihnen angesprochene Technik ist. Sie bringen irgendetwas, das noch keine Rolle spielt, woran kein einziges Land arbeitet und was uns nicht von der Endlagerfrage befreit.