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Clemens Rostock spricht zu: Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Vergabegesetzes

Herr Vizepräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!

Wir erleben gerade mehrere Krisen; über die akute Coronakrise werden wir gleich reden. Wir haben die anschwellende Klimakrise. Und auch das Vertrauen in unsere Demokratie und Institutionen ist gerade angeknackst. Alle diese Krisen haben eines gemeinsam: Sie betreffen die Armen und die Reichen bzw. die Schwachen und die Starken in diesem Land unterschiedlich stark. Ich möchte ein paar Beispiele nennen: Wenn Bezieherinnen und Bezieher von Sozialleistungen ihre finanzielle Situation bis auf den letzten Cent darstellen müssen, während bei Nebenverdiensten von gut verdienenden Bundestagsabgeordneten nicht so genau hingeschaut wird, wird eben die Frage in den Raum gestellt, für wen der Staat eigentlich da ist: für die Starken oder für die Schwachen?

Oder die Klimakrise. Man sieht es ganz deutlich: Die Auswirkungen der Klimakrise betreffen vor allem die Schwachen. Das gilt sowohl global als auch in Deutschland. Deswegen auch der Ruf

nach Klimagerechtigkeit auf unseren Straßen von Fridays for Future und anderen.

Auch die Folgen der Coronakrise treffen vor allen Dingen die Schwachen. Das gilt sowohl für die Unternehmen, bei denen die kleineren härter getroffen sind und bei denen die Hilfen schwieriger
ankommen, als auch insbesondere für die Menschen, die unter den wirtschaftlichen Folgen leiden oder in die Armut rutschen; die Medien haben darüber breit berichtet.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Krisen verlangen nach Antworten. Und ja, die Novelle des Brandenburgischen Vergabegesetzes ist vielleicht nicht die eine Antwort, aber eine der notwenigen Antworten. Bisher sind Menschen, deren Einkommen von öffentlichen Aufträgen abhängt, eben nicht vor Altersarmut geschützt; Herr Rüter hat es dargestellt. Das ist ein unhaltbarer
Zustand, den wir als Koalition jetzt beenden. Wir wollen den Vergabemindestlohn auf 13 Euro erhöhen, damit schützen wir wirksamer vor Altersarmut und zeigen, dass wir uns um die Geringverdienerinnen und Geringverdiener in Brandenburg kümmern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Teil der Landesregierung sind, kommen natürlich auch ökologische Kriterien in das Vergabegesetz. Es wurde gefragt, wo diese Kriterien seien. Da müsste man den Gesetzentwurf richtig lesen.

Das alte Vergabegesetz, das wir jetzt ändern wollen, enthält eine Kann-Bestimmung, die nicht bindend ist und zu uneinheitlichen Vergabepraktiken in den Vergabestellen führt. Wir machen die ökologischen Kriterien für die Landesebene jetzt verbindlich. Worum es dabei geht, wird gefragt. Vielen fehlt es an Vorstellungsvermögen, was diese ökologischen Kriterien sind. Das sind zum
Beispiel Energieeffizienzklassen und Umweltzertifikate bei Elektrogeräten oder FSC-Zertifikate bei Holzmöbeln. Da kommt oft die Gegenfrage: Ist das alles mit der Umwelt nicht Luxus? Und
kostet das alles am Ende nicht mehr? Dazu kann ich nur klar sagen: Nein, denn je weniger Umweltschäden wir verursachen, je weniger wir das Klima weiter erhitzen, desto weniger Kosten
entstehen uns in der Zukunft.

Auch kurzfristiger und konkreter gedacht: Wenn man nicht nur die Anschaffungskosten, sondern auch die Betriebskosten und die Entsorgungskosten betrachtet, sieht man, dass sich höhere
Anschaffungskosten schnell amortisieren können. Das ist auch eine Antwort auf die Frage: Wirtschaftlich oder günstig? Dann ist es eben wirtschaftlicher, höhere Anschaffungskosten in Kauf zu
nehmen, aber über die gesamte Laufzeit des Produkts zu sparen. Da sieht man wieder: Ökologisch sinnvolles Vorgehen ist fast immer auch ökonomisch sinnvolles Vorgehen.

Wir gehen auch an die Anwendungsuntergrenzen ran. Ja, da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Auf der einen Seite könnte man die Frage stellen, wozu es sie überhaupt gibt. Wollen wir nicht, dass die Kriterien, die wir an öffentliche Aufträge anlegen, für alle gelten? Das kann man im Grundsatz bejahen, und das tue ich auch. Es gibt aber auch die andere Seite der Medaille, dass die Kosten für die Einhaltung der Nachweispflichten für die Unternehmen nicht den Ertrag des Auftrags übersteigen dürfen. Deswegen ist eine Bagatellgrenze richtig; mit der von uns anvisierten Erhöhung kann ich gut leben.

Jetzt kommt DIE LINKE und verweist auf ihre Geschichte des Vergabemindestlohns. Das ist auch richtig so; am Weltbild merkt man aber, dass manche Entwicklungen wohl nicht so ganz mitvollzogen wurden. Ich habe gesagt, im November 2019 haben wir einen Mindestlohn von 12 Euro auf Bundesebene verlangt. Das ist ja schon ein bisschen her. Inzwischen würden wir auch
mehr verlangen. Der Vergabemindestlohn, den wir jetzt in Brandenburg beschließen, ist übrigens höher als in allen von DIE LINKE mitregierten Ländern - das ist auch ein Fakt.

Es gibt Gewerkschafter in der Koalition, die auch dafür gekämpft haben. Es ist nicht immer so, dass das alles nur von außen kommt. Im Gegenteil, wir haben gemeinsam gekämpft, um ein
gutes Paket zusammenzuschnüren. Und ja, in Ihrem Gesetzentwurf fehlen zum Beispiel ökologische Kriterien, aber auch andere Dinge, die in unserem Koalitionsvertrag stehen, wie die Tariftreueklausel, Personalübernahme bei ÖPNV-Ausschreibungen, ökologische Kriterien auch für die kommunale Ebene, ILO-Kernarbeitsnormen, die Frage von Open Source und Softwarebeschaffungen. Das alles sind Fragen, mit denen wir uns noch beschäftigen werden.

Wir haben jetzt seit eineinhalb Jahren Rot-Schwarz-Grün. Wir machen hier einen großen und richtigen Schritt - das muss man einfach mal sagen -; er ist historisch. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu der Beschlussempfehlung und damit zu dem Gesetzentwurf. - Vielen Dank.