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Rede im Landtag: Eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe auch in Zukunft sicherstellen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleg*innen, Werte Gäste,

Ein kleines Quiz zu Beginn: Wieviele Abgeordnete sind in dieser Wahlperiode Mutter geworden? Wieviele Väter? Ersteres wissen Sie vermutlich ich alle, aber wissen Sie es auch von jedem Mann hier im Raum? Klar, bei uns Frauen sieht man den dicken Bauch. Den Männern sieht man ihr Vaterwerden nicht an. Schwangerschaft und Geburt verändern den Körper von uns Müttern grundlegend, er vollbringt eine unglaubliche Leistung – er bringt ein Kind hervor, mit allem, was dazugehört. In dieser Phase sind wir zugleich sehr stark und sehr wirksam, aber auch sehr verletzlich. Und daher brauchen wir die bestmögliche Unterstützung.

In den empfindlichsten Momenten des Lebens geht es darum, gut aufgehoben und fachkompetent versorgt zu sein. Da geht es um Achtung, Respekt und Würde in existenziellen Lebensphasen. Jede von uns, die Kinder geboren hat und jede und jeder, der schon einmal eine Geburt begleitet hat, weiß das.

Im vorliegenden Antrag geht es genau darum: um unsere gemeinsame Verantwortung dafür, dass eine optimale Betreuung und Versorgung der Mütter und Kinder am Anfang des Lebens auch in Zukunft in unserem Land gewährleistet wird. Und zwar auch dann, wenn die demographischen, sozioökonomischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen sich drastisch verändern.

Eine herausragende Rolle dabei spielen die Hebammen. Ja, sie haben den schönsten Beruf auf dieser Welt. Aber sie haben auch eine riesige Verantwortung, die sie manchmal unter schwierigen Bedingungen zu erfüllen haben, und ich rede hier nicht nur von Nacht- und Wochenendarbeit. Ich rede von Situationen, in denen sie wegen Fachkräftemangel und Kostendruck zeitgleich zwei oder drei Gebärende begleiten müssen!

Und an der Stelle müssen wir uns ehrlich machen: diese Umstände sind für niemanden gut! Im Gegenteil: Sie sind gefährlich. Sie sind nicht gut für die Hebammen, für die Gebärenden und auch nicht für die Kinder, die auf die Welt kommen. Und deshalb muss es unser Ziel sein und bleiben, dass die 1:1-Betreuung unter der Geburt nicht die Ausnahme, sondern die Regel wird.

Wir haben mit dem Brandenburger Hebammengutachten erstmals verlässliche Daten, die uns erlauben, strategisch nachzudenken, wie wir eine verlässliche, qualitativ hochwertige, wohnortnahe stationäre und ambulante Versorgung in den nächsten 10 Jahren sicherstellen. Dafür müssen alle an einen Tisch. Daher geben wir mit diesem Antrag heute einem Runden Tisch mit allen im Bereich der Hebammenhilfe tätigen Akteure heute einige Arbeitsaufträge mit auf den Weg. Davon möchte ich zwei hervorheben:

Der Runde Tisch soll Wege aufzeigen, wie die Arbeitsbedingungen und die Arbeitszufriedenheit der Hebammen verbessert werden kann: Kliniken werden in Betracht ziehen müssen, künftig hebammengeleitete Kreißsäle zuzulassen, um noch attraktiv zu sein für die Hebammen, und das ist auch gut so. Denn Hebammen haben Jahrhunderte lang selbstbestimmt gearbeitet und so soll es auch künftig wieder an Kliniken in Brandenburg sein.

Der Runde Tisch soll Lösungsansätze entwickeln, wie wir unter veränderten Rahmenbedingungen eine qualitativ hochwertige und möglichst wohnortnahe Geburtshilfe sicherstellen. Wir brauchen Modellprojekte, wie das in unserem Flächenland auch in Zukunft gelingen kann. Und auch an dieser Stelle dürfen wir schon mal einen ehrlichen Ausblick riskieren: Die außenklinische Geburtshilfe kann und muss hier zukünftig eine größere Rolle spielen, und das ist auch gut so. Denn im Grundgesetz ist das Recht der Frauen auf freie Wahl des Geburtsortes festgeschrieben. Das darf nicht ausgehebelt werden durch weiße Flecken in unserem Land, in welchem mangels Hebamme eine außerklinische Geburt schlichtweg nicht möglich ist.

Auch wenn das im Antrag nicht explizit aufgeführt ist, möchte ich kurz auf einen weiteren Aspekt eingehen: Die Ausbildung der Hebammen wurde in den letzten Jahren von einer Berufsausbildung auf ein praxisorientiertes Studium umgestellt. Der Runde Tisch wird sich auch Gedanken dazu machen müssen, wie die Hürden gesenkt werden können für Hebammen, die sich nachqualifizieren wollen. Ich vermute, dass wenig Hebammen in der Lage sind, aus ihrem Beruf auszusteigen und in ein zweijähriges Vollzeitstudium für den Bachelor zu gehen. Hier braucht es besser vereinbare und finanzierbare Angebote.

In Verbindung mit diesem Antrag müssen wir noch über ein weiteres und ernsteres Thema sprechen: Was, wenn es am Anfang des Lebens nicht so optimal läuft? Die medizinischen Fortschritte der letzten Jahrzehnte lassen uns manchmal vergessen, dass die niedrige Mütter- und Kindersterblichkeit keine Selbstverständlichkeit sind. Weltweit sterben Frauen und Kinder unter der Geburt. Deshalb ist es wichtig, Frühchen-Stationen, die sogenannten Perinatalzentren zu erhalten, denn hier geht es im Notfall um Minuten und um Leben. Von einem Entzug der Finanzierung bedroht sind aktuell die Stationen, die die kleinsten Frühchen unter 1250g versorgen, die sogenannten Perinatalzentren Level 1. Das sind die Standorte in Cottbus, Frankfurt, Brandenburg und Potsdam. Unsere Gesundheitsministerin kämpft für sie wie eine Löwin und ich danke ihr sehr dafür.

Allein – die Entscheidungen hierzu trifft der Gemeinsame Bundesausschuss als höchstes Gremium der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Ich appelliere an ihn und an den Bund alle Level-1-Zentren zu erhalten. In Notfällen braucht es kurze Wege für Mutter und Kind, und die dürfen nicht bis nach Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen oder Berlin führen. Die Qualität unserer vier Zentren in Brandenburg ist nachgewiesenermaßen sogar besser als im Bundesdurchschnitt. Die Länder brauchen die Möglichkeit der Ausnahmegenehmigung aus strukturellen Gründen – und zwar ohne dass die Krankenkassen dies mit ihrem Veto verhindern können.

Ursula Nonnemacher kämpft nicht nur für die Geburts- und Frühchenstationen in Brandenburg. Sie hat sich des Themas Hebammenversorgung umfassend und mit höchster Priorität angenommen. Das zeigt auch die Umsetzung des Hebammenaktionsplans: Aus ihm konnten seit 2020 drei Geburtshausgründungen in der Uckermark, in Cottbus und in Brandenburg (Havel) gefördert werden. Auch 56 Hebammenpraxen, Niederlassungen und Wiedereinstiege in die Geburtshilfe wurden mitfinanziert.

Nun gibt es also 3 weitere Geburtshäuser und damit 3 neue Orte in Brandenburg, an denen Kinder geborgen und sicher zur Welt kommen können. Und gleichzeitig wissen wir, dass Geburtshäuser Kliniken nicht ersetzen können. Die Schließungen von Geburtskliniken an mehreren Standorten im Land machen mir deshalb große Sorgen. Denken Sie an die schwierigen Situationen in Templin, Rathenow, Eisenhüttenstadt und Herzberg.

Eines muss jedoch klar sein: Es darf keinesfalls der Eindruck entstehen, dass aufgrund eingeschränkter Öffnungszeiten einer Geburtsstation Kaiserschnittraten hochschnellen. Wir brauchen vielmehr innovative Konzepte, gute Arbeitsbedingungen und natürlich eine stabile wirtschaftliche Basis unserer Krankenhäuser. Aber letzteres besprechen wir in diesem Plenum noch anderer Stelle. Dass man den Trend auch umkehren kann, zeigt das Beispiel der Havelland-Kliniken. Der Kreißsaal in Nauen läuft dort nun als hebammengeleiteter Kreißsaal. Quasi ein Geburtshaus innerhalb einer Klinik, wie es der Geschäftsführer formulierte. Und wenn es hoffentlich bald gelingt, auch die Geburtsstation in Rathenow durch einen hebammengeleiteten Kreißsaal wiederzueröffnen, dann wird das ein guter Tag sein: für die Klinik, für die Hebammen und für die Frauen im Havelland.

Jede Frau erinnert sich bis an ihr Lebensende an die Geburten ihrer Kinder und an ihre Hebamme(n). Hebammen begleiten uns Frauen durch diese aufregenden und manchmal üblen Zeiten der Schwangerschaft, die stürmischen Stunden des Gebärens und die Krisen der Stillzeit. Sie begleiten entstehende Familie und sorgen für einen guten Start ins Leben. Für diese wertvolle Arbeit verdienen sie unsere Anerkennung und Wertschätzung, und zwar auch hier im Landtag. Ich möchte daher allen Hebammen in Brandenburg unseren Dank aussprechen. Das Gutachten zur Hebammenhilfe in Brandenburg ist ein bedeutender Meilenstein, um dieses Thema mit der nötigen Dringlichkeit und Verbindlichkeit zu bearbeiten. Der geplante runde Tisch wird es aufgreifen und alle Details beraten. Ich bitte sie um Zustimmung, damit dieser Weg nun eingeschlagen werden kann.

Weiterführende Informationen

Rede zu: Antrag "Eine flächendeckende Versorgung mit Hebammenhilfe auch in Zukunft sicherstellen - Strukturwandel aktiv gestalten, Hebammen und Geburtskliniken unterstützen und Hebammenausbildung absichern" (TOP 4 der 96. Plenarsitzung)