- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste, ich hatte spontan in der Geschäftsordnung nachgeschlagen, ob es eine Begrenzung der Zeichenzahl für die Überschrift von Anträgen gibt. Gibt es nicht. §40 unserer Geschäftsordnung legt lediglich fest: „Gesetzentwürfe und Anträge müssen mit einer den Inhalt kenn-zeichnenden Überschrift versehen sein.“ Wenn wir die Twitter-Begrenzung von 280 Zeichen hier mal zugrunde legen, hätten wir auch bei der vorliegenden Überschrift immer noch viel Luft, auch wenn „Erschließungsbeiträge sind so oldschool - Auch Koalition gibt sich Ruck und ermöglicht Mitbestimmung der Anlieger… oder nicht?“ mit 126 Zeichen definitiv schon zu den rekordverdächtigen gehört. Aber wir haben ja keine Begrenzung. Daher könnte man beispielsweise noch gut „Freie Wähler wollen einfach noch mal die Sau durch‘s Dorf treiben, bei der ihnen die Brandenburgerinnen und Brandenburger schon das letzte Mal nicht gefolgt sind, aber was soll’s?“ anhängen. Das wären dann zwar weitere 180 Zeichen, aber immerhin wäre damit der Vorgabe der Geschäftsordnung, nach der die Überschrift den Inhalt der Vorlage kennzeichnen soll, im Gegensatz zur Drucksache hervorragend genüge getan.
Denn wenn man sich die Antragsbegründung anschaut, dann werden dort seitenlang Tränen darüber vergossen, dass der Landtag den Vorschlägen der Freien Wähler nicht gefolgt ist, die Kosten des kommunalen Straßenbaus dem Land überzuhelfen. Dann wird ausgeführt, dass nur wenige Kommunen im Land in Ausübung kommunaler Selbstverwaltung von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, die Beiträge der Anlieger gegenüber der Vorgabe im Baugesetzbuch abzusenken. Schließlich wird zwar indirekt eingeräumt, dass man viel zu wenige Unterschriften für das Volksbegehren zur Abschaffung der Erschließungsbeiträge zusammenbekommen habe, aber irgendwie sei man ja doch sowas wie der „Gewinner der Herzen“ geworden, also eigentlich hätte man es ja geschafft, wenn nicht die Umstände gewesen wären.
Meine Damen und Herren, all das hat ja mit dem Beschlusstext des Antrags wenig zu tun, der uns heute vorgelegt wird. Allerdings mit der Überschrift „Freie Wähler wollen einfach noch mal die Sau durch‘s Dorf treiben, bei der ihnen die Brandenburgerinnen und Brandenburger schon das letzte Mal nicht gefolgt sind, aber was soll’s?“, die ich zur Ergänzung vorschlage.
Dafür sollte der Passus „Auch Koalition gibt sich Ruck und ermöglicht Mitbestimmung der Anlieger… oder nicht?“ aus der Überschrift gestrichen werden, da er zum einen den Antragsinhalt nicht wiedergibt und zum anderen auch eine falsche Fährten legt. Denn Erstens: Die Koalition gibt sich häufiger mal einen Ruck, nur eben nicht auf Kommando der Freien Wähler. Und Zweitens: Die Mitbestimmung der Anlieger ist bereits möglich. Dafür bedarf es gar keines Rucks.
Es gibt ja einige Kommunen, die an der Stelle Mitbestimmung bereits praktizieren, wie zum Beispiel meine Heimatkommune Oranienburg, die verpflichtende Informations- und Diskussionsveranstaltungen mit den Betroffenen auf Antrag der grünen Fraktion in die Regeln zum Straßenbau übernommen hat. Die Stadtverordneten bekommen im Ergebnis ein Protokoll der Einwohnerversammlung nicht nur mit Ja/Nein-Stimmen, sondern auch mit Hinweisen und Vorschlägen und können so eine abgewogene Entscheidung treffen. Andere Kommunen haben andere Arten der Beteiligung entwickelt und ja, manche haben überhaupt keine Beteiligung. Willkommen in der Welt der kommunalen Selbstverwaltung! Ich bin immer ein Verfechter von Bürgerbeteiligung, aber das müssen und können die Kommunen in eigener Verantwortung regeln. Wir sollten das nicht zentral verfügen, sondern müssen das in jeder Kommune immer wieder neu erkämpfen. Denn mit derselben Argumentation könnte man auch eine verpflichtende Beteiligung in vielen anderen gemeindlichen Belangen vorschreiben. Warum sollen denn nicht alle Eltern über den Schulentwicklungsplan abstimmen? Warum nicht die Anlieger über einen neuen Spielplatz? Weil es beim Straßenbau um Geld geht? Für viele Eltern ist das Wohlergehen ihrer Kinder viel wichtiger als Geld! Das Beispiel soll nur zeigen, dass die reine Fixierung auf Straßen und auf Geld falsch ist. Bürgerbeteiligung ist in allen Belangen wichtig, wobei die Gewichtung auch noch von Kommune zu Kommune verschieden sein kann. Deshalb ist die Umsetzung von Bürgerbeteiligung auf der kommunalen Ebene schon ganz richtig angesiedelt. Sie sollte dort eingefordert werden und muss immer wieder erkämpft werden.
Eine pauschale und zwingende Landesregelung beschränkt auf den Bau von Straßen wird den Anforderungen nicht gerecht. Den Antrag lehnen wir ab. Vielen Dank