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Heiner Klemp spricht zu: Gesetz zur Änderung der Kommunalverfassung und weiterer Vorschriften

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,

stellen Sie sich mal vor, Sie haben eine ganz tolle Idee für Ihre Kommune. Sagen wir, es gibt eine Brachfläche in der Gemeinde und Sie meinen, da sollte ein Spielplatz gebaut werden. Spiel­plätze fehlen nämlich. Sie fehlen gerade dort. Gerade dort wäre es wichtig, dass Kinder und Eltern sich zusammentreffen können. Meinen Sie. Ihre Gemeindevertreter sehen das schon auch, ABER: Erst mal müsste das Rathaus erweitert werden, die Mitarbeitenden haben miserable Arbeitsbedingungen. Und wenn wir die Zufahrt zum Gewerbegebiet sanieren, locken wir vielleicht neue Unternehmen an. Kurz: Sie dringen nicht durch. Und gerade bevor Sie sich resigniert zurückziehen, fällt Ihnen dieses kleine Büchlein in die Hand. „Kommunal­verfassung“! Und Sie entdecken Paragraf 15.

Aha, ich kann also als Bürger so ein Anliegen in die Gemeinde­vertretung tragen. Und wenn die Gemeindevertreter dann immer noch nicht ihre Prioritäten umsortieren, kann ich sogar einen Bürgerentscheid anstrengen, dann können alle Bürgerinnen und Bürger entscheiden, wie bei einer richtigen Wahl. Großartig, das mache ich.

So oder so ähnlich können Bürgerbegehren entstehen. Und die sind eine wichtige Ergänzung zur repräsentativen Demokratie. Denn niemand ist perfekt, auch die besten Gemeindevertreter*innen nicht. Die Hürden für ein erfolgreiches Bürgerbegehren sind aber sehr hoch. Tatsächlich scheitert ungefähr die Hälfte der Bürgerbegehren an den formalen Anforderungen! Das ist dann immer besonders frustrierend für die Initiatorinnen und Initiatoren. Und manchmal liegt es nur an der Formulierung der Abstimmungsfrage oder an anderen Formalia, die sich leicht heilen ließen.

Nur bisher war es zum Heilen dann zu spät. Die Zulässigkeit wurde erst geprüft, nachdem alle Unterschriften gesammelt und eingereicht worden sind. Kam es jetzt zur Unzulässigkeit, waren alle Unter­schriften ungültig und die Sammlung müsste von vorne beginnen. Was für ein Frust für die Menschen, die doch etwas Positives bewegen wollten!

Meine Damen und Herren,

mit der vorliegenden Novelle der Kommunalverfassung wird das jetzt besser. Die Vertrauenspersonen eines Bürgerbegehrens können jederzeit – vor, während oder nach der Unterschriftensammlung – die Zulässigkeit prüfen lassen. Man kann also formale Sicherheit bekommen, noch ehe man auf den Marktplatz geht.

Wir haben eine kleine Missbrauchsschwelle eingebaut, damit nicht die Gefahr besteht, dass die Kommunalaufsichten von Einzelnen mit Prüfungsbegehren überrollt werden. Aber nur eine kleine: Man braucht genauso viele Unterschriften, wie wenn man als Bürger­meister*in kandidieren will. In unseren kleinsten Gemeinden sind das 16, in den größten 112 Unterschriften. Das schützt vor Missbrauch, ist aber absolut leistbar.

Wir stärken so die direkte Demokratie, aber auch die Demokratie insgesamt. Bürgerinnen und Bürger finden leichter Gehör, haben bessere Möglichkeiten sich einzubringen, ohne am Ende frustriert zurück zu bleiben.

Viele Gemeinden haben in der Pandemie die technischen Voraus­setzungen für eine Video-Teilnahme geschaffen. Durch unsere Novelle können sie flexibel weiter eingesetzt werden.
Heiner Klemp

Meine Damen und Herren,

anderes Thema: Meine Vorredner haben es ja schon ausgeführt: Mit dieser Änderung der Kommunalverfassung nehmen wir eine Vor­reiter­rolle in Deutschland ein. Ich meine hier die Möglichkeit, im begründeten Einzelfall per Video an einer Sitzung eines kommunalen Gremiums teilzunehmen. Ich stehe ja im engen Kontakt mit meinen Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern: Alle schauen auf Brandenburg!

Ich hatte in meiner ehrenamtlichen, kommunalpolitischen Laufbahn des Öfteren die Situation, beruflich in der Welt unterwegs zu sein, und daher an Sitzungen nicht teilnehmen zu können. Obwohl ich im Zweifel einfach abends im Hotelzimmer rumsaß und durchaus Zeit gehabt hätte. Ich frage Sie, warum soll ich mein Mandat dann nicht ausüben dürfen?

Viele Gemeinden haben in der Pandemie die technischen Voraus­setzungen für eine Video-Teilnahme geschaffen. Durch unsere Novelle können sie flexibel weiter eingesetzt werden. Wir haben jetzt sogar geregelt, wie geheime Abstimmungen in Hybridsitzungen durchgeführt werden können, nämlich im Anschluss per Briefwahl.

Meine Damen und Herren,

Bevor ich schließe, ist mir noch wichtig zu betonen, dass wir mit der Änderung auch ein erstes Ergebnis der Enquetekommission „Länd­liche Räume“ umsetzen, nämlich für die Ortsteile mit Ortsbeiräten eigene Budgets einzuführen. Das werden sicher keine Reichtümer sein, aber mit ihnen geben wir zumindest eine gewisse finanzielle Eigenverantwortung in früher meist selbständige Gemeinden zurück.

Auch die anderen Anregungen der EK 6/1 sind nicht vergessen. Wir planen in dieser Wahlperiode noch eine weitere Novelle der Kommunal­verfassung und werden uns die Vorschläge dafür genau anschauen.

Herr Stefke, ich bin sehr gespannt auf Ihre Rede jetzt im Anschluss. Sie hatten sich ja im Innenausschuss beschwert, dass die Koalition ihren Änderungsantrag erst eine knappe Woche vor der Sitzung eingebracht hat. Nun haben Sie Ihren gestern eingebracht! Der Inhalt Ihres Antrags ist sicher strittig, lohnt aber das Streiten auch. Unstrittig wird sein, dass eine sachgerechte Befassung des erst gestern eingereichten Antrags heute nicht möglich ist.

Ich bitte um Zustimmung zum Gesetzentwurf in der Fassung des Innenausschusses.

Vielen Dank