- Es gilt das gesprochene Wort!
Herr Präsident, liebe Kolleg*innen, sehr geehrter Herr Landesrabbiner Kirzon, sehr geehrte Vertreterinnen und Vertreter der jüdischen Gemeinden, Frau Sandler und Herr Kutikow, auch des Instituts für jüdische Theologie und des Zentrums gegen Antisemitismus, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit,
letzte Woche wurde im Hans-Otto-Theater das 29. jüdische Filmfestival Berlin-Brandenburg feierlich eröffnet. Bei dieser Gelegenheit wurden neben Musik und Reden fünf jüdische Kurzfilme präsentiert. Sie hatten es in sich. Ganz besonders beeindruckt hat mich ein zweiminütiger Spot von Maximilian Karakatsanis und Rosa Sadnik aus dem Jahr 2021.
Gezeigt wird eine junge Frau vor dem Spiegel, die sich zum Ausgehen bereitmacht. Sie schminkt sich, legt Ohrringe an, und eine Halskette. Dann klingelt es. Und sie legt die Kette wieder weg!
Es folgt der Abspann: „Wenn Identität eine Frage der Sicherheit ist.“
Es ist eine Kette mit einem Davidstern. So eine ähnliche Kette, wie ich sie heute, als Zeichen der Solidarität, auch trage.
Es ist zutiefst erschreckend, dass das Tragen eines Davidsterns im Jahr 2023 in Deutschland eine Frage der Sicherheit ist. Dass Jüdinnen und Juden, die sich durch das Tragen einer Kippa oder eines Davidssterns, öffentlich zu erkennen geben, Angst vor Anfeindungen oder sogar vor körperlicher Gewalt haben müssen. Dass sie ihr Leben dadurch in Gefahr bringen.
Das zeigt, wie tief Antisemitismus in unserer Gesellschaft immer noch verwurzelt ist. Und in den letzten Jahren mit den Corona-Protesten und dem Anwachsen rechter Verschwörungsideologien noch zugenommen hat.
Im Jahr 2022 verzeichnete die Polizei 193 antisemitische Straftaten in Brandenburg. Damit ist die gemeldete Zahl gegenüber 2021 um fast 30 Prozent gestiegen.
Darunter sind drei Fälle gefährlicher Körperverletzung sowie zehn Vorfälle gegen jüdische Einrichtungen oder jüdische Veranstaltungen. Darüber hinaus gab es zahlreiche Fälle von Volksverhetzung, im öffentlichen Raum, Bussen und Bahnen, an Gedenkorten und im Netz.
Auch der Verein Opferperspektive beklagt in seiner Jahresbilanz die hohe Anzahl antisemitischer Gewaltdelikte.
Und diese angezeigten Delikte sind doch nur die Spitze des Eisbergs. Die Dunkelziffer ist vermutlich deutlich höher. Wir alle sind gefordert, sensibel zu sein und antisemitischen Äußerungen im Alltag sofort Einhalt zu gebieten: in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, im Sportverein, in der Schule oder im Chatforum. Worte können schnell zu Taten werden.
Die Bekämpfung von Antisemitismus geht uns alle an.
Vor fast genau einem Jahr haben wir hier im Landtag die Verfassung geändert und die Bekämpfung von Antisemitismus und die Stärkung jüdischen Lebens als Staatsziel festgeschrieben.
Nun wollen wir hier am Landtag eine unabhängige Beauftragtenstelle zur Bekämpfung von Antisemitismus schaffen. Ziel ist zum einen, eine Ansprechperson für Menschen jüdischen Glaubens und für jüdische Organisationen zu schaffen. Zum anderen soll auch die Zivilgesellschaft noch stärker als bisher für den Kampf gegen Antisemitismus sensibilisiert werden.
Die Linke beantragt darüber hinaus das Amt in Personalunion auch mit dem Kampf gegen Antiziganismus zu beauftragen. Anfeindung und Ausgrenzung von Sintizze und Sinti, Romja und Roma ist ein jahrhundertealtes, sehr ernst zu nehmendes Problem. Wir werden darüber im Hauptausschuss beraten.
Meine Damen und Herren. Der Kampf gegen Antisemitismus bleibt eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ich wünsche mir, dass Jüdinnen und Juden ohne Angst in Brandenburg leben und ihre Kippa oder Kette tragen können, wenn sie es denn möchten.