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Rede im Landtag: Bürgerräte sind ein Baustein, um Menschen in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,

heute beraten wir zwei Anträge zur Verbesserung der Bürgerbeteiligung, genauer gesagt sogar einen Gesetzentwurf und einen Antrag. Das zeigt, wie wichtig das Thema ist und ich bin den Antrag stellenden ausgesprochen dankbar, dass wir dazu heute eine Debatte führen können.

Ich möchte mich zunächst einmal outen: Ich bin ein großer Fan von Bürgerräten. Nicht, um die repräsentative Demokratie zu ersetzen, auch nicht um die direkte Demokratie zu ersetzen, sondern als weiteren Baustein, um Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungsprozesse einzubeziehen. Die Stärke von Bürgerräten ist aus meiner Sicht, dass eben nicht die Lautesten das Verfahren bestimmen, auch nicht die mit den stärksten Ellenbogen oder den besten Beziehungen. Auch nicht die, die die meisten Flyer verteilen können, sondern eine zufällig zusammengesetzte, aber dennoch repräsentative Gruppe von Bürgerinnen und Bürgern. Das setzt sich wohltuend ab von der Emotionalität und Hitzigkeit, mit denen wichtige Debatten unserer Tage häufig geführt werden. Bürgerräte werden professionell, aber inhaltlich neutral moderiert. Sie haben Zugriff auf Expertinnen und Experten, die Fachwissen zu dem zu besprechenden Thema einbringen können. Was mich an dem Konzept begeistert, ist, dass es einfache Lösungen zu komplexen Sachverhalten weitgehend ausschließt, da unter den repräsentativen Teilnehmenden eben oftmals auch die Gegenposition vertreten ist und innerhalb des Bürgerrates ein Ausgleich und damit auch im demokratischen Sinne gute Lösung gefunden werden muss. In einem Bürgerrat können Vorschläge in einem geschützten Raum diskutiert und konstruktiv weiterentwickelt werden.

Auch auf europäischer Ebene werden Diskussionen um Bürgerräte geführt. So wurde im Kongress der Gemeinden und Regionen Europas, in dem ich die Ehre habe, das Land Brandenburg zu vertreten, bereits im Frühjahr 2022 ein Bericht zum Nutzen sogenannter deliberativer Methoden in der Demokratie verabschiedet. Berichterstatter war damals Karl-Heinz Lambertz, ehemaliger Ministerpräsident und Parlamentspräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens und ein langjähriger Freund Brandenburgs, der letzte Woche bei uns im Europaausschuss zu Gast war. Er berichtete im Kongress sehr eindrücklich von den Chancen durch Bürgerräte, die er auch selbst in der deutschsprachigen Region Belgiens eingeführt hat. Er hat aber auch deutlich die Voraussetzungen für ein Gelingen genannt: Der wichtigste Erfolgsfaktor ist der ehrliche Wille der Parlamente beziehungsweise Vertretungen, die Ergebnisse eines Bürgerrates ernsthaft zu erwägen und weitestmöglich umzusetzen. Außerdem kommt der repräsentativen Auswahl der Teilnehmenden und der lösungsorientierten, aber inhaltlich neutralen Moderation eine Schlüsselrolle zu.

Meine Damen und Herren, einen Bürgerrat etabliert man daher nicht mal eben so oder auf Basis einer Kampfabstimmung. Vielmehr braucht es einen breiten Konsens in Politik und Verwaltung, den ich zu meinem großen Bedauern aktuell in Deutschland nicht sehe. Dennoch kann ein Gesetzentwurf, wie ihn die Linksfraktion heute vorgelegt hat, eine gute Grundlage sein, zumal wenn er sich weitgehend an das Gesetz im grün-schwarzen Baden-Württemberg anlehnt. Aber auch der Linksfraktion dürfte klar sein, dass er in dieser Legislatur auch bei einer Überweisung in den Innenausschuss nicht mehr abgeschlossen werden könnte und so der Diskontinuität anheimfallen muss. Insofern muss man leider konstatieren, dass es sich bei dem Gesetz-entwurf um eine reine Schaufenstervorlage handelt, die zwar zu weiterer Beschäftigung im bereits gut ausgelasteten Innenausschuss, nicht jedoch zu einer abgeschlossenen Gesetzgebung führen würde. Wir werden ihn daher trotz inhaltlicher Sympathie ablehnen.

Zu dem Antrag der Freien Wähler bleibt mir zu sagen: Auch das ist eine gute Idee. Wir wissen aber, dass die elektronische Identifikation, die mit dem Personalausweis möglich ist, noch viel zu wenig genutzt wird. Ob hier der Durchbruch gerade mit einer digitalen Umfrageanwendung gelingt, erscheint uns doch sehr fragwürdig. Im Gegenteil: Wenn der digitale Ausweis die Zugangshürde für Umfragen sein soll, was ist dann die Aussagekraft der Ergebnisse? Viel wichtiger und für uns vordringlich ist die Digitalisierung der alltäglichen Verwaltungsvorgänge. Diese wird dann schließlich auch dem digitalen Personalausweis, dem Online-Ausweis, zum Durchbruch verhelfen. Hierfür brauchen wir in den kommenden Jahren noch viel Energie. Umfrageanwendungen sollten zukünftig ein Bestandteil der online-Anwendungen jeder Kommune sein, nachdem die grundlegenden Bürgerdienste digitalisiert sind. Als Vorreiter zum Einsatz des elektronischen Ausweises eignet sich diese Anwendung aber nicht. Den Antrag der Freien Wähler lehnen wir ab. Vielen Dank

Weiterführende Informationen

Rede zu: Gesetzentwurf "Gesetz über die dialogische Bürgerbeteiligung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Bürgerdialoggesetz - BbgBdialogG)" (TOP 10 der 106. Plenarsitzung)