- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,
die Bundesrepublik Deutschland ist ein Rechtsstaat. Das steht unter anderem in unserer Verfassung, dem Grundgesetz in Artikel 20 Absatz 3: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
Hiermit ist zugleich auch die Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative vorgegeben. Für die Judikative legt zudem das Grundgesetz in Artikel 19 Absatz 4 fest: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“
All das zusammengenommen garantiert den Rechtsstaat in Deutschland und ist ein Teil der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.
Also alles gut?
In der Theorie ja. Die Verwaltungen sind an die Gesetze, aber auch an die Rechtsprechung gebunden und dürfen keine Verwaltungsakte erlassen, die diesen widersprechen. Und sollte das doch einmal passieren, so steht jeder Person der Rechtsweg offen.
Wir wissen ja auch, im Großen und Ganzen funktioniert das.
Aber es gibt auch andere Effekte, ich erinnere nur mal an das Sprichwort „Wo kein Kläger, da ist auch kein Richter“. Auch wenn Verwaltungen in der Regel nach Recht und Gesetz handeln, gibt es immer wieder mal Abweichungen; die geschehen meist unabsichtlich, sie können aber auch vorsätzlich erfolgen.
Nicht umsonst leistet sich das Land Brandenburg in Neuruppin eine eigene Schwerpunktstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung der Korruptionskriminalität. Und nein, das ist kein Generalverdacht gegenüber Verwaltungen und Amtspersonen, es ist ein Ausdruck dessen, dass der Staat alles unternehmen muss, mögliche Verfehlungen seiner Beschäftigten zu entdecken, aufzuklären und anzuklagen. Nur ein Staat, der das tut, kann wirklich ein Rechtsstaat sein.
Meine Damen und Herren, beim ersten Schritt, dem Entdecken von unrechtmäßigen Verhaltens-weisen können Whistleblower wichtig sein. „Deep Throat“ nannte sich der legendäre Whistleblower in der Watergate-Affäre, der die illegalen Abhörpraktiken des FBI gegen Oppositionelle durch US-Präsident Richard Nixon aufdeckte. Der dahinterstehende FBI Ermittler Mark Felt traute sich erst mehr als 30 Jahre nach Watergate, als er schon todkrank war, sich zu offenbaren.
Whistleblower gab es schon immer, aber sie lebten in massiver Gefahr, mussten Schikanen oder Kündigungen ertragen. Weil Menschen zwar Unrecht sahen, aber sich nicht trauten, dagegen vorzugehen, wurde Unrecht zuweilen größer, weil niemand eingeschritten war und unrechtmäßige Praktiken verborgen blieben. Deshalb müssen wir Whistleblower schützen, damit unrechtmäßige Handlungen, seien sie auch noch so selten, schnellstmöglich aufgedeckt und die Integrität des Rechtsstaates geschützt wird.
Meine Damen und Herren, in der 6. Wahlperiode hatte Brandenburg zusammen mit Niedersachsen eine Bundesratsinitiative ergriffen, um Whistleblower besser zu schützen. Die bündnisgrüne Fraktion dieses Hauses hatte schon am 31.05.2016 einen Antrag zu der Thematik eingereicht.
Jetzt wird der Schutz Realität und zwar gar nicht aufgrund der Landes- oder Bundespolitik, sondern durch eine europäische Richtlinie. Wir sehen also, wie segensreich europäische Politik ist! Ebenfalls 2016 hatte die europäische grüne Fraktion die Debatte im Europaparlament gestartet und drei Jahre später wurde schließlich die Richtlinie beschlossen, die nun Whistleblowern in der gesamten Europäischen Union Schutz gewährt. Was für ein Erfolg!
Der Grundgedanke ist, dass alle hinweisgebenden Personen vor Benachteiligung geschützt werden, sowohl in Unternehmen wie im Öffentlichen Dienst. Hierfür sollen interne und externe Meldestellen eingerichtet werden, Meldungen können namentlich oder anonym eingereicht werden.
Der Bundesgesetzgeber hat diese Richtlinie mit dem Hinweisgeberschutzgesetz am 2. Juli 2023 in nationales Recht umgesetzt. Das Gesetz sieht vor, dass die Länder die Errichtung von internen Meldestellen für die kommunalen Behörden durch ein Landesgesetz regeln. Über dieses Gesetz reden wir jetzt. Es ist zur vollständigen Umsetzung der europäischen Richtlinie erforderlich.
Zum Abschluss noch eine gute Nachricht: Wir haben das Gesetz noch gar nicht beschlossen, aber meine Heimatstadt Oranienburg hat bereits seit Anfang des Monats ein entsprechendes Meldeportal eingerichtet, das nenne ich vorbildlich! Durch die Nutzung eines Portals kann sichergestellt werden, dass von den Ermittelnden selbst dann Rückfragen an die Meldenden gestellt werden können, wenn diese die Meldung anonym aufgegeben haben. Das ist eine große Stärke gegenüber den herkömmlichen anonymen Briefen!
Meine Damen und Herren, Whistleblower zu schützen heißt nicht, Verwaltungen zu misstrauen. Aber unrechtmäßige Fälle müssen schnell aufgedeckt werden, um die Integrität und Rechtsstaatlichkeit der Verwaltungen zu schützen. Whistleblower sind Treiber für positive Veränderungen. Sie haben Steuerhinterziehung, Datenschutzverletzungen und Kriegsverbrechen aufgedeckt. Und sie helfen, dass derartige Dinge in Zukunft weniger passieren.
Ich bitte um die Überweisung des Gesetzentwurfs der Koalition in den Innenausschuss.
Vielen Dank