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Benjamin Raschke spricht zu: Gesetz zur Neustrukturierung der Arbeitsgerichtsbezirke

- Es gilt das gesprochene Wort

Werte Abgeordnete,

ich bin heute beinahe der letzte Redner für die Fraktionen - und entsprechend sind viele Dinge zur Reform der Arbeitsgerichte bereits gesagt worden.

Lassen Sie mich noch 4 Sachen hinzufügen:

Erstens: Ein Wort des Bedauerns. Noch keine Koalition der letzten 10, 12 Jahre hat sich beim Verfahren zur Reform der Arbeitsgerichtsbarkeit mit Ruhm bekleckert. Diese, unsere Koalition macht da leider keine Ausnahme.

Ich bedauere, wie die Debatte gelaufen ist, vom Durchstechen der ersten Idee bis zu den „biblischen“ Vergleichen hier im Plenarsaal.

Bei einigen Arbeitsrichter*innen und in den Gewerkschaften ist dabei der Eindruck fehlender Wertschätzung entstanden.

Es ist mir ein großes Bedürfnis für unsere grüne Fraktion und sicher auch die gesamte Koalition klar zu sagen:

Wir wissen um den besonderen Wert der Arbeitsgerichtsbarkeit - und der Sozialpartnerschaft.

Und wir sind dankbar für Ihren tagtäglichen Einsatz!

Dies war Erstens.

Drittens: Lassen sie uns die Reform nicht an der B-Note messen! Schauen wir auf das Ergebnis!

Dafür müssen wir uns, Zweitens, nochmal vor Augen halten: Warum nochmal ist eine Reform nötig?

Ich will es so zusammenfassen:

Wer darum kämpfen muss, dass der sauer verdienter Lohn ausgezahlt wird, soll auch in Zukunft vor dem Arbeitsgericht zu seinem oder ihrem Recht kommen!

Dafür kann die Welt aber nicht so bleiben, wie sie ist.

Denn noch gibt es im Land 32 Arbeitsrichter*innen, verteilt auf 6,7 Standorte. Wenn uns davon viele in den nächsten Jahren in den verdienten Ruhestand verlassen, werden wir nicht alle Stellen wieder neu besetzen. Genauer gesagt werden 2024 nur noch rund 20 Richter*innen benötigt.

Das macht nach Adam Riese ca. 3 Richter*innen pro Standort.

Die Erfahrungen der letzten Jahre und anderen Länder zeigen: auf Dauer arbeitsfähig sind Standorte mit 4-5 Richterinnen.

Auch dann, wenn jemand etwa wegen Elternzeit, Urlaub, Krankheit vertreten werden muss.

Die Fakten sprechen also für sich: wer 2024 arbeitsfähige Gerichte will, muss heute vorsorgen und die Richter*innen anders verteilen.

Es gibt aber noch einen zweiten Grund für den Reformbedarf:

Die bisherige Standorte sind historisch gewachsen - und im Land auch nicht besonders gleichmäßig verteilt:

Das führt heute dazu, dass Menschen,

die etwa in Elbe-Elster oder der Prignitz zu ihrem Recht kommen wollen,

heute sehr weit fahren müssen.

Und lassen es deshalb vermutlich häufiger bleiben, als Menschen etwa hier in Potsdam. Da haben wir also eine Gerechtigkeitslücke.

Zusammengefasst: Ziel einer Reform müssen dauerhaft gesicherte Standorte und eine bessere Verteilung der Arbeitsgerichtsbarkeit im Land sein. Und damit bin ich wieder bei 3. : Messen wir die Reform am Ergebnis:

  • 2024 wird es 4 dauerhaft sichere Standorte mit 4-5 Richter*innen geben
  • die Arbeitsgerichtsbarkeit wird dann in vielen Regionen des Landes besser erreichbar sein, mit zusätzlichen Gerichtstagen in Perleberg, in Luckenwalde, voraussichtlich auch in Königs Wusterhausen in der Flughafenregion.
  • Und die Reform selbst wird sozialverträglich organisiert, ohne Entlassungen und mit freier Standortwahl für die bisherigen Mitarbeiter*innen.

Sie sehen, ich bin mit dem Gesamtergebnis zufrieden.

Und auch mit dem grünen Anteil an der Reform, dass wir etwa zusätzliche Gerichtstage in der Fläche bekommen, dass die Gerichtstage an den bisherigen Standorten im Gesetz abgesichert sind, dass wir trotz aller Schwierigkeiten eine intensive fachliche Debatte geführt haben.

Ja, werden Sie jetzt vielleicht denken, das ist alles überzeugend, aber er hat ja auch nicht über Potsdam geredet. Das will ich abschließend gern tun und bin bei 4.

Potsdam unterscheidet sich von den anderen Standorten, weil hier neben den rechtspolitischen Argumenten noch etwas anderes zu berücksichtigen ist: Die grundsätzliche Entscheidung der Koalition, Standorte außerhalb von Potsdam zu stärken und dafür notfalls auch aus Potsdam zu verlagern.

Wir Bündnisgrüne haben hier die Position vertreten, den Koalitionsvertrag ernst zu nehmen, ABER: vor einer ersatzlosen Schließung des Arbeitsgerichtes Potsdam als größtes Gericht aber jede denkbare Alternative abzuwägen. Auch die, die heute hier vorliegen.

Genau das haben wir in der Koalition auch ernsthaft getan, Sie dürfen sich da durchaus einige Stunden intensiver Diskussion vorstellen.

Keiner der Koalitionspartner hat es sich dabei leicht gemacht, und auch ich danke wie Tina Fischer den Koalitionspartnern für die Debatte.

Im Ergebnis konnten wir uns auf Gerichtstage in Potsdam einigen. Damit können auch in Zukunft alle Bürger*innen in Potsdam zu Ihrem Recht kommen.

In Abwägung aller Argumente und angesichts der Umstände haben wir damit aus meiner Sicht das Beste herausgeholt.

Mit dem Beschluss heute aber ist die Reform nicht vorbei. Daher möchte ich mit einer Bitte enden: Vieles kann gerade bei den Gerichtstagen noch ausgestaltet werden. Ich möchte dazu einladen, sich jetzt nicht in Schützengräben einzugraben, sondern das mitzugestalten.

Die Ministerin hat uns bereits zugesagt, im Nachgang Gespräche mit den Gewerkschaften und den Arbeitsrichter*innen zu führen.

Wir als bündnisgrüne Fraktion und die Koalitionsfraktionen insgesamt stehen dazu auch gern bereit.

In diesem Sinne bitte ich um Ihre Zustimmung zum Gesetzesentwurf. Vielen Dank.