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Heiner Klemp spricht zu: Gründungsoffensive Brandenburg

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,

der Titel der Aktuellen Stunde heißt: „Wohlstand und Wettbewerb - Brandenburgs Wirtschaft nach der Pandemie“.

Es geht also um die Zukunft. Wie sieht denn Brandenburgs Wirtschaft der Zukunft aus? Wir sind überzeugt: Die Zukunft ist innovativ, nachhaltig und grün!

Natürlich geht es zunächst darum, die Covid-19-Krise zu überwinden, die manche Branchen an den Rand des Abgrunds bringt. Andere wiederum profitieren, wenn ich etwa an den Online-Möbelhändler Home24 in Ludwigsfelde denke, der seine Umsätze um 70% gestei­gert hat. Aber es stimmt: Drei von vier Unternehmen verzeichnen negative Auswirkungen der Coronakrise.

Es ist gut, dass Unternehmen vielfältig gestützt werden. Dennoch haben wir große Sorge um die Betriebe, um Unternehmerinnen und Unternehmer und ihre Beschäftigten.

Natürlich möchten wir alle gerne schnellstmöglich die Angebote wieder öffnen, aber eben erst, wenn es verantwortbar ist. Die dritte Welle müssen wir erst unter Kontrolle haben, ehe wir an weitere Öffnungen denken können.

Teil-Öffnungen wären gut, sie helfen aber nur bedingt. Wir könnten bspw. die Außengastronomie frühzeitiger öffnen, aber den Betrieben würde das nicht helfen. Umfragen der DEHOGA haben ergeben, dass 80% der Unternehmen sagen, eine reine Öffnung der Außenbereiche sei für sie wirtschaftlich nicht darstellbar.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

es ist wie so oft kompliziert.

Unser Wirtschaftsminister hat leider auch die Erwartungen an den von der Bundesregierung angekündigten Härtefallfonds dämpfen müssen. Die Bedingungen werden offenbar vom Bundeswirtschafts­ministerium sehr eng definiert. Das Ver­sprechen, den Unternehmen, die durch das Raster gefallen sind, werde nun geholfen, gerät in Gefahr.

Gleichzeitig gibt es aber kaum Spielräume für landesspezifische Hilfen, da auch diese von der EU notifiziert werden müssen und die EU hier zunehmend restriktiv auftritt.

Nun sind wir gespannt, wie die „ergänzenden Hilfsinstrumente“, die es nach dem MPK-Beschluss vom Montag zusätzlich geben soll, aussehen werden.

Wie können wir also den betroffenen Branchen in anderer Weise helfen? Hierfür nennt der Antrag der Koalition konkrete Hilfen zur Unterstützung, besonders im Bereich von Gastronomie und Tourismus.

Bei allen Sorgen müssen wir aber auch sehen, dass weite Teile der Wirtschaft relativ unbehelligt weiterlaufen. Industrie und Handwerk sind wenig betroffen und können produzieren. Anders als in der ersten Welle sind Logistikketten weitgehend sichergestellt.

Man muss den Realitäten ins Auge blicken: Wir werden in 2021 mit einigen Insolvenzen rechnen müssen. Einer Umfrage des BMWi zufolge sehen sich 11% der Unternehmen von Insolvenz bedroht.

In der Fachwelt ist umstritten, wie sich die Situation tatsächlich ent­wickeln wird. Tatsache ist, dass die Zahl der Insolvenzen in Deutsch­land im vergangenen Jahr deutlich um mehr als 13 % abgenommen hat, nämlich um 2.530 auf 16.300 Fälle. Das war die geringste Zahl seit der Einführung der Insolvenzordnung 1999.

Als Ursache für die geringen Insolvenzzahlen wird oft angeführt, dass die Pflicht zur Anmeldung einer Insolvenz im vergangenen Jahr zeit­weise ausgesetzt war. Das wird ein Faktor sein, allerdings wurden die Ausnahmen bis Ende letzten Jahres weitgehend zurückgeführt.

Es kann aber auch sein, dass die staatlichen Hilfen eine Ursache waren: Zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. So wurden Unter­nehmen im Markt gehalten, die normalerweise bereits in 2020 in die Insolvenz gegangen wären.

Meine Damen und Herren,

wie es letztendlich ausgehen wird, wissen wir noch nicht. Prognosen von Banken und Kreditversicherern reichen von 14% mehr Insolven­zen bis zu nur einem Prozent, also quasi kein Anstieg.

Meine Erwartung ist, dass wir volkswirtschaftlich nach Ende der Beschränkungen wieder gut aus der Krise herauskommen. Das ist auch nach wie vor der Tenor aus der Wissenschaft.

Die Spareinlagen sind im Durchschnitt der Bevölkerung gestiegen. Einerseits ein Zeichen dafür, dass auch die Belastungen in der Bevölke­rung sehr ungleich verteilt sind, andererseits aber auch eine Voraussetzung dafür, dass der Konsum nach der Krise wieder merk­lich anziehen und für eine Konjunkturerholung sorgen kann.

Die Wiederzulassung des Impfstoffs von Astra Zeneca und die generelle Verfügbarkeit von mehr Impfstoff der verschiedenen Hersteller bietet ein gutes Fundament, jetzt richtig Fahrt aufzu­nehmen. Heute sind in Brandenburg 10% der Bevölkerung erstgeimpft, darunter alle Alten- und Pflegeheime, wo wir die meisten Menschen an den Virus verloren hatten. Die Hausärzte können endlich mit einbezogen werden. Ich bin überzeugt, in den nächsten Wochen und Monaten können wir immer mehr zur Normalität zurückkehren.

Deshalb sollten wir alle zusammen nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern die Augen in die Zukunft richten. Und richtig: Die Zukunft ist innovativ, nachhaltig und grün!

Meine Damen und Herren,

wir wollen nach der Coronakrise als Volkswirtschaft besser dastehen als vorher. Denn wir haben weitere Krisen zu bewältigen.

Eines hat sich unbestreitbar schon geändert in der Corona-Zeit. Unsere Digitalisierung hat einen Schub bekommen. Oftmals noch nicht so stark, wie wir uns das wünschen. Glasfaser fällt ja nicht vom Himmel. Aber da sind wir ja dran!

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wer von Ihnen hätte denn vor – sagen wir mal – 18 Monaten, gedacht, dass wir Abgeordnete weitgehend aus dem Home-Office arbeiten können, dass wir Ausschusssitzungen als Videokonferenzen machen und Fachgespräche oder Treffen mit Bürgerinnen und Bürgern einfach virtuell?

Wir haben gelernt, dass wir dabei manchmal mehr Menschen erreichen als bei Präsenzveranstaltungen. Meine Kollegin Carla Kniestedt und ich haben letzte Woche ein Online-Fachgespräch durchgeführt und hatten dabei über 80 Teilnehmende aus ganz Brandenburg! Das hätten wir in Präsenz nie gehabt! Man sieht also, wie ein Notbehelf plötzlich zur Chance wird und Vorteile bietet.

Die Coronakrise wird unsere Wirtschaft nachhaltig verändern. Sie wird innovativer werden – sie IST bereits innovativer geworden. Und nachhaltiger und grüner.

Das Reiseverhalten in den Unternehmen hat sich verändert und es ist völlig klar: Es wird nie wieder wie früher werden! Auch wenn Reisen wieder leichter geht, werden oft Videokonferenzen das Mittel der Wahl bleiben. Die Wirtschaft ist damit nachhaltiger geworden.

Aber - ich sehe es wie Sie: Wir alle wollen mal wieder aus dem Home-Office raus. Wieder richtige Menschen in richtigen Räumen sehen. Dieser Zeitpunkt kommt bestimmt.

Aber in der Arbeitswelt werden viele Tätigkeiten nicht mehr an einen Ort gebunden sein. Beschäftigte werden teilweise im Home-Office arbeiten, teilweise werden sie vielleicht in die Metropole pendeln zur Arbeit und ich bin mir sicher, es wird sich eine dritte Variante aus­bilden, nämlich Co-Working-Spaces in den Mittelzentren, vielleicht auch in dem einen oder anderen Grundzentrum oder auf dem Land. Dort können Menschen arbeiten, die nicht alleine zuhause sitzen wollen, aber auch nicht weite Pendeleien auf sich nehmen wollen. Deshalb wird die Koalition ein Förderprogramm für Co-Working-Spaces auflegen.

So bieten sich neue Chancen für unsere ländlichen Räume. Wohnen und Arbeiten im ländlichen Raum wird eine Blütezeit erleben, da bin ich mir sicher. Wir werden viel flexibler sein, wo wir wohnen, wo wir arbeiten und wo wir unsere Freizeit verbringen.

Die Zukunft ist innovativ, nachhaltig und grün. Und das getrieben und befördert von der Krise.

Meine Damen und Herren,

Nachhaltigkeit ist das große Thema unserer Zeit. Ich meine das nicht nur, weil die Vereinten Nationen ihre 17 Nachhaltigkeits­ziele beschlos­sen haben, die sich Staaten und Organisationen rund um den Erdball zu eigen machen.

Nein, ich meine hier bei uns. Für zwei Drittel der Bevölkerung in Deutschland stellt der Umwelt- und Klimaschutz eine grundlegende Bedingung dar, um unsere Zukunftsaufgaben zu bewältigen. Eine Repräsentativbefragung von 1.034 jungen Menschen im Auftrag des BMU ergab: Für weit über 80% der Jugendlichen gehört zu einem guten Leben eine intakte und natürliche Umwelt unbedingt dazu.

Das Wissen um die Priorität des Klimaschutzes ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen und es ist die Aufgabe der Politik, Klimaschutz umzusetzen. Und dabei geht es nicht in erster Linie um Verbote, sondern um eine Vorbildwirkung, die Ermöglichung einer nachhaltigen Entwick­lung und die Unterstützung unserer Wirtschaft auf diesem Weg.

Die Bevölkerung sieht es also auch: Die Zukunft ist innovativ, nachhaltig und grün!

Meine Damen und Herren,

wir Grüne führen ja auch viele Gespräche mit der Industrie, sei es mit der Stahlindustrie in Eisenhüttenstadt oder auch der Chemischen Industrie. Die Unternehmen bekennen sich zum Ziel des Green Deals, Europa als Kontinent bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu machen.

Auch weisen viele erfolgreiche Ansiedlungen der letzten Zeit in Richtung Nachhaltigkeit. Brandenburg positioniert sich hier als Vorreiter. Und das zieht wiederum weitere nachhaltige Unternehmen an. Es ist ja bekannt, dass Tesla die hohe Verfügbarkeit erneuerbarer Energie in Brandenburg als Standortvorteil gewertet hat.

Das heißt aber nicht, dass es keine Herausforderungen mehr gäbe. Natürlich nicht, und nicht für alles gibt es bereits einen Zeitplan und eine Lösung. Es ist nicht so, als bräuchten wir die nächsten 30 Jahre bis zur Klimaneutralität keine Innovation mehr, keine Unternehmer­innen und Unternehmer, die Lösungen anpacken, und alles würde automatisch seinen vorgezeichneten Weg gehen.

Im Gegenteil: Wir brauchen eine gemeinsame Kraftanstrengung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Auch deshalb hat die Landes­regierung den Nachhaltigkeitsbeirat wiedereingesetzt, in dem unter anderem die Wissenschaft, die junge Generation und eben auch die Wirtschaft vertreten ist.

Meine Damen und Herren,

wenn ich auf Kongressen der Wirtschaft bin, wenn ich mich mit Managern aus den Unternehmen unterhalte, dann ist dort die Transformation der Wirtschaft das Top-Thema. Oft hat man den Eindruck, die Wirtschaft ist in der Diskussion viel weiter als Teile der Politik.

Beispiel gefällig? Während die Politik mit harten Bandagen um einen Termin kämpft, wann letztmalig Verbrennungsmotoren im Straßen­verkehr zugelassen werden sollen, verkündet Volkswagen, dass 2026 der letzte Produktionsstart eines Verbrennerfahrzeugs sein wird.

Auch für die Unternehmen gilt: Die Zukunft ist innovativ, nachhaltig und grün.

Krisenzeiten sind Gründungszeiten. Und so brauchen wir neben den Unternehmen, die bereits am Markt sind, auch neue Unternehmen genauso wie Spin-offs aus Hochschulen und Ausgründungen aus bestehenden Unternehmen, um mit neuen, zukunftsfähigen Geschäfts­modellen neue wirtschaftliche Prosperität zu erreichen.

Brandenburg steht bei Gründungen schon heute ziemlich gut da, wir sind im KfW-Gründungsmonitor nach Berlin auf Platz 2 aller Bundes­länder. Wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, so erkennt man aber, dass die positive Entwicklung sich nicht gleichmäßig vollzieht. Während sich die Gründungen in Potsdam und im Berliner Umland ballen, ist die Entwicklung in der Breite des Landes wie auch in der Lausitz noch stark unterdurchschnittlich.

Deshalb tragen wir die Entwicklung jetzt in alle fünf Planungs­regionen. Der Antrag der Koalitionsfraktionen sieht vor, in jeder Planungsregion ein Gründungszentrum zu errichten, wo junge Unternehmen andocken können und umfassende Beratung erfahren. Das ist das Herzstück unserer Gründungsoffensive.

Junge Unternehmen und Startups in Brandenburg setzen übrigens auf grün und digital. Ein Beispiel ist das Frankfurter Unternehmen asgoodasnew, das gebrauchte High-Tech-Geräte generalüberholt und damit einen großen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leistet. asgoodasnew wurde mit dem Frühphasenfonds des Landes finanziert und großgemacht. Inzwischen ist das Land wieder ausgestiegen. Die Kapitalrückflüsse beim Ausstieg aus Gründungen wollen wir zukünftig in neue Startups reinvestieren.

Das Beispiel zeigt, dass insbesondere Nachhaltigkeit und Digitalisie­rung im Fokus bei Gründerinnen und Gründern stehen. Jede zweite Gründung, die von der Wirtschaftsförderung begleitet wird, beschäftigt sich mit diesen Themen.

Deshalb ist die Förderung von Gründungen auch ein wichtiger Treiber für die Transformation der Wirtschaft. Wir wollen diese positive Ent­wicklung mutig und zukunftsweisend mit unserem Antrag befördern.

Auch die jungen Unternehmen zeigen: Die Zukunft ist innovativ, nachhaltig und grün.

Liebe Linke,

übrigens ist ihr Änderungsantrag obsolet. Der Meisterbonus heißt jetzt Meistergründungsprämie und wurde gerade auf 12.000 Euro erhöht. Ich denke das kann sich sehen lassen.

Meine Damen und Herren,

es ist mir sehr wichtig, das Nachhaltigkeitsdreieck aus ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Zielen vollständig in den Blick zu nehmen.

Ohne eines dieser drei Ziele kann die Transformation nicht gelingen. Vor allem muss die Frage der sozialen Verantwortung immer ein wichtiger Bestandteil aller Maßnahmen sein.

Es muss uns zu denken geben, dass sich die soziale Schere durch die Corona-Pandemie weiter geöffnet hat. Die Oxfam Ungleichheits­studie stellt heraus, dass die 1.000 reichsten Menschen ihre Verluste durch die Coronakrise in nur neun Monaten werden wettmachen können, während es mehr als ein Jahrzehnt zu dauern droht, bis sich die Ärmsten von den wirtschaftlichen Folgen erholt haben.

Meine Damen und Herren,

damit dürfen wir uns nicht abfinden! Vielfältige Maßnahmen müssen ergriffen werden, sei es durch die Überwindung von Hartz IV, durch eine gerechtere Besteuerung und eine bessere Bekämpfung von Steuerhinterziehung, durch mehr sozialen Wohnungsbau und weitere Maßnahmen.

Die solide Basis für alles muss jedoch eine nachhaltige Wirtschaft sein. Dafür wollen wir

unsere Unternehmen gut durch die Krise bringen,

  • wir wollen die Förderpolitik des Landes mehr an Nachhaltigkeitskriterien ausrichten,
  • die Übersichtlichkeit und Servicequalität der Programme verbessern,
  • wir wollen unnötige Bürokratie abbauen und
  • die erfolgreiche Gründungstätigkeit in Brandenburg auf das ganze Land ausdehnen.

Damit machen wir Deutschland und Brandenburg ein Stückchen besser – und sichern Wohlstand und Lebensqualität zukünftiger Generationen.

Denn unsere Zukunft ist innovativ, nachhaltig und grün.

Vielen Dank