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Heiner Klemp spricht zum siebten Bericht der Landesregierung zur Umsetzung des Brandenburgischen Standarderprobungsgesetzes

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,

ich komme beruflich aus dem Bereich der Softwareentwicklung. Warum ist diese Branche so dynamisch? Weil sie sich schnell an unterschiedliche Anforderungen anpassen kann und ihren Kunden hilft, effizienter und auch schneller zu sein. Und was macht man in der Softwareentwicklung, um neue Features auszuprobieren?

Richtig, man baut einen Prototypen. Den kann man dann „anfassen“ und ausprobieren. Wenn er gut ist, baut man die Funktion in die Software ein. Erfüllen sich die Erwartungen nicht, dann wirft man ihn weg und (!) freut sich herausgefunden zu haben, dass das der falsche Ansatz war. Das ist nämlich auch ein Erkenntnisgewinn.

Prototyping ist aber längst nicht auf die Softwarebranche begrenzt. Nach dem Vorbild der „d.school“ der Stanford University lehrt das HPI hier in Potsdam seit 2007 die Methode Design Thinking, eine kreative Methode, an komplexe Problemstellungen nicht von der technischen Lösbarkeit, sondern mit dem Blick auf den Menschen heranzugehen.

Einen großen Anteil der Arbeit im Design Thinking nehmen wiederum Prototypen ein, die oft mit Schere, Papier und Klebstoff gestaltet werden, um sie anfassbar zu machen.

„Fail early and fail often“ lautet eines der Merksätze im Design Thinking: „Scheitere früh und scheitere oft“. Warum soll man oft scheitern? Weil man keine Idee von vorneherein ausschließen soll. Eine Schere im Kopf verhindert manche innovative Lösung. Entsprechend werden aber die wenigsten Ideen tatsächlich zum Erfolg führen. Und warum soll man früh scheitern? Na, um die Kosten zu begrenzen.

Mit derartigen Methoden und einer Kultur des Scheiterns wird in der Wirtschaft Kreativität entfacht, kanalisiert und zum Erfolg geführt. So wird Innovation gemacht.

Nun zurück von den disruptiven Methoden der d.school zur Realität der Brandenburger Amtsstuben. Man könnte ketzerisch fragen, was hat Innovation mit öffentlicher Verwaltung zu tun?

Aber ganz so ist es ja nicht. Auch wenn man über das Standard­erprobungsgesetz vielleicht keine Sprunginnovationen erwarten darf, gab es ja doch eine Reihe von Erprobungen, von denen 41% dann in Landesrecht umgesetzt wurden. Weitere 7% konnten sogar ohne Rechtsänderung übernommen werden. Das kann sich durchaus sehen lassen.

Das Problem ist allerdings, dass seit mehreren Jahren keine Anträge zur Standarderprobung mehr gestellt wurden. Das ist schon erstaun­lich, da landauf, landab immer wieder Abweichungs­möglichkeiten von Landesvorschriften gefordert werden. Die Analyse der Gründe ist schwierig.

Haben wir den Zustand eines optimalen Systems erreicht? Das ist wohl nicht der Fall, wird nie der Fall sein, weil sich die Welt ja weiter­dreht.

Deswegen brauchen wir auch eine Fortschreibung des am 1. Septem­ber auslaufenden Gesetzes, wie es im Entschließungsantrag der Koalitions­fraktionen vorgeschlagen wird. Aber wir brauchen auch neuen Schwung im System. Das Problem ist seit Jahren erkannt, jetzt muss es angegangen werden.

Übrigens, nur um es mal klargestellt zu haben, wenn wir von Abwei­chungen von Normen und Standards reden, heißt das natürlich nicht, Abstriche etwa an Umwelt-, Tierschutz- und sozialen Schutzstandards zuzulassen. Bei der Erprobung handelt es sich eher um Fragen der Zuständigkeit und der Arbeitsabläufe.

Deshalb sehen wir hier auch große Chancen in der Digitalisierung. In diesem Rahmen kann es auch sinnvoll sein, landesrechtliche Vor­schriften anzupassen, womit wir dann beim Standarderprobungs­gesetz wären. So können bspw. bei elektronischer Aktenführung Prüfungen parallel erfolgen, die bei Papierakten nur nacheinander durchgeführt werden können. So können Verwaltungsverfahren vereinfacht, prozess- und medienbruchfrei organisiert und damit beschleunigt werden. Das kommt Bürgerinnen, Bürgern und Unter­nehmen gleichermaßen zugute.

Was braucht es also für einen Erfolg der Neuauflage des Standard­erprobungsgesetzes?

Erstens einen stärkeren ressortübergreifenden Ansatz. Darauf hatte schon die Enquete-Kommission für die ländlichen Räume in der vergangenen Wahlperiode hingewiesen. Alle Ressorts der Landes­regierung müssen ihren Teil beitragen und besser koordiniert werden. In der Anfangszeit des Gesetzes hatte die Leitstelle Büro­kratie­abbau zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden neue Erprobungen koordiniert. Das war erfolgreich.

Zweitens brauchen wir neuen Schwung. Nicht nur ausgehend von der Landesregierung, sondern auch von den kommunalen Spitzen­verbänden, die ja die Fortsetzung der Standarderprobung zu Recht einfordern.

Und drittens brauchen wir eine Fortschreibung des Gesetzes, die die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag fordern. Und daher bitte ich um Zustimmung zu diesem Antrag.

Vielen Dank!