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Rede im Landtag: Geldkarte für Asylbewerber*innen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,

ich muss gestehen, ich finde den vorliegenden Antrag der vier Abgeordneten ziemlich befremdlich, und das aus verschiedenen Gründen:

Punkt 1 des Feststellungsteils stellt sich hinter das grundgesetzliche Recht auf Asyl. So weit, so gut. Außerdem wollen die Freien Wähler auch weitere Menschen, die von politischer Verfolgung bedroht sind, aufnehmen. Auch gut. Aber man fragt sich natürlich, ob die Freien Wähler sich denn auch zur Genfer Flüchtlingskonvention bekennen? Die ist nämlich nicht erwähnt und geht deutlich weiter als unser Grundgesetz. Und sie ist die rechtliche Grundlage für die Aufnahme der meisten Geflüchteten. Oder erwägen Sie etwa, dass Deutschland aus der Genfer Flüchtlings-konvention aussteigt? Und dann in Folge auch aus dem Europarat?

Erklären Sie sich auch solidarisch mit Kriegsflüchtlingen, auch mit Menschen, die aus rassistischen oder religiösen Gründen verfolgt werden oder wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe? Stehen Sie zur Genfer Flüchtlingskonvention, deren Erstunterzeichner die Bundesrepublik Deutschland ist? Und stehen Sie zum individuellen Grundrecht auf Asyl? Ihr Antrag lässt hier Zweifel aufkommen und es wäre schön, wenn Sie das einmal klarstellen könnten.

Meine Damen und Herren, die antragstellenden MdL gehen davon aus, dass die Abschaffung von Geldleistungen zum Rückgang der Asylbewerberzahlen führen wird. Das ist eine Mutmaßung und kann überhaupt nicht belegt werden. Ich hatte gerade letzte Woche einen Videocall mit Vertretern der afrikanischen Diaspora in Deutschland. Diejenigen, die vor Krieg, Klimakatastrophe, Verfolgung und Ausbeutung fliehen, werden von der Einführung einer Bezahlkarte nicht abgehalten werden, soviel ist sicher!

Der Antrag verweist auf fehlende Gemeinschaftsunterkünfte, mangelnde Wohnungen, mangelnde Kita- und Schulplätze und fehlendes Personal. Wir zweifeln nicht an, dass die Kommunen Entlastung brauchen und eine humanitäre, geordnete Asylpolitik für die weitere Akzeptanz notwendig sind. Aber wie bitte entlastet eine Geldkarte die soziale Infrastruktur? Die Belastung der Kommunen hängt in keiner Weise davon ab, ob statt Geldleistungen eine Bezahlkarte eingeführt wird.

Außerdem ist festzustellen, dass bei einer Unterbringung in einer Erst-Aufnahmeeinrichtung bereits heute in bar nur ein Taschengeld ausgezahlt wird. Geflüchtete ohne sogenannte Bleibeperspektive werden ja in der Regel nicht mehr auf die Landkreise und kreisfreien Städte verteilt. Von daher beträfe eine Umstellung auf Geldkarten nur noch die Personen mit Bleibeperspektive. Das wäre doch geradezu absurd! Der Paritätische Wohlfahrtsverband führt dazu aus: „Bezahlkarten verhindern Integration, stigmatisieren Geflüchtete und schränken ihr Recht auf Selbstbestimmung ein“. Wir verhindern also Integration genau bei den Personen, die eine hohe Chance auf Anerkennung haben. Absurd.

Meine Damen und Herren, das ist genau der falsche Weg! Wir müssen Integration fördern, das geht besonders gut, indem wir Geflüchtete in Arbeit bringen! Dann brauchen wir weder Barauszahlung noch Geldkarte! Das muss doch das Ziel sein, meine Damen und Herren!

Es ist schon interessant, wie in einem Land von Kartenverweigerern – zumindest im internationalen Maßstab – jetzt die Geflüchteten zum Vorreiter des bargeldlosen Zahlens werden sollen. Interessanterweise massiv gefordert genau von den Parteien, die sich ansonsten zum Retter unseres geliebten Bargelds aufspielen! Im Kreditkarten-Entwicklungsland Deutschland bedeutet die Pflicht zu Zahlungskarten tatsächlich den Ausschluss von Kleingewerbe-treibenden, wie der Dönerbude an der Ecke, und den Zwang für den Handel, sich kostenpflichtig dem teuren Zahlungssystem von VISA, Mastercard und Co. anzuschließen, um von den Umsätzen mit Asylbewerber*innen profitieren zu können. Kleinbetriebe werden so Umsätze verlieren, große Ketten werden wieder einmal gestärkt.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verweist auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach ein Taschengeld ohnehin in bar gezahlt werden müsse. Wir haben dann also doppelten Aufwand bei den Kommunen, da zwei Zahlungswege bedient werden müssen. Auch werden definitiv zusätzliche Kosten bei den Zahlungsdienstleistern anfallen. Von Entlastung der Kommunen keine Spur.

Abschließend möchte ich Sie bitten, mir mal folgenden Satz aus Ihrer Antragsbegründung zu erklären: „Die Umstellung der Überweisung der Leistungen auf eine Geldkarte ist zudem geeignet, die gesellschaftliche Akzeptanz für die Aufnahme, Unterbringung und Integration von Geflüchteten zu erhöhen.“ Wie das denn? Die Nation freut sich, wenn wir Geflüchtete drangsalieren? Was für ein Verständnis von Humanität haben Sie denn? Den Antrag lehnen wir ab. Vielen Dank

Weiterführende Informationen

Rede zu: Antrag "Hilferufe der Kommunen endlich ernst nehmen - Pilotphase zur Einführung einer Geldkarte für Asylbewerber jetzt star-ten" (TOP 10 der 96. Plenarsitzung)