Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Heide Schinowsky spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Umfassende Überarbeitung der„Energiestrategie 2030“ der Landesregierung Brandenburg“

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag sind viele richtige Stichworte aus der aktuellen energiepolitischen Debatte enthalten. Beim vertieften Lesen drängen sich aber vor allem zwei Fragen auf, nämlich: Was ist eigentlich wirklich neu, also anregend, innovativ oder zukunftsweisend? Noch viel mehr stellte sich die Frage: Was alles fehlt hier?

Um es vorwegzunehmen: Anregendes oder Neues habe ich hier wenig gefunden. Das war schon Thema in bisherigen Debatten. Die Punkte, an denen die Energiestrategie auch aus unserer Sicht überarbeitet werden sollte, wurden hier gänzlich weggelassen bzw. anders intoniert, als wir es zum Beispiel beim Thema Braunkohle machen würden. Darauf komme ich später näher zu sprechen.

Die Energiestrategie 2030 soll der Wirtschaft und Bevölkerung einen längerfristigen verlässlichen Rahmen geben, innerhalb dessen Brandenburgs Regierung ihre Energiepolitik gestaltet. Das ist zunächst ein sinnvoller Anspruch, auch wenn wir mit dem konkreten Inhalt, wie Sie wissen, nicht in Gänze einverstanden sind.

(Bretz [CDU]: Deshalb muss sie auch überarbeitet werden!)

Aktuell gibt es aber bei der Energiestrategie vor allem ein Problem, nämlich ein großes Vollzugsdefizit in verschiedenen Bereichen.

(Bretz [CDU]: Deshalb muss sie auch überarbeitet werden!)

- Herr Bretz, hören Sie auch einmal kurz zu!

So sind von den 14 Leitprojekten bisher nur wenige erfolgreich umgesetzt. Bei den Projekten mit Vollzugsdefizit war das Scheitern der CO2-Abscheidung und -speicherung von vornherein absehbar. Es war nichts anderes als ein Projekt, um ineffiziente Kraftwerke noch ineffizienter zu machen, ganz abgesehen von den erheblichen Gefahren, die von der unterirdischen Speicherung ausgehen könnten.

(Beifall B90/GRÜNE)

Von CO2-armen Stadtvierteln, großflächigen Informationskampagnen für energetische Gebäudesanierung, einem Brandenburger Energieeffizienz-Preis oder einer energieeffizienten Verkehrsgestaltung unter Berücksichtigung des demografischen Wandels haben wir auch noch nichts gehört.

Der geplante Aufbau einer Solarbörse wird inzwischen durch die veränderten Rahmenbedingungen auf Bundesebene Makulatur.

Anstatt nun aber gleich die Gesamtüberarbeitung zu fordern, sollte die Energiestrategie erst einmal weiter umgesetzt und evaluiert werden. So viel zu Frage 1, was hieran eigentlich neu ist. Vielleicht sagt uns Minister Gerber gleich, wann er uns eine Evaluation vorlegen wird.

Ich komme zur zweiten Frage: Was fehlt? Die wichtigste Aufgabe beim Umbau für eine preiswerte und sichere Energieversorgung wird nicht sinnvoll behandelt, obgleich wir hierzu gerade eine sehr intensive Diskussion bei uns in Brandenburg und auch auf Bundesebene führen. Bei einer Überarbeitung der Energiestrategie muss zentral das Thema Braunkohle auf den Tisch, und zwar anders intoniert, als Sie es umrissen haben.

(Beifall B90/GRÜNE)

Die brauchen wir nämlich nicht für immer, sondern für einen begrenzten Zeitraum.

(Bretz [CDU]: Genau!)

Wir müssen jetzt den Braunkohleausstieg in die Wege leiten. An alle diejenigen gerichtet, die immer wieder davon reden, dass hier irgendjemand den sofortigen Ausstieg fordert, möchte ich sagen: Das ist nicht richtig! Keiner fordert den sofortigen Ausstieg. Nicht einmal die absoluten Umweltschützer fordern das, sondern alle wissen, dass der Ausstieg schrittweise passieren muss. Ich kann es nicht mehr hören. Es wird ständig wiederholt, aber es ist falsch. Wir brauchen den schrittweisen Ausstieg. Der muss ins Auge gefasst werden.

(Beifall B90/GRÜNE)

Wir brauchen einen Fahrplan für einen sozialverträglichen Ausstieg, um Planungssicherheit für alle Beteiligten zu ermöglichen. Aktuell besteht in der Lausitz große Verunsicherung über die Fragen: Was bedeutet es, dass Vattenfall jetzt verkaufen will? Welcher neue Käufer kommt? Wenn ein neuer Käufer kommt, ist klar: Es gehen immer Arbeitsplätze verloren. Was sagen wir den Leuten da? Ihre Antwort ist: Braunkohle gibt es noch ewig. - Das kann es nicht sein. Wir müssen jetzt sagen, wie lange wir die Braunkohle hier noch brauchen. Wir müssen jetzt einen Weg freimachen für den Strukturwandel. Sagen Sie doch einmal eine Jahreszahl! Wir können das gern einmal vertiefen.

(Zuruf des Ministerpräsidenten Dr. Woidke)

- Wir haben Ihnen die Zahlen schon vorgelegt!

(Zuruf des Ministerpräsidenten Dr. Woidke)

- Sagen Sie doch die Jahreszahl, bis wann der Ausstieg vollendet ist! Welche?

Vizepräsident Dombrowski: Ich wünsche hier keine Zwiegespräche. Die sieht die Geschäftsordnung nicht vor. Das gilt für Herrn Ministerpräsidenten genauso wie für die Abgeordnete hier vorn.

(Ministerpräsident Dr. Woidke: Sie wissen es genau!)

- Ich weiß Ihre Zahl nicht. Sie wollen sie gerade nicht sagen.

Jedenfalls müssen wir uns jetzt auf den Weg machen, den Strukturwandel in der Lausitz anzugehen und eine Energieversorgung zu ermöglichen, in der unflexible Braunkohlekraftwerke nicht die Einspeisung von erneuerbaren Energien verhindern, so, wie es derzeit der Fall ist.

(Beifall B90/GRÜNE)

Kriege ich die 30 Sekunden Disput mit dem Ministerpräsidenten auf meine Redezeit drauf? - So. Das zur Braunkohle. Kurz zum Thema Akzeptanz: Wenn Ihre Methode, Akzeptanz zum Thema erneuerbare Energien und Wind herbeizuführen, ist, Herr Bretz, den Windkraftausbau gänzlich zu kippen …

(Bretz [CDU]: Nein!)

- Das haben Sie anklingen lassen: Wir hätten viel zu viele Windanlagen.

(Bretz [CDU]: Nein!)

Das sei ein ungesteuerter Ausbau. So gehe es gar nicht. Und die 10H-Regelung hätte zur Folge, dass kein weiteres Windrad gebaut werden könnte.

(Beifall AfD)

Sie wissen: Das ist der Fehler an der ganzen Geschichte. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Erklären Sie einmal Ihren Berliner Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns mit denen in der Lausitz treffen, warum wir hier keine neuen Windanlagen aufbauen und wie die ihre notwendige Stromversorgung hinbekommen sollen.

So. Ich bin jetzt „drüber“. Deshalb noch einmal kurz:

Vizepräsident Dombrowski: Frau Kollegin, Sie haben es richtig bemerkt, Sie sind „drüber“. Ich darf anmerken: Wenn Sie sich von der Landesregierung aus dem Konzept bringen lassen, ist das Ihre Angelegenheit. Die Geschäftsordnung bleibt dieselbe; Sie haben fünf Minuten.

- Genau. Ich bin beim letzten Satz. Der Antrag gibt kaum neue Impulse, er spart wichtige Themen
aus. Deshalb werden wir ihn ablehnen.

(Beifall B90/GRÜNE - Bretz [CDU]: Schade, das habe ich befürchtet!)