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Heide Schinowsky spricht zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion „Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Vergabegesetzes“

- Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenig überraschend
werden wir uns der AfD-Meinung nicht anschließen, dass das Brandenburgische
Vergabegesetz …
(Zurufe von der AfD: Nein!)
- Oh, mal zuhören!
Wir werden uns nicht der Meinung anschließen, dass das Vergabegesetz überflüssig
geworden ist. Einen ähnlichen Antrag mit einem ähnlichen Ansatz hatte die CDU-Fraktion
letztes Jahr schon eingebracht. Unsere Einschätzung dazu hat sich wenig
verändert. Die Einschätzung, dass die Synchronisierung sinnvoll ist, teilen wir; man
wäre auch irre, wenn man das anders einschätzen würde. Allerdings hat Herr Loehr
auch darauf hingewiesen - zum Ende der Debatte im letzten Jahr waren wir uns
schon einig, dass eine Novellierung ansteht -, dass das da miteingearbeitet werden
muss. Von daher kommt Ihr Ansinnen, das jetzt komplett abzuschaffen, einfach zur
Unzeit und geht überhaupt in die falsche Richtung. Die Debatte damals hatte bereits
gezeigt, wo die Unterschiede zur Bundesregelung liegen und warum das Vergabegesetz
auf der Landesebene auch nach einem Mindestlohngesetz des Bundes nicht
überflüssig wird.
Ich vertiefe das kurz: Neben der Frage des Mindestlohns geht es nämlich hierbei um
die Nachfragenmacht der öffentlichen Hand. Das Land Brandenburg gibt jährlich
rund 1 Milliarde Euro für Beschaffungen aus, die Kommunen erhöhen die Nachfrage
um weitere 2 Milliarden Euro, und mindestens 1 Milliarde Euro gewährt das Land Unternehmen,
Vereinen und Verbänden in Form von Zuwendungen. Das heißt, ein entsprechend
ausgestaltetes Vergabegesetz könnte wichtige Impulse zu einer sozial
und ökologisch nachhaltigen Wirtschaftsweise geben. Aus der Evaluation des Gesetzes
im letzten Jahr wissen wir allerdings auch, dass das bisher leider noch zu wenig
der Fall ist. Der bundesweite Mindestlohn hat diese eingeschränkte Wirkung der
Brandenburger Regelung noch weiter geschmälert. Der Ansatz müsste jetzt also
sein, das jetzt zu verbessern - das sagte ich bereits - und nicht, es abzuschaffen.
Genau in diese Richtung hatten wir uns bei der Evaluation des Vergabegesetzes im
Mai vergangenen Jahres auch verständigt. Die Landesregierung hatte darauf hingewiesen,
dass sie das Vergabegesetz den Anforderungen der Praxis anpassen und
damit vor allem eine breitere Akzeptanz herbeiführen möchte - vielleicht sagt der
Herr Minister im Anschluss auch noch einmal etwas dazu.
Ziel muss es jedenfalls sein, bei öffentlichen Auftraggebern das Bewusstsein zu
schärfen, dass Sinn und Zweck des Vergabegesetzes letztlich der ganzen Gesellschaft
zugutekommen und eben auch die Wirtschaft vor Dumpingangeboten konkurrierender
Unternehmen schützt - das kommt hier immer ein wenig zu kurz. In diesem
Sinne gewinnen wir als Gesellschaft insgesamt. Es wird Zeit, dass die Überarbeitung
angegangen wird.
Bei der Überarbeitung werden wir uns neben dem schon Angesprochenen insbesondere
dafür einsetzen, dass soziale und ökologische Kriterien wie Nachhaltigkeit,
Ressourcenschonung, Einhaltung der ILO-Arbeitsschutznormen verbindlich verankert
werden - bislang müssen diese Vorgaben nicht eingehalten werden. Wichtig ist
uns auch ein Vorschlag, der von den Evaluatoren gemacht wurde: Auf Ebene der
Landesverwaltung sollte, und zwar dem Beispiel Berlins folgend, eine zentrale Kontrollgruppe
angesiedelt werden, welche in Stichproben prüft, ob die Auftragnehmer
das Vergabegesetz auch einhalten.
Präsidentin Stark:
Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?
Frau Schinowsky (B90/GRÜNE):
Sehr gern.
Homeyer (CDU):
Das ist sehr freundlich, Frau Kollegin. Ich habe Ihnen jetzt sehr aufmerksam zugehört.
Je länger Sie reden, desto mehr bin ich davon überzeugt, dass alles, was Sie
sagen, fast 100%ig identisch ist mit dem, was ich gesagt habe und was wir in unserem
Entschließungsantrag fordern: Synchronisierung mit der bundesgesetzlichen
Regelung, insbesondere Beibehaltung der Bestandteile des brandenburgischen
Vergabegesetzes, zum Beispiel Soziales, Ökologisches oder auch Innovatives. Das
alles fordern wir auch. Ich frage mich: Warum stimmen Sie unserem Antrag dann
nicht zu?

Frau Schinowsky (B90/GRÜNE)
Ich zitiere einmal Ihre Aussage von vorhin. Sie haben gesagt, das Vergabegesetz sei
überflüssig. Zumindest da sind wir nicht einer Meinung. Auf die Gemeinsamkeiten
habe ich hingewiesen.
Der zentrale Grund, warum wir dem Entschließungsantrag heute nicht zustimmen
können, ist folgender.
(Zuruf des Abgeordneten Bretz [CDU])
Lassen Sie mich doch einmal ausreden, Herr Bretz. Der bundesweite Mindestlohn
gilt noch nicht für alle Bereiche. Sie wissen das auch. Da wurden Unterschiede eingeführt.
Wenn man es jetzt sofort, wie in Ihrem Entschließungsantrag gefordert, mit
Nachdruck und stante pedes machen würde, würde das Nachteile für die bedeuten,
für die der Mindestlohn noch nicht gilt. Das ist der eine Grund.
Der zweite Grund ist der, den ich schon umrissen habe, nämlich dass für uns ein
bisschen mehr dazu gehört. Wenn man das Vergabegesetz anpackt, sollte man all
die Punkte mit anpacken. Die für uns noch wichtigen Punkte sind in Ihrem Entschließungsantrag
leider noch nicht enthalten.
(Dr. Redmann [CDU]: Wo ist Ihr Entschließungsantrag?)
Daher können wir ihn nicht unterstützen. Aber schön, dass Sie heute einmal die Gemeinsamkeiten
so betont haben.
(Beifall des Abgeordneten Bretz [CDU])
- Vielen Dank. - Letzter Satz: Zudem wäre es sinnvoll, dass die Kontrollgruppe bei
Hinweisen auf Verstöße von den öffentlichen Auftraggebern in Brandenburg zur Unterstützung
angefordert werden kann. Dann muss sich nämlich nicht jede öffentliche
Vergabestelle mit diesen Themen so intensiv befassen. Das Kontrolldefizit wird abgebaut.
Auch die Aufteilung des Landesvergabegesetzes auf verschiedene Regelungswerke
sollte zusammengefasst werden, um die Unübersichtlichkeit zu vermeiden. Wir
warten also jetzt gemeinsam darauf, dass die Landesregierung die Novellierung ansetzt.
Dann können wir gern noch einmal über gemeinsame Änderungsanträge, Herr
Homeyer, nachdenken. - Vielen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)