-Es gilt das gesprochene Wort
Frau Präsidentin,
werte Kolleginnen und Kollegen,
auf die Probleme mobilitätseingeschränkter Personen beim Reisen in Brandenburg weisen wir seit Jahren immer wieder hin, stoßen dabei jedoch in diesem Haus regelmäßig auf wenig Verständnis oder gar Zustimmung. So erklärte z. B. die Landesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage unserer Fraktion, dass bei kleinen Bahnhöfen die Barrierefreiheit nicht erforderlich sei, wenn es im Umkreis von 30 km einen barrierefreien Bahnhof gäbe. Der Bahnhof in Eichwalde z. B. ist daher immer noch nur über eine mit steilen Treppen ausgestattete Fußgängerunterführung zu erreichen. Rollstuhlfahrern und anderweitig in ihrer Mobilität eingeschränkten Personen ist der Zugang zum Bahnsteig somit verwehrt; für junge Familien mit Kinderwagen und für Fahrradfahrer ist er stark erschwert.
Vergeblich war unser Antrag für mehr Investitionsmittel für die Barrierefreiheit bei Bus und Bahn auf der kommunalen Ebene für den Haushalt 2017/2018. Auch unsere Forderung, Fördermittel des Landes an das Kriterium der Barrierefreiheit zu binden, fand bislang leider keine Beachtung. Der Einsatz für mehr Barrierefreiheit in Brandenburg ist also dringend nötig. Bei der Vermarktung barrierefreier Angebote im Tourismus hat sich Brandenburg zwar inzwischen tatsächlich recht gut positioniert. Barrierefreiheit ist aber nicht nur für den Umsatz im Tourismus, sondern für alle Menschen in Brandenburg sehr, sehr relevant.
Das Prinzip der Barrierefreiheit wird sehr häufig nur auf die Zielgruppe der Menschen mit körperlichen Behinderungen bezogen. Die Herstellung von Barrierefreiheit ist aber nicht nur für diese Menschen wichtig, sondern im Interesse aller Menschen: Zu den Personen, für die Barrierefreiheit eine zwingende Grundvoraussetzung zur gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben bedeutet, gehören beispielweise Menschen mit körperlichen Einschränkungen, sensorisch oder sinnesbehinderte sowie geistig und lernbehinderte Personen und Menschen mit chronischen Erkrankungen. Zu der Personengruppe, für die eine barrierefreie Umwelt notwendig ist, gehören vor allem Menschen mit Mobilitäts- oder Aktivitätseinschränkungen. Das sind z. B. Personen mit vorübergehenden Unfallfolgen, Eltern mit Kinderwagen, Reisende mit schwerem Gepäck sowie Familien mit kleinen Kindern, aber auch ältere Menschen. Für alle anderen ist eine barrierefreie Umgebung einfach bequemer.
Was wir unter Barrierefreiheit beim ÖPNV aber genau verstehen und welche Investitionen dafür insgesamt notwendig sind, muss geklärt werden. Der gesetzlichen Anforderung der „vollständigen Barrierefreiheit“ bis 2022 müssen wir uns als Land stellen und dafür auch beschreiben, was wir darunter verstehen. Deshalb unterstützen wir auch den Entschließungsantrag der CDU-Fraktion.
Barrierefreier Tourismus ist zwar seit vielen Jahren ein Querschnittsthema in der strategischen Tourismusplanung des Landes Brandenburg und daher auch in der aktuellen Landestourismuskonzeption als gemeinsames Handlungsprinzip enthalten. Auch die Regierungsfraktionen haben noch vor einem halben Jahr hier im Landtag beschlossen, dass die Barrierefreiheit weiterhin ein selbstverständlicher und qualitätsbestimmender Angebotsbestandteil in neuen und bestehenden Infrastrukturen und Dienstleistungen zu sein habe. Dass sich aber damit alleine die bestehenden Probleme wie zum Beispiel in Eichwalde nicht lösen lassen, dürfte aber auch klar sein.
Die Regierungskoalition möchte nun in ihrem Antrag konkrete Umsetzungsschritte für die Entwicklung barrierefreier Angebote in den Kommunen sehen und sie drängen darauf, den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr stärker zur Herstellung barrierefreier Angebote anzuhalten. Alles richtig – aber warum schreiben sie nicht auch Dinge in diesen Antrag, die das Land selber machen könnte? Der Vorschlag von SPD und LINKEn zur Finanzierung der barrierefreien Straßenbahn im ÖPNV-Gesetz wird dem in ihrem heutigen Antrag dargestellten Engagement jedenfalls nicht gerecht.
Wir fordern die Koalition daher auf, nicht nur wohlklingende Anträge vorzulegen, sondern auch ihre Politik in Sachen öffentlichem Personennahverkehr entsprechend zu ändern. Barrierefreier Tourismus als Wirtschaftsfaktor braucht nicht nur bessere Vermarktung, sondern auch substanzielle Verbesserungen!
Vielen Dank.