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Heinder Klemp spricht zu: Konferenz zur Zukunft Europas - Brandenburgerinnen und Brandenburger beteiligen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,

zunächst mal möchte ich meiner Freude Ausdruck verleihen, dass wir heute wieder eine europapolitische Debatte führen dürfen – und diese nicht auf 3 Minuten Redezeit zusammengekürzt wurde.

Auch freue ich mich ganz besonders, dass die fünf europafreundlichen Fraktionen des Landtags diesen Antrag gemeinsam eingebracht haben. Das erfolgreiche europäische Friedens- und Wohlstandsprojekt ist wahrlich kein geeignetes Spielfeld für parteitaktische Auseinandersetzungen.

Die sechste Fraktion dieses Hauses hat sich durch ihre Beschlüsse, aber auch durch Ihre Rede heute, Herr Kollege Möller, selbst ins Abseits gestellt.

Wenn ich an Europa denke, denke ich zuallererst an die Menschen. Ich denke an Anna, die Bank-Auszubildende, die über ERASMUS+ einen Teil ihrer Ausbildung in Frankreich absolvieren konnte, ich denke an Juan, den spanischen Studenten, der ein Semester an der Viadrina studieren konnte und dort neue Eindrücke und Erfahrungen gesammelt hat.

Ich denke aber auch an Shirin und Mohammed, die an einer EU-Außengrenze illegal zurück ins Meer gedrängt wurden und an Aicha, der jetzt gerade in Ceuta verwehrt wurde, in der EU einen Asylantrag zu stellen.

Ich denke auch an meinen ehemaligen Kollegen Ivan aus Belgrad, der als serbischer Staatsbürger bei einem gemeinsamen Projekt in London ein mehrwöchiges Visumverfahren durchlaufen musste, während ich mit meinem EU-Pass keinerlei Hindernisse hatte.

Ich denke an gemeinsame Ziele in der EU, wie den Green Deal, und an vielleicht mangelhafte Umsetzung der Ziele in einzelnen Mitgliedsstaaten – übrigens teilweise auch in Deutschland!

Ich denke an gemeinsame Werte, an die Grundrechte aus dem EU-Vertrag, und ich denke daran, wie diese Grundrechte teilweise mit Füßen getreten werden, wie beispielsweise bei der offenen Diskriminierung von LGBTIQ-Personen in unserem Nachbarland.

Ich denke an Vorschriften, die uns manchmal unsinnig erscheinen, ich denke aber auch an große Solidarität.

Wir haben also viel Licht aber auch Schatten in der Europäischen Union. Wir haben Dinge, die gut funktionieren und in ganz Europa zu Freiheit, Frieden und Wohlstand beitragen und wir haben Dinge, die uns Sorge bereiten.

Deshalb ist unser Bestreben als Grüne, aber auch als Europäer*innen, die Europäische Union zu verbessern. Deshalb ist die Konferenz zur Zukunft Europas eine große Chance, insbesondere, weil sie nicht als Konferenz von Regierungen, sondern als Konferenz der Bürgerinnen und Bürger konzipiert ist.

Unter anderem ist geplant: Multinationale Konferenzen auf den verschiedensten Ebenen, geloste Bürger*innenräte, eine Ideen- und Diskussionsplattform, die ist besonders großartig!

Meine Damen und Herren,

nehmen Sie sich mal die Zeit, um da reinzuschauen! So fordert hier beispielsweise eine rumänische Nutzerin „Mindestvorschriften für das öffentliche Gesundheitswesen mit regelmäßigen Aktualisierungen“, diskutiert dann noch mit einem niederländischen Nutzer über Details, während es schließlich eine andere, wiederum rumänische Nutzerin auf den Punkt bringt:

„Wir müssen die europäischen Verträge klug überdenken, basierend auf der Idee, uns an das Ausmaß der Probleme anzupassen, die nicht an Grenzen enden (ohnehin imaginär). Medizinische Forschung sollte zum Beispiel gemeinsam finanziert werden, Maßnahmen für die nächste Pandemie sollten koordiniert werden und so weiter.“

Oder die auf Französisch vorgetragene Idee der Förderung von Open-Source-Software, die auf Deutsch kommentiert wird, es gibt einen englischsprachigen Kommentar und schließlich noch einen finnischen Beitrag dazu.

Was mich begeistert, ist, dass die Beiträge automatisiert in alle Amtsprachen der EU übersetzt werden, so dass hier wirklich multi-nationale Debatten möglich sind. Das ist echte europäische Bürger*innenbeteiligung, das kann uns – kann die EU wirklich voran bringen, wenn nämlich die nationale Perspektive zurücktritt und wahrhaft europäisch gedacht wird.

Ich bin überzeugt, wir brauchen nicht weniger EU, schon gar keinen DExit. Wir brauchen mehr EU - vor allem aber eine bessere EU!
Heiner Klemp

Gerade für ein Bundesland im Herzen Europas wäre es eine große Katastrophe, die europäische Integration anzuhalten, es ist eine große Chance, das Zusammenwachsen unseres Kontinents voranzutreiben. Dabei sollte gerade unser Bundesland die Chancen nutzen, die wir durch unsere geografische Lage und unsere vielfältigen Kontakte haben.

Unter der Regie der EuropeDirect-Informationszentren haben sich bereits vielfältige Akteure verabredet, ihren Beitrag zur Konferenz zu leisten. Ich fordere die Landesregierung auf, über ihre Partnerschaftsbeauftragten aktiv zu werden. Auch der Landtag will durch eigene Veranstaltungen die Diskussion zu Europa fördern.

Ich bin überzeugt, wir brauchen nicht weniger EU, schon gar keinen DExit. Wir brauchen mehr EU - vor allem aber eine bessere EU!

Inwieweit sich durch die Konferenz auch die strukturellen Defizite, wie beispielsweise eine weitere Stärkung des Europäischen Parlaments, erreichen lassen, ist unklar. Über echte transnationale Wahllisten und „echte“ europäische Spitzenkandidierende ließe sich sicher noch mehr europäische Identität vermitteln.

Die Identifikation mit Europa bedeutet dabei überhaupt nicht, die deutsche Identität abzulegen. Im Gegenteil: Ich bin genauso mit dem Herzen Brandenburger, wie ich Deutscher und Europäer bin. Das geht alles gleichzeitig.

Und so wie auf der kommunalen Ebene die Bürgerinnen und Bürger ihre Kommunalvertretungen wählen, auf Landes- und Bundesebene die Landtage und der Bundestag die Bevölkerung repräsentieren, so haben wir in der Europäischen Union das direkt von der Bevölkerung gewählte Europäische Parlament.

Und das, meine Damen und Herren, ist ein wesentlicher Unterschied zu einem Europa ohne Union, dass nämlich die Bevölkerung die demokratische Kontrolle ausübt.

Die AfD will ja schon seit längerem diese demokratische Kontrolle beenden, nun wollen sie auch offiziell aus der EU austreten. Das hätte verheerende Folgen nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch für die Demokratie in Europa. Die Folge wäre ein rein von Nationalstaaten geprägter Kontinent, ein Flickenteppich an Regelungen, Verlust von Wohlstand, keine einheitlichen Grundrechte.

Meine Damen und Herren,

bei allen Unzulänglichkeiten der EU braucht es den Weg nach vorne, zur Verbesserung der Zusammenarbeit, zum Abbau von Ungerechtigkeiten. Die Konferenz zur Zukunft Europas bietet die Chance dazu. Lassen Sie uns diese Chance ergreifen!

Vielen Dank