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Michael Jungclaus spricht zum bündnisgrünen Antrag „Schutz der menschlichen Gesundheit: Umfassendes Nachtflugverbot am BBI von 22 bis 6 Uhr sichern“

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>>> Der bündnisgrüne Antrag als pdf

- Es gilt das gesprochene Wort !

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste,

fast auf den Tag genau vor einem Jahr, nämlich am 17.Dezember 2010 hat unsere Fraktion den Antrag zu einem umfassenden Nachtflugverbot am künftigen Großflughafen BER eingebracht. Seit dem 17. Dezember 2010 sind Plenum und Ausschüsse mit der Beantwortung der Frage beschäftigt ob wir ein Nachtflugverbot von 22-6 Uhr für den Flughafen für notwendig halten. Angesichts solch eines langen Zeitraums muss schon mal die Frage erlaubt sein, was ist in diesen zwölf Monaten eigentlich passiert und warum sind wir in dieser wichtigen Frage nur so langsam vorangekommen?

Zunächst einmal hat sich in diesen zwölf Monaten der Protest der Fluglärm-Betroffenen erheblich ausgeweitet. Immer mehr Menschen in Berlin und Brandenburg machen sich angesichts des zu erwartenden Lärmteppichs berechtigte Sorgen über ihre Gesundheit und die ihrer Kinder. Immer mehr Bürgerinnen und Bürger erkennen, dass hier nicht von Anfang an mit offenen Karten gespielt wurde. Mit der Volksinitiative für ein umfassendes Nachtflugverbot hat dieser Bürgerprotest seinen vorläufigen Höhepunkt erreicht.

In diesen zwölf Monaten haben wir im Landtag uns in verschiedenen Anhörungen, die teilweise mit dem Thema Nachtflugverbot recht wenig zu tun hatten, ein sehr differenziertes Bild von den Auswirkungen des Fluglärms auf die menschliche Gesundheit machen können. Schon nach der umfangreichen Anhörung im April sehen wir uns durch die überwiegende Mehrheit der geladenen Expertinnen und Experten eindeutig bestätigt. Besonders der Fluglärm in der Nacht steigert signifikant das Risiko, an Herz, Kreislauf und Psyche zu erkranken. Die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Nachtflugverbots dahingegen sind marginal, der Flughafenchef räumte sogar ein, dass ein Flughafen in den Nachtstunden defiziär arbeitet.

Und in diesen zwölf Monaten haben Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Regierungskoalition, eine Verzögerungstaktik verfolgt. Sie warteten das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ab, um der eigentlich notwendigen politischen Entscheidung zu entgehen. Das Urteil kennen wir nun. Es besagt aber nicht viel mehr, als dass der Planergänzungsbeschluss mit seinen Regelungen für die sogenannten „Nachtrandzeiten" innerhalb des Ermessensspielraums liegt. Eine Regierung, der Lärmschutz vor Wirtschaftlichkeit geht, sollte den Ermessungsspielraum bei Thema Lärm aber nicht nach oben sondern nach unten - zugunsten des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung ausschöpfen! Vor dieser politischen Entscheidung drücken Sie sich aber bisher.

Statt dessen sind Sie nun zu der Überzeugung gelangt, dass Sie Zitat: „das „Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen" wollen. Zunächst einmal kann man sich darüber natürlich freuen! Ich begrüße Ihre darin formulierte Absicht, eine Doppelbelastung von Gemeinden durch An- und Abflüge zu vermeiden. Auf einer Linie befinden wir uns auch bei der Forderung nach einem abhängigen Betrieb der Start- und Landebahnen.

Ganz besonders freue ich mich über Ihr Vorhaben, Initiativen auf Bundesebene zu unterstützen, die sich für eine bundeseinheitliche Regelung einsetzen. Sie müssen aber mein Befremden darüber verstehen, dass Sie lediglich vorhandene Initiativen unterstützen wollen. Warum wollen Sie nicht selbst die Initiative ergreifen?

Um diese vage Formulierung in Ihrem Antrag auf den Punkt zu bringen, hat unsere Fraktion einen eigenen Entschließungsantrag eingebracht. Wir möchten, dass die Landesregierung, wenn sie auf Bundesebene eine einheitliche Regelung zum Nachtflugverbot fordert, sich auch hierfür engagiert! Da braucht man nicht auf andere Bundesländer zu warten sondern kann gemeinsam mit ihnen Bewegung in die Sache bringen. Schreiben Sie nicht nur Anträge – Handeln Sie! Zeigen sie uns, dass die Forderung in ihrem Antrag nicht nur ein fauler Kompromiss zwischen zwei Partnern ist bei dem der eine nicht wollte und der andere nicht konnte.

Mir fehlt in ihrem Antrag aber auch ein Bekenntnis dazu, dass der passive Lärmschutz nicht nur den minimalen Anforderungen entsprechen sollte. Wer das Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger vor Fluglärm ernst nimmt, sollte nicht an dieser Stelle sparen. Dass hier aber geknausert wird, haben nicht zuletzt der Vor-Ort-Termin des Ausschusses sowie die Anhörung im September gezeigt. Ihnen wurde bescheinigt, dass Zitat: „zum Teil unsinnige und sogar gefährliche technische Lösungen zur vermeintlichen Verbesserung des Schallschutzes durchgeführt werden. Die vorgesehenen Lüfter beispielsweise widersprechen als reine Zuluftanlagen der Energieeinsparverordnung." (Zitat: Herr Dr. Maschke, Landesumweltamt).

Und dabei sind passiver Lärmschutz und auch das - bislang leider unzureichend ausgestaltete - Gesundheitsmonitoring wichtige Begleitmaßnahmen zur Errichtung dieses Großflughafens. Das Entscheidende, meine Damen und Herren ist und bleibt aber: Das Schutzbedürfnis der Bürgerinnen und Bürger ernst zu nehmen, bleibt ein Lippenbekenntnis, solange Sie sich nicht zu dem eigentlichen aktiven Lärmschutz bekennen. Und dieser kann nur durch ein umfassendes Nachtflugverbot wirksam umgesetzt werden!

Mit der Zerschneidung der Nacht in sogenannte „Zeitscheiben" und mit der Festlegung auf sogenannte „Flugbewegungskontingente" in den „Kernrandzeiten" - mit all diesen verklausulierten Begriffen wird letztlich nur der berechtigte Anspruch auf einen ruhigen Schlaf konterkariert! Denn die Nachtruhe ist nun einmal in den Landesimmissionsschutzgesetzen von 22-6 Uhr gesetzlich definiert und verbietet „Betätigungen die geeignet sind die Nachtruhe zu stören": Ein startender A380 gehört definitiv dazu. Daran ändern auch keine irreführenden Wortschöpfungen wie „Nachtrandzeiten" etwas. Nicht umsonst gibt es dazu bereits Bewerbungen zum Unwort des Jahres.

Und noch kurz zu unserem Entschließungsantrag der 1 zu 1 ihre Formulierung übernimmt eine Bundesratsinitiative zu unterstützen. Sie wollen darauf warten, dass jemand anderes die Initiative auf Bundesebene ergreift. Und Sie wünschen, dass sich die Betroffenen mit ein wenig mehr Kommunikation zufrieden geben. Hoffen und wünschen passen zwar zum anstehenden Weihnachtsfest, nicht aber zu unseren Erwartungen an politische Entscheidungsträger.

Wir sagen deshalb: Wenn Sie schon nachher nicht einem landeseigenem Nachtflugverbot zustimmen. Gehen Sie wenigstens den selbst aufgezeigten Weg auf Bundesebene und warten Sie nicht darauf was andere Bundesländer eventuell vorhaben.

Daher bitte ich Sie ausdrücklich um Zustimmung zu unserem Antrag und dem vorliegenden Entschließungsantrag. Der Bedeutung für die betroffenen Menschen angemessen, hoffentlich frei von, gelben Zetteln, Fraktions- und Parteidisziplin. Vielen Dank!