Es gilt das gesprochene Wort !
Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste!
seit der Eröffnungstermin für den BER in greifbare Nähe rückt beschäftigen wir uns im Landtag regelmäßig mit den Themen Flugrouten, Schallschutz und Nachtflugverbot. Wenn man sich die letzten Landtagsbeschlüsse zu diesem Thema anschaut, dann müsste man bei Titeln wie „Alle Fakten auf den Tisch“, „Lärmschutz zügig umsetzen“ oder „Schallschutz der Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen" zunächst annehmen, dass sich in der Umsetzung Vieles gebessert haben müsste. Bei einem Blick auf die Umsetzungspraxis vor Ort und die Beschwerden der Betroffenen, wird aber schnell klar, dass dies leider nicht der Fall ist! Die erforderlichen Schallschutzmaßnahmen werden weder zügig umgesetzt, noch hat der Schallschutz bei den Verantwortlichen den Stellenwert, den er eigentlich haben müsste.
Das Schallschutzprogramm läuft bisher schleppend, wird fehlerhaft umgesetzt und entscheidet eben nicht im Zweifel immer für den Schallschutz der Anwohnerinnen und Anwohner!
Wie unsere Kleine Anfrage kürzlich ergeben hat, weiß die Landesregierung schon seit Mai 2011, also seit acht Monaten, dass der Flughafen bei der Berechnung der Schallschutzmaßnahmen ein zu niedriges Schutzniveau zu Grunde legt. Wir haben dieses Thema mehrmals im Ausschuss angesprochen. Dort wurde dann zwischen Ministerium und Flughafengesellschaft zwar eifrig debattiert, an der Praxis geändert hat sich bisher aber nichts, rein gar nichts!
Dabei ist das Ministerium als Genehmigungsbehörde in der Pflicht, einzuschreiten, wenn der Planfeststellungsbeschluss nicht ordnungsgemäß umgesetzt wird. Gerade das Land Brandenburg hat am Flughafen BER als Gesellschafter und als Genehmigungsbehörde die Möglichkeit, Einfluss auf die Umsetzung des Schallschutzprogramms zu nehmen.
Doch ist Ihr Ministerium, Herr Vogelsänger, anscheinend nicht in der Lage, sich gegenüber der Flughafengesellschaft durchzusetzen. Deshalb fordern wir, dass Ministerpräsident Platzeck als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft endlich ein Machtwort spricht! Es kann doch nicht sein, dass das Land als Gesellschafter einen Antrag auf Klarstellung des Sachverhalts bei sich selbst stellt und bei Nichtgefallen womöglich noch gegen sich selbst klagt. Die Genehmigungsbehörde muss hier durchgreifen, bevor noch mehr Zeit ins Land geht! Es wäre ein Unding, wenn Sie die Betroffenen nun am besten noch bis zur Flughafeneröffnung mit der Begründung vertrösten: Wir müssen erst noch klären, auf welcher Grundlage wir Ihre Schallschutzmaßnahmen berechnen. Wenn es nicht die traurige Wahrheit wäre, könnten man meinen, es handele sich hierbei um einen schlechten Aprilscherz!
Wir erwarten von Ihnen, Herr Minister Vogelsänger, endlich die Karten offen auf den Tisch zu legen. Auf unsere Anfrage, wie viele Kostenerstattungsvereinbarungen bisher fehlerhaft sind, konnte Ihr Ministerium keine Antwort liefern. So müssen wir wohl vom Schlimmsten ausgehen, also von 11.345 fehlerhaften Vereinbarungen. Wie diese bis zur Eröffnung des Flughafens in vier Monaten korrigiert werden sollen, können Sie ja vielleicht anschließend in ihrem Redebeitrag erläutern. Und auch auf unsere Frage, was die Landesregierung gedenkt, gegen diese Missstände zu tun, haben wir bisher keine Antwort erhalten.
Um für Transparenz und Klarheit zu sorgen, fordern wir Sie deshalb mit unserem Antrag auf, die Missstände und Probleme bei der Umsetzung des Schallschutzprogramms gegenüber der Öffentlichkeit umfassend und zügig zu kommunizieren. Wir erwarten, dass möglichst schnell alle fehlerhaften Kostenerstattungsvereinbarungen korrigiert werden und das korrekte Schutzniveau „keine Überschreitung des Maximalpegels von 55 dB(A) tags im Rauminneren“ zu Grunde gelegt wird. Sofern erforderlich, müssen selbstverständlich alle unzureichenden Schallschutzvorrichtungen durch angemessene ersetzt werden.
Damit die bisherige Umsetzungspraxis ein Ende hat, benötigen wir für eine effiziente und korrekte Umsetzung des Schallschutzprogramms eine unabhängige Koordinierungsstelle. Diese sollte für die Steuerung und Umsetzung des Schallschutzprogramms zuständig sein und von der Flughafengesellschaft weitreichende Handlungskompetenzen erhalten. Nur mit einer unabhängigen und gut ausgestatteten Instanz kann neues Vertrauen geschaffen werden und die zögerliche Realisierung der Schallschutzmaßnahmen beschleunigt werden.
Die bisherige Praxis der Flughafengesellschaft zeigt, dass es nicht so weitergehen kann, wie bisher. Von 16.000 vorliegenden Anträgen wurden erst bei ca. 1.000 Wohneinheiten Schallschutzmaßnahmen tatsächlich realisiert. Und geht man davon aus, dass alle bisherigen Kostenerstattungsvereinbarungen fehlerhaft sind, dann kann man im Schlimmsten Fall noch mal bei Null anfangen. Also hieße das vielleicht sogar bei der Mehrzahl der realisierten Schallschutzmaßnahmen: unzureichende Schallschutzfenster raus und bessere rein. Bisher werden wir aber auch hier im Unklaren gelassen, wie es weitergehen soll!
Wir teilen jedenfalls nicht die Auffassung der Flughafengesellschaft, dass es ausreicht, Kostenerstattungsvereinbarungen bis zur Eröffnung des Flughafens an die Betroffenen zu versenden. Und wenn man davon ausgeht, dass alle bisherigen Vereinbarungen falsch sind, wird voraussichtlich selbst dieses Ziel nicht erreicht.
Apropos Eröffnung: Nach Paragraph 74 des Verwaltungsverfahrensgesetzes muss die Flughafengesellschaft, sofern beantragt, die Schallschutzmaßnahmen vor Beginn des Flughafens fertig gestellt haben. Dies steht auch im Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 16.03.2006, ich zitiere: „Aus dem Regelungszweck ergibt sich, dass die Schutzeinrichtungen jedenfalls zu dem Zeitpunkt vorhanden sein müssen, zu dem die Anwohner ohne sie den Einwirkungen ausgesetzt wären, die es abzuwehren gilt. Das ist der Tag, an dem die neue oder geänderte Verkehrsanlage in Betrieb genommen wird.“
Wie schon beschrieben sind wir hiervon noch weit entfernt. Das Ministerium und die Flughafengesellschaft legen den Planergänzungsbeschluss zu ihren Gunsten aus. Es wird behauptet, es müsse nur gegen den Lärm geschützt werden, der tatsächlich auch vorhanden sei. Auch das widerspricht dem Gerichtsurteil. Hier findet sich nämlich keinerlei zeitliche Staffelung.
Da nun eine rechtzeitige Umsetzung aller Schallschutzmaßnahmen bis zur Eröffnung des Flughafens am 03. Juni 2012 nahezu unmöglich scheint, schlagen wir mit unserem Antrag vor, den Betroffenen ab Inbetriebnahme des Flughafens ein angemessenes Schadensersatzgeld zu zahlen auch wenn wir wissen, dass man Lärm und die hieraus resultierenden Zumutungen der Betroffenen nicht mit Geld aufwiegen kann.
Der zu zahlende Betrag soll rechtzeitig mit Vertretern der betroffenen Kommunen und Bürgerinitiativen ausgehandelt werden. In der Höhe sollte er nicht nur der Entschädigung dienen sondern auch für die Flughafengesellschaft ein empfindliches Übel darstellen um so, diese zur schnelleren Umsetzung zu motivieren. Die Zahlungen sollten erst eingestellt werden, wenn die Schallschutzmaßnahmen bei den Anspruchsberechtigten erfolgt sind. Auch der Antrag der CDU-Kolleginnen und Kollegen zur Lärmrente hat diesen Ansatz und findet daher ebenfalls unsere Zustimmung. Wir würden uns freuen, wenn im Sinne der Betroffenen beide Anträge heute eine Zustimmung bekommen. Damit der Lärmschutz am Flughafen BER kein Lippenbekenntnis bleibt.
Vielen Dank