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Michael Jungclaus zum Antrag der Koalition zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer

Redemanuskript als pdf

- Es gilt das gesprochene Wort ! -

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste, ich bin froh darüber, dass sich nun auch der Brandenburger Landtag mit dem Thema Finanztransaktionssteuer befasst.

Die Finanzkrise hat den Staat gezwungen mit Beträge von bisher unvorstellbarer Größenordnung das nationale und internationale Bankensysytem zu retten. Und während sich die Experten noch über das Ausmaß der Folgen dieser einmaligen Rettungsaktion streiten, ist man in der Finanzwelt schon wieder munter dabei “Business as usual“ auszurufen.

Die Einführung der Finanztransaktionssteuer ist daher ein Gebot der Gerechtigkeit und der Fairness. Die Umsätze mit Finanzprodukten sind in den vergangenen Jahren deutlich schneller gewachsen als die "realen" Umsätze. Und wenn ein neues Finanzprodukt auf den Markt kommt, zieht dieses sofort eine ganze Serie weiterer Produkte nach sich: Terminkontrakte für 3, 6, 9 und 12 Monate, Optionen, Optionen auf Optionen usw.

Jeder Euro, der in solchen Produkten umgesetzt wird, löst wieder neue Umsätze für die Risikoabsicherung über ein Gegengeschäft aus. Dies ist zum Teil sicherlich die Folge von Finanzakrobatik. Es ist allerdings auch Ausdruck des langfristigen Trends zu mehr Dienstleistungen, zu einer stärkeren Arbeitsteilung und damit auch eindeutig wertschöpfend. Aber trotz dieser zunehmenden Wertschöpfung genießt der Finanzsektor immer noch Umsatzsteuerfreiheit obwohl schon allein Steuerfairness und Steuergerechtigkeit eine Besteuerung von Umsätzen im Finanzsektor verlangen.

Genau deshalb benötigen wir ein zielgerichtetes und ergebnisorientiertes Konzept, bei dem die Einführung einer Finanztransaktionssteuer auch zeitnah möglich ist. Der vorliegende Antrag enthält leider keine konkreten Forderungen. Es wird z.B. nicht definiert, welche Finanztransaktionen besteuert werden sollen.

Zudem ist unserer Ansicht nach die angestrebte Handlungsebene zu hoch angesetzt. Bevor Verhandlungen über eine Transaktionssteuer auf internationaler Ebene geführt werden, sollte zunächst eine Einigung auf europäischer Ebene angestrebt werden. Denn hier gibt es durchaus die realistische Perspektive für eine Einigung. Nationale Parlamente in Frankreich und Belgien z.B. haben bereits entsprechende Beschlüsse gefasst.

Wir müssen also nicht unbedingt auf die große internationale weltweite Lösung vertrösten.

Das EU-Recht hat den grenzüberschreitenden und dadurch auch enorm angewachsenen Handel mit Wertpapieren erst möglich gemacht und die Kapitalverkehrsfreiheit ist einer der Grundpfeiler der EU. Entsprechend hoch integriert ist der EU-Finanzmarkt, der praktisch nicht mehr von einem nationalen Markt zu unterscheiden ist. Es ist also nur folgerichtig, dass diejenigen, die von den europäischen Finanzmärkten profitieren, auch durch die Europäische Union besteuert werden. Wohlhabendere Länder mit einer großen Finanzbranche würden
mehr an die EU zahlen als kleine und weniger reiche Länder.

Wenn z.B. ein Aktienhändler in Lissabon den Finanzplatz London nutzt, dann bringt hier eine rein nationale Finanzumsatzsteuer überhaupt nichts. Gilt sie aber EU-weit, also auch in London, dann wird die wirtschaftliche
Aktivität unabhängig vom Wohnort besteuert. Da dann das Aufkommen der EU zugute kommt, hätte jetzt auch Portugal etwas davon und somit schafft die Steuer auch ein Stück mehr Gerechtigkeit innerhalb der EU.

Da wir aus den genannten für die Einführung einer Finanzumsatzsteuer auf europäischer Ebene sind, stimmen wir dem vorliegenden Antrag zu. Wir verbinden dies aber mit der Hoffnung, dass die Landesregierung die angesprochen Kritikpunkte: klar definierter Zeitrahmen, erst EU dann international und konkrete Bennenung der Inhalte in Ihr Vorgehen mit einfließen lässt. Vielen Dank!