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Michael Jungclaus spricht zu unserem Antrag „Straßenbahnen und O-Busse unterstützen – Umstellung auf Barrierefreiheit sichern“

>>>Antrag: Straßenbahnen und O-Busse unterstützen – Umstellung auf Barrierefreiheit sichern (pdf-Datei)

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete, liebe Gäste,

2016 starben deutschlandweit an den Folgen von Verkehrsunfällen über 3.200 Menschen. Knapp 400.000 werden jährlich verletzt.

60 Prozent der Bevölkerung fühlen sich durch Verkehrslärm, der nachweislich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht, belästigt

Rund 10.000 Menschen starben vorzeitig, weil sie zu viele Stickoxide eingeatmet haben. Circa 60.000 Menschen hätten länger gelebt, wenn sie weniger Feinstaub ausgesetzt gewesen wären.

Leider wurden auch in Brandenburg zuletzt wieder deutlich höhere Feinstaubwerte als im vergangenen Jahr gemessen. In Frankfurt (Oder) etwa wurde der Grenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft in diesem Jahr bereits an 13 Tagen übertroffen

Hinzu kommt, dass gerade der Verkehrssektor dem Klima gewaltig einheizt. Während die CO2-Emissionen in anderen Sektoren seit 1990 rückläufig sind, steigen die Emissionen, die durch den Verkehr verursacht werden, stetig weiter an.

Wenn unser Trinkwasser beispielsweise auf ähnliche Art und Weise mit solch gesundheitsgefährdenden Schadstoffen belastet wäre, gäbe es hier sofort einen Notfallplan. Bei der Luft ist es anders. Alle Einschränkungen, die unser Mobilitätsverhalten infrage stellen, werden immer sofort als unzumutbarer Eingriff in unseren Alltag wahrgenommen.

Und wer sich die Mobilitätsstrategie der Landesregierung durchliest kann auch dort keine Anzeichen dafür erkennen, dass es sich hier um einen Notfallplan handelt.

Trotzdem begrüßen wir, dass die Landesregierung sich eine Mobilitätsstrategie gibt. Besonders natürlich Ziele wie beispielsweise eine Radverkehrsstrategie für Brandenburg zu entwickeln.

Nur hatten auch wir gehofft, dass am vorliegenden Konzept weiter gearbeitet wird und, dass vor allem die groß gelobte Öffentlichkeitsbeteiligung ernster genommen worden wäre. Letztlich hat das Ministerium nur minimale Änderungen gegenüber dem Ursprungstext vorgenommen. Entweder kamen nicht besonders viele Einwendungen oder die Landesregierung hat sie nicht besonders ernst genommen. Ich vermute eher letzteres.

Meine Kritik an der Mobilitätsstrategie habe ich bereits mehrfach geäußert: der Güterverkehr auf der Schiene ist, so lässt mich die Strategie einmal mehr vermuten, vor allem eines: lästig.

Seit einigen Monaten wird der Güterbahn dazu noch mehr Konkurrenz durch Lang-LKW beschert.

Außerdem befürchte ich, dass Brandenburg beim Ausbau der Elektromobilität auf der Strecke bleibt – trotz des nachgeschobenen Vorstoßes der Koalitionsfraktionen, die Regierung solle eine Gesamtkonzeption zur Entwicklung der E- Mobilität im Lande erarbeiten.

Vor allem aber spielt der Öffentliche Personennahverkehr in der Mobilitätsstrategie eine zu geringe Rolle. Es ist nicht wenig ambitioniert den Modal Split nur von 47 über 50 steigern zu wollen. Bei ungünstiger Auslegung also lediglich um 4 Prozent.

Wir fordern hier ja unter anderem mit dem vorliegenden Antrag die stärkere Berücksichtigung von Straßenbahnen und O-Bussen.

Diese werden in der Mobilitätsstrategie bislang nur erwähnt in Hinblick auf den „Erwerb von Tickets über mobile Endgeräte“.

Zunächst aber noch ein paar Sätze zum Antrag der CDU.

Was mir gefällt, ist das 30-60-90-Modell. Sprich, Mittelzentren im Berliner Umland sind von Berlin aus in 30 Minuten erreichbar, alle anderen Mittelzentren in weniger als 90 Minuten und Oberzentren in weniger als 60 Minuten.

Weshalb wir trotzdem nicht zustimmen? Erstens: Das im Antrag angelegte Moratorium für Verkehrsverträge. Alle weiteren Ausschreibungen von Verkehrsleistungen müssten demzufolge gestoppt werden. Natürlich dürfen wir die aktuelle Situation nicht auf alle Ewigkeit zementieren. Ein Moratorium ist da aber keine Lösung, denn damit hätten wir jahrelangen Stillstand.

Zweitens blendet der Antrag mit seiner einerseits erstaunlich detaillierten aber andererseits keineswegs vollständigen Auflistung zu stark die Korridoruntersuchungen sowie die Vorarbeiten zum Landesnahverkehrsplan aus.

Der Überweisung stimmen natürlich zu, ansonsten würden wir uns enthalten. Und bleiben bei unserer Forderung an die Landesregierung, endlich auch die Rohdaten der Korridoruntersuchungen zu veröffentlichen.

Nun noch zu unserem eigenen Antrag. Um einem Argument zuvorzukommen, nämlich: Straßenbahnen und O-Busse sind Aufgabe der Kommunen. Ja das stimmt, Straßenbahnen sind sicher nicht landesbedeutsam, was einen Großteil der Bedeutung ihrer Strecken angeht. Dies ist aber nur ein Aspekt.

Als Verkehrsträger insgesamt sind Straßenbahnen und O-Busse sehr wohl relevant für das ganze Land und damit komme ich zurück auf die eingangs genannten Probleme mit Feinstaub, Stickoxid und CO2 und meine Kritik, Brandenburg hänge sich selbst ab bei der Elektromobilität.

Straßenbahnen sind ein altbewährtes System der Elektromobilität. Wir sagen daher ganz klar: Der Erhalt der Straßenbahnen und O-Busse ist auch eine Landesaufgabe!

Das haben die rot-roten Koalitionäre ja zumindet in Ansätzen aufgegriffen, indem sie ein Investitionsprogramm aufgelegt haben. In dem Umfang allerdings nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Und das sehen auch andere Bundesländer so und fördern die Anschaffung neuer Straßenbahnen jährlich mit zweistelligen Millionenbeträgen: Thüringen etwa hat ein eigenes Programm aufgelegt. Der Freistaat Sachsen fördert den Kauf von 41 neuen Straßenbahnen bis 2020 zu 50 Prozent.

Im letzten Jahr haben wir Investitionen in die Straßenbahnen hauptsächlich als Frage der Barrierefreiheit diskutiert. Laut Personenbeförderungsgesetz dürfen ab 2022 nur noch Niederflurbahnen unterwegs sein, alle Straßenbahnhaltestellen sollen barrierefrei sein. Neben der Frage der Barrierefreiheit haben wir aber auch das Problem eines immensen Investitionsstaus. Über Jahrzehnte wurden nur unzureichende Investitionen in die Fahrzeuge getätigt. Seit Jahrzehnten werden Straßenbahnen in Brandenburg auf Verschleiß gefahren.

Und daran wird auch Ihr Investitionsprogramm in Höhe von drei Millionen Euro für 2017 und sechs Millionen Euro für 2018 nichts ändern. Der Zeitraum ist zu kurz, die Mittel sind zu knapp; das System würde maximal für weitere 6-8 Jahre stabilisiert.

Wir brauchen daher beides: eine Dynamisierung für den laufenden Betrieb und eine deutliche Anschubfinanzierung. Die Straßenbahnbetriebe gehen von Investitionen von mehr als 170 Mio. EUR bis 2030 allein für die Erneuerung der Fahrzeuge aus.

Das Gute ist: Wenn die Bahnen einmal erneuert sind, hat man die nächsten 50, 60 Jahre Ruhe.

Wir fordern daher:

1. Das Landesprogramm zur Förderung von Investitionen im ÖPNV muss umgehend mit einer Förderrichtlinie hinterlegt werden: Die Verkehrsträger warten darauf, dass ihnen das Land schnellstens kommuniziert, in welcher Form es die Fördermittel ausreichen wird. So können sie zumindest für die Jahre 2017 und 2018 planen und die eigenen Entscheidungsprozesse weiter vorantreiben.

2. Die Mittel des Förderprogramms müssen mindestens auf 10 Mio. EUR für 2017 und 20 Mio. EUR für 2018 aufgestockt werden. Gleichzeitig muss eine verlässliche Finanzierung auch über 2019 hinaus sichergestellt werden.

3. Zusätzlich eine Aufstockung der Mittel aus dem ÖPNV-Gesetz. Die aktuell etwa 85 Mio. EUR für den sogenannten übrigen ÖPNV müssen für 2018 auf 100 Mio. EUR erweitert und mit 1,5 % dynamisiert werden. Hierfür muss das Land muss auf eigene Mittel zurückgreifen.

Und 4. Straßenbahnen und O-Busse müssen in die Mobilitätsstrategie 2030 aufgenommen werden. Die Landesregierung kann damit ein Zeichen für die Bedeutung dieser nachhaltigen Verkehrsträger setzen und sie so stärker in ihrer langfristigen Mobilitätspolitik verankern.

Ohne diese Maßnahmen droht den meisten Straßenbahnen in Brandenburg ein Tod auf Raten. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag. Vielen Dank!

Der Antrag wurde abgelehnt