[Anrede]
Im April diesen Jahres hat der Landesvorsitzende der SPD, unser Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke, offensichtlich im Vorgriff auf den Landtagswahlkampf ein Papier veröffentlicht mit dem Titel „Mit Engagement und Ideen: Brandenburg im nächsten Jahrzehnt“ und mit dem Anspruch, die großen Fragen und Themen der Brandenburger Sozialdemokratie für das nächste Jahrzehnt zu skizzieren und deutlich zu machen, wie die SPD ihren erfolgreichen Weg weiter beschreitet. Es könnte so einfach sein.
Er schreibt, die Brandenburger SPD werde „im kommenden Jahrzehnt alles daran setzen, dass unser Land in puncto Kinder- und Familienfreundlichkeit zum Vorreiter unter den Bundesländern wird.“ Weiter müsste die SPD „die 20er Jahre in Brandenburg zu einem ‚Jahrzehnt der Kinder und der Bildung’ machen ...“.
Vorreiter? Bei der Kita-Gruppengröße liegen wir trotz der Verbesserungen, die es unbestreitbar gegeben hat, immer noch ganz hinten im Bundesvergleich. Bei den Lehrkräften rächen sich die Versäumnisse der letzten Legislaturperiode, als es noch qualifizierte Personen gab, die man hätte einstellen können. Die Quereinsteiger*innen werden erst jetzt zum Einstieg zum nächsten Schulhalbjahr vorab qualifiziert, obwohl das Konzept des MBJS diese Qualifizierung schon ein halbes Jahr vorher vorgesehen hatte. Bei der Inklusion liegen wir nur noch im Mittelfeld, obwohl wir schon mal deutlich besser waren. Bei der Digitalisierung der Schulen, dem Spitzenthema von Frau Ministerin Ernst, wie sie zu ihrem Amtsantritt verkündete, hat sich wenig getan. Wir können ja noch auf den Digitalpakt hoffen.
Nein, „Vorreiter“ geht anders.
Dass wir auch aufgrund unserer finanziellen Mittel davon weit entfernt sind, das wissen auch wir Bündnisgrüne.
Und wir haben realistisch gerechnet.
Wir wollten die Medienbildung im schulischen und außerschulischen Bereich stärken, wie das der Landesfachverband Medienbildung empfohlen hat.
Wir wollten den Landesjugendplan besser ausstatten, um die Jugendbildungsstätten und die Jugendverbandsarbeit zu stärken. Der Brandenburg-Monitor hat uns eine besorgniserregende Zunahme demokratie- und menschenfeindlicher Einstellungen in der Gesellschaft gezeigt. Daraus müssen wir Konsequenzen ziehen, insbesondere für unsere Jugendlichen, genauso wie aus der Forderung, junge Geflüchtete gut zu integrieren!
Und wir wollten Schulen mit einem schulinternen Fortbildungsetat besser als bisher in die Möglichkeit versetzen, auf spezifische Probleme selbstbestimmt und ohne langwierige Antragsverfahren reagieren zu können. Das hätte ein Schritt sein können zu einer besseren Fortbildungskultur und steht für uns stellvertretend dafür, dass wir mit den Lehrkräften, die wir haben, besser umgehen müssen.
Das genau ist eines der Ergebnisse der neuen Inklusionsstudie gewesen, die wir in Auftrag gegeben haben: Lehrkräfte arbeiten am Limit, fühlen sich schlecht gerüstet und schlecht unterstützt für die Herausforderungen, mit denen sie täglich umgehen müssen. Parallel zu sehen, dass Fortbildungsangebote nicht wahrgenommen werden, heißt doch, dass da was schief läuft!
Der wichtigste Antrag, den wir auch heute noch ins Plenum tragen, ist der auf Finanzierung der dritten Betreuungszeitstufe, also auf Gewährung eines finanziellen Ausgleichs an die Kommunen für die überlangen Betreuungszeiten. Ja, das haben wir schon mehrfach beantragt, weil es den Menschen so wichtig ist. Gerade aktuell werden wir wieder überschwemmt von Mails und Briefen, in denen genau diese 3. Betreuungsstufe gefordert wird. Der Bericht, den die Landesregierung als Reaktion auf unseren mit der CDU gemeinsam eingebrachten Gesetzentwurf hat erstellen lassen, hat genau das Ergebnis gehabt, was alle Beteiligten schon lange wussten (nur vielleicht noch nicht so detailreich): Immer mehr Kinder werden immer länger in Krippe und Kita betreut, aber dafür zahlt die Land keinen Ausgleich. Insofern war es schon im Januar nur ein Hinauszögern der Debatte, unserem Antrag nicht zuzustimmen, aber jetzt gäbe es noch einmal die Gelegenheit!
Von einer Vorreiterschaft im Bildungswesen sind wir leider weit entfernt. Trotzdem gilt hier leider viel zu häufig, was Mark Twain in folgende Worte kleidete: „Der Sommer ist die Zeit, in der es zu heiß ist, um das zu tun, wozu es im Winter zu kalt war.“ Und so wird auch diese Haushaltsdebatte verstreichen, und viele Chancen ungenützt bleiben. Aber immerhin: Es kommt ja ein Wahlkampf, da kann man ja wieder erzählen, was man sich für’s nächste Jahrzehnt alles auf die Fahnen schreibt!