- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauende,
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
es verdient Respekt, einzuräumen, wenn man eine Fehleinschätzung getroffen hat. Der gebührt Ihnen, Herr Woidke, und der gebührt auch unserer Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die Entscheidung zur sogenannten Osterruhe, insbesondere zum Gründonnerstag, hat sich aus verschiedenen Gründen als nicht praktikabel und auch juristisch nicht umsetzbar erwiesen. Nun wurde sie korrigiert. Das ist ein mutiger und wichtiger Schritt. Er zeigt auch, dass unsere Demokratie funktioniert. Die Kritik der Öffentlichkeit, von Verbänden und offensichtlich auch aus den Ländern wurde gehört und berücksichtigt.
Die Osterruhe war dazu gedacht, die dritte Welle zu brechen. Die „Osterrolle“ rückwärts entbindet uns aber nicht von der Verantwortung, weitere Maßnahmen zu treffen, um diese Welle zu brechen.
Jeden Tag blicke ich bangen Auges auf die neusten Charts: Das Anwachsen der Zahl der Neuinfizierten, die traurige Zahl der an oder mit Covid-Gestorbenen. Und die täglich steigenden Sieben-Tage-Inzidenzwerte in den Landkreisen.
Jetzt haben wir leider wieder die Hunderter-Inzidenz landesweit gerissen. Aktuelle befinden wir uns bei 118,8. In zwei Landkreisen kletterte die Inzidenz bereits über 200. Fünf Landkreise und Cottbus liegen über 100. Auch die rasche Verbreitung der ansteckenden britischen Variante B.1.1.7. unter jüngeren Menschen ist besorgniserregend. Zum Glück wirken die Impfstoffe auch gegen diese Mutanten. Doch je länger das Virus weltweit grassiert, umso größer wird die Gefahr weiterer Mutationen.
Aus unseren Nachbarländern erreichen uns wieder besorgniserregende Nachrichten. Polen ist zum Hochinzidenzgebiet erklärt worden, am Samstag wurde dort ein neuer drastischer Lockdown verhängt. Es ist gut, dass der Grenzverkehr für Pendler*innen offenbleibt. Voraussetzung ist natürlich, dass regelmäßig getestet wird. Das läuft jetzt an. Wenn sich weiterhin so lange Schlangen an den drei Testzentren bilden, muss hier auch nachgesteuert werden.
Erschreckt haben mich die Bilder aus Brasilien, die letzte Woche durch die Nachrichten gingen. Hunderte von ausgehobenen Gräbern auf einem Friedhof, verzweifelte Menschenschlangen vor den Krankenhäusern. Inzwischen ist auch die gefürchtete brasilianische Mutante des Virus in Brandenburg aufgetreten. Das Virus zu leugnen und alle Maßnahmen abzulehnen, hilft uns nicht, Herr Dr. Berndt. Im Gegenteil: Das macht alles nur noch schlimmer!
Am Samstag fanden wieder zahlreiche Demonstrationen von sogenannten Corona-Leugner*innen statt. Allein hier in Potsdam kamen über 500 Leute zusammen. Und zwar ohne Masken und ohne Abstand. Zu demonstrieren und öffentlich eine Meinung zu äußern ist ein wichtiges Grundrecht. Aber dass die Polizei zum wiederholten Mal Querdenker*innen unbehelligt durch die Potsdamer Innenstadt ziehen lässt und gleichzeitig grob gegen Gegendemonstrierende vorgeht, muss ein Nachspiel haben!
Das gilt übrigens auch für den AfD-Parteitag in Frankfurt (Oder). Auch wenn die Presse vorsorglich ausgeschlossen war, so waren doch die Bilder eindeutig: Abgeordnete, die sich nicht an die einfachsten Aha-Regeln hielten. Da müssen Sie sich doch fragen lassen, meine Herren rechts außen, die vermutlich auch anwesend waren, was ist denn ihr Beitrag zur Beendigung der Krise, wenn Sie an solchen Superspreaderereignissen teilnehmen. Ist Ihnen nicht klar, welche Verantwortung Sie als Politiker haben? Ist Ihnen nicht klar, dass Regeln für alle gelten, auch für Sie? Ist Ihnen nicht klar, welchen gesundheitlichen Risiken Sie andere dadurch aussetzen?
Ganz offensichtlich ist Ihnen das alles nicht klar. Oder noch schlimmer: Sie nehmen die Risiken bewusst in Kauf! Oder wollen Sie sich damit profilieren? Das ist wirklich völlig verantwortungslos!
Dies ist, lieber Abgeordneter Walter, nicht die Zeit für Spott und Häme. Auch nicht die Zeit für Rücktrittsforderungen oder das Herbeireden des Endes der Koalition. Es ist leicht zu behaupten, dass andere alle Probleme in dieser Krise besser gelöst hätten. Gesundheits- und Bildungsminister*innen stehen bundesweit im Sturm – egal welche politischen Couleur. Hinterher ist man immer schlauer – und Sie ja ohnehin! Aber wir erleben eine solche Pandemie zum ersten Mal und es gibt immer wieder neue Schwierigkeiten, die nicht vorhersehbar sind. Gerade hatte Brandenburg das Impftempo deutlich gesteigert, von Woche zu Woche sogar verdoppelt, da führte das Aussetzen des Impfstoffs von Astra Zeneca zu neuen Verzögerungen. Wir sind in einer Situation, in der es nicht um Machtspielchen oder billigen Wahlkampf geht. Es geht darum, zusammenzustehen und Kräfte zu bündeln, um die Pandemie zu bezwingen. Genau das tun wir als Bündnisgrüne mit unserer Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher!
Und wir stehen auch hinter unserer Bildungsministerin Britta Ernst. Es ist das gemeinsame Ziel dieser Koalition, Kitas und Schulen vorrangig vor allem anderen offen zu halten, möglichst abgesichert durch eine Test- und Impfstrategie. Aber so lange Selbsttests auf dem Markt immer noch ein rares Gut sind, müssen wir offensichtlich alle damit leben, dass eine bestellte Charge auch mal nicht lieferbar ist. Die kurzfristige Aufhebung der Präsenzpflicht war unter diesen Umständen bei einer anhaltenden Inzidenz von über 100 angezeigt und folgerichtig.
Und ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten, denjenigen, die in der Verwaltung die vielen Verordnungen schreiben, und den Lehrkräften, Erzieher*innen, den Kinder und den Eltern, die sich immer wieder kurzfristig auf neue Situationen einstellen müssen, ausdrücklich danken!
Schon im Vorfeld der Ministerpräsident*innenrunde war klar, dass wir in Brandenburg im Moment keine weiteren Lockerungsschritte machen können. Das ist hart, weil gerade viele kleine Läden, Cafés und Restaurants dringend darauf warten, wieder zu öffnen. Weil wir wieder im Verein oder Fitnessstudio Sport treiben wollen und uns nach Kulturangeboten sehnen. Weil wir gerne reisen möchten und jetzt Leute nach Mallorca fliegen können, aber vor der eigenen Haustür kein Urlaub möglich ist. Und weil ein Familienfest vor der Tür steht: Ostern! Und wir weiter Kontakte reduzieren müssen, Zuhause bleiben müssen, keine Präsenzgottesdienste und keine wenig Besuche. Wir befinden uns mitten in der dritten Welle und Gesundheitsschutz hat oberste Priorität.
Doch es gibt Licht am Horizont. Der Frühling steht vor der Tür. Die ersten Frühblüher sind bereits in den Parks und Gärten zu sehen. Die Menschen in den Pflegeheimen, die besonders gefährdet sind, sind inzwischen alle geimpft. Es gibt einen weiteren Impfstoff auf dem Markt und Zusagen für Impfstofflieferungen im April, die jetzt hoffentlich eingehalten werden! Weitere Impfzentren gehen an den Start. Das Impfen in Hausarztpraxen wird ausgeweitet. Das ist gerade in unserem Flächenland von großer Bedeutung, besonders für viele ältere Menschen. Das sind Fortschritte, die Hoffnung machen.
Und bei allem, was nicht so gut läuft – es gibt sie doch: die guten, die bemerkenswerten Ereignisse. Letzte Woche war so eins: die beiden Erfinder*innen des Biontech-Pfizer Impfstoffes, Özlem Türeci und Ugur Sahin, wurden mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier ehrte sie für ihre herausragende Leistung bei der Entwicklung des ersten Covid-19-Impfstoffs, der in der EU zugelassen wurde.
Die Auszeichnung ist in dreifacher Hinsicht bemerkenswert.
Zum einen weil die Erfindung der Impfstoffe ein Riesenerfolg in der Pandemiebekämpfung ist. Durch Impfen wurde schon zahlreiche lebensbedrohliche Krankheiten weltweit ausgerottet. Impfen ist der Weg raus aus der Krise, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Und auch wenn es zurzeit noch nicht so schnell geht, wie wir es uns alle wünschen, und viele sehnlichst auf den Piks in den Oberarm warten: Jeder neue Impfstoff, der auf den Markt kommt, gibt uns Hoffnung und Zuversicht!
Zum andern weil hier zwei deutsche Staatsbürger*innen geehrt werden, die beide türkische Wurzeln haben und die, ginge es nach den Herrschaften hier ganz rechts außen, heute gar nicht in Deutschland leben würden.
Özlem Türeci und Ugur Sahin sind auch Vorbilder für viele Kinder mit Migrationshintergrund, die hier aufwachsen, zur Schule gehen und ihr Leben gestalten. Ihre Geschichte ist auch ein Musterbeispiel gelungener Integration!
Und zum dritten, weil mit dieser Auszeichnung auch medizinische Wissenschaft und Forschung geehrt wird. Und das Interesse an dieser Forschung zeigt sich auch in weiten Teilen der Bevölkerung. Was haben wir nicht alles gelernt in dieser Pandemie: wie sich das Corona-Virus überträgt, zum Beispiel, was ein PCR-Test ist oder was einen mRNA-Impfstoff von einem Vektor-Impfstoff unterscheidet. Eins ist klar: Grundlage aller politischen Entscheidungen bei der Erarbeitung neuer Eindämmungsverordnungen müssen wissenschaftliche, faktenbasierte Erkenntnisse sein!
Als wir die ersten Botschaften über die Freigabe von Impfstoffen hörten, haben wir bei aller Freude wohl ein Stückweit verdrängt, welch lange Wegstrecke vor uns liegt: zwischen den ersten Impfungen und der Besiegung des Virus. Für diese Wegstrecke gilt es jetzt nochmal alle Kräfte zu bündeln. Das gelingt sicher dann am besten, wenn wir uns nicht in zermürbenden Konflikten verlieren, sondern uns auf das gemeinsame Gelingen konzentrieren!