Zum Inhalt springen

Petra Budke spricht zum Infektionsschutzgesetz

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Abgeordnete, sehr geehrte Zuschauende,

Heute entscheiden Bundestag und Bundesrat über das Dritte Bevölkerungsschutzgesetz und eine Änderung des § 28 a des Infektionsschutzgesetzes. Das ist ein sinnvoller Schritt in die richtige Richtung, auf den wir Bündnisgrüne im Bund lange gedrängt haben.

Ganz konkret geht es dabei darum, das Parlament stärker einzubinden und den Einfluss der gewählten Abgeordneten zu vergrößern. Denn die bisherigen Verordnungen basieren lediglich auf einer Generalklausel im Infektionsschutzgesetz, auf die sich die Länder bei der Abfassung der Verordnungen stützen. Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie sollen mit diesen Änderungen demokratischer und rechtssicherer werden.

Das ist übrigens ein Schritt, den wir auch hier in Brandenburg gehen müssen. Die konkrete Ausgestaltung einer Beteiligung des Landtags über die Informationspflicht hinaus wollen wir noch im Dezemberplenum auf den Weg bringen!

Die Rechtsverordnungen sind mit erheblichen Eingriffen in die Grundrechte verbunden. Das ist nichts Neues und nichts Ungewöhnliches. Grundrechte gelten nicht absolut.

Einige Beispiele: Das Arbeitsschutzgesetz oder das Gaststättengesetz greifen in die Berufsfreiheit ein, jedes Verkehrsschild greift in die allgemeine Bewegungsfreiheit ein.

Mit der Änderung des § 28 a soll nun klarer geregelt werden, unter welchen Bedingungen in der Pandemie in die Grundrechte eingegriffen werden darf. Gesundheits- und Sozialexpert*innen begrüßen das Paket grundsätzlich.

Der Zweck der Maßnahmen – der Schutz von Leben und Gesundheit sowie die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens - werden näher konkretisiert. So werden beispielhaft Abstandsgebote, Geschäftsschließungen, Reise- und Freizeitbeschränkungen in das Gesetz aufgenommen, 15 mögliche Maßnahmen insgesamt.

Wichtig ist: Die Rechtsverordnungen müssen begründet werden und sind auf vier Wochen zu befristen. So lässt sich immer wieder überprüfen, ob die Verordnung noch verhältnismäßig ist. Neue Entwicklungen werden berücksichtigt.

Die Beschränkungen werden also auf eine klarere gesetzliche Grundlage gestellt.

Aber die die Grundrechte werden dadurch nicht aufgehoben! Kampagnen, die solche Behauptungen verbreiten oder sogar von einem „Ermächtigungsgesetz“ reden, sind rechtsextreme, antiparlamentarische Propaganda!

Im Gegenteil: Die Befugnisse der Exekutive werden eingehegt, die Beteiligungsmöglichkeiten des Parlamentes werden gestärkt.

Selbstverständlich können alle gesetzlichen Regelungen und Verordnungen weiterhin vor den Gerichten am Maßstab der Grundrechte überprüft werden. Das ist doch der Beweis, dass wir in einem Rechtsstaat leben und Exekutive und Judikative unabhängig voneinander sind!

Skeptisch sind wir an anderer Stelle. Das Gesetz enthält auch Regelungen zur weiteren Beteiligung des Bundes an den Länderkosten. Dabei gibt es Modifizierungen, die wir durchaus kritisch sehen. Krankenhäuser sollen – und müssen – einen finanziellen Ausgleich dafür erhalten, dass sie in der Krise Kapazitäten für Covid19 Patientinnen und Patienten bereithalten. Nach der jetzt vorgeschlagenen Regelung werden aber nur sehr große Kliniken profitieren – und die haben wir im Flächenland Brandenburg kaum.

Gut ist, dass die Regelungen zur Entschädigung von Eltern, die wegen einer geschlossenen Kita ihr Kind Zuhause betreuen müssen, fortgesetzt werden. Aber Homeoffice wird hier wieder nicht berücksichtigt. Dabei lässt sich Kinderbetreuung mit Arbeit Zuhause einfach nicht vereinbaren.

Sinnvoll finden wir, dass die digitale Vernetzung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes weiter vorangetrieben werden soll. Hier besteht noch erheblicher Nachholbedarf!

Nachdem jetzt auch Hoffnung auf einen baldigen Impfstoff besteht, geht es auch darum, Impfprogramme vorzubereiten. Die ambulanten Gesundheitsstrukturen sind bereits jetzt am Rande ihrer Kapazitäten.

Meine Damen und Herren, wir befinden uns nach wie vor mitten in der zweiten Welle der Pandemie. Am 28. Oktober wurden beim Bund-Länder-Treffen weitreichende Einschränkungen, der sogenannte „Lock down light“, beschlossen. Dadurch konnte zwar das exponentielle Wachstum der Infektionszahlen gebremst werden, doch eine wirkliche Trendumkehr lässt sich bisher nicht beobachten.

Am Montag haben sich die Ministerpräsidentinnen und Präsidenten mit der Bundeskanzlerin über weitere Maßnahmen ausgetauscht. Die Gespräche sollen in der nächsten Woche fortgesetzt werden. Dann wird es auch noch einmal darum gehen, ob wir weitere Beschränkungen brauchen, ob und unter welchen Bedingungen wir zum Beispiel Kitas und Schulen offenhalten können.

Wir müssen die Grundlagen dafür schaffen, dass wir diese Welle effektiv brechen können! Da sind wir alle gefragt, jede und jeder einzelne.

Mit Stimmung machen, Ängste schüren, Spalten und Leugnen der Pandemie bewirkt man nur, dass wir immer stärker in die Krise rutschen.