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Petra Budke spricht zum Sonderplenum anlässlich der vierten SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Gäste,

heute tagt das Parlament in einer kurzfristigen Sondersitzung. Wir debattieren die neue Eindämmungsverordnung, noch bevor das Kabinett sie heute Mittag beschließen wird. Alle gewählten Fraktionen konnten heute ihre Meinung zur Verordnung insgesamt und zu den einzelnen Maßnahmen äußern. Und Sie haben davon ausgiebig und kritisch Gebrauch gemacht, liebe Fraktionsvorsitzende und lieber Herr Steffke. Das ist doch der beste Beleg für eine funktionierende Demokratie im Land Brandenburg! Es ist einfach eine Frechheit, hier vom Katzentisch zu reden, wenn wir in Wahrheit an einer reich gedeckten Tafel sitzen!

Wohin es führt, wenn rechte Populisten Bürger*innen mit falschen Behauptungen aufhetzen, haben wir doch gerade in den USA gesehen. Der Sturm des wütenden Mobs auf das Kapitol, die Herzkammer der nordamerikanischen Demokratie, hat mich entsetzt und fassungslos gemacht. Und seien wir ehrlich: so ganz weit entfernt waren auch wir von ähnlichen Situationen nicht. Als am 31. August Demonstrant*innen vor dem Bundestag Absperrungen durchbrachen, Fahnen schwenkten und die Stufen des Gebäudes erklommen, stoppte sie nur das beherzten Eingreifen unserer Polizei. Auch hier war die Verbreitung falscher Informationen der Auslöser. Deshalb müssen wir Rechtspopulismus immer und überall Einhalt gebieten!

Ein hartes Jahr liegt hinter uns. Corona hat seit März 2020 unser Leben bestimmt. Und leider hat der Jahreswechsel nicht den erhofften Umschwung gebracht, ganz im Gegenteil. Während wir anfänglich noch vergleichsweise glimpflich durch die Krise gekommen sind, mit wenigen Toten und niedrigen Inzidenzen, sieht die Situation aktuell ganz anders aus. Wir haben in dieser Woche neue traurige Rekordwerte erreicht. Allein am 6. Januar starben 61 Menschen an oder mit Corona. Am 7.1., also gestern, wurden 1585 Neuinfektionen gemeldet, so viele wie nie zuvor. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Sie zwingen zum Handeln und zu einer Fortsetzung des harten Lockdowns. Mit allen bitteren Konsequenzen für Kitas und Schulen und für die Wirtschaft. Leider.

Ganz entscheidend geht es weiter darum, Kontakte so weit wie möglich zu minimieren, um unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten. Schon jetzt sind viele Kliniken besonders im Süden des Landes an den Grenzen ihrer Kapazität. Das gilt auch für das medizinische Personal, das in dieser Krise Großartiges leistet.

Viele Brandenburger*innen haben sich bislang sehr vorbildlich an die Regeln gehalten, sind zuhause geblieben, haben Weihnachten und Silvester nur im engsten Familienkreis gefeiert. Aber eben nicht alle. Geburtstagsfeiern, bei denen auch Landtagsabgeordnete vor der Tür stehen, um zu gratulieren, sind ein idealer Nährboden für das Virus. Daran teilzunehmen ist zutiefst verantwortungslos und unsolidarisch!

Das nenne ich Irrsinn!

In der Bund-Länder-Runde am 5. Januar wurde hart um einzelne Maßnahmen gerungen, genau wie in der Debatte heute hier.

Ganz besonders im Fokus der Diskussion steht die 15-km-Regel (ab einer 200er-Inzidenz in einer kreisfreien Stadt oder einem Landkreis). Das ist zweifellos eine harte Einschränkung der Bewegungsfreiheit in einem Flächenland wie Brandenburg. Die Frage ist, ab wo und für wen das gilt: Ist der Ausgangspunkt die Wohnadresse oder die Stadt- oder Gemeindegrenze? Und betrifft es alle Aktivitäten oder nur touristische? Das sind doch entscheidende Unterschiede.

Hier vom „offenen Vollzug“ zu sprechen ist völlig fehl am Platze. Wer so Stimmung macht, verkennt nicht nur die Realität, sondern gefährdet vor allem die Akzeptanz der Maßnahmen!

Hart ist dieser neue Lockdown wieder für die Kinder und Jugendlichen. Kinder brauchen soziale Kontakte ganz besonders. Deshalb müssen Kinder unter vierzehn Jahre von der Ein-Personen-Kontaktbeschränkung unbedingt ausgenommen werden! Und ich hoffe, dass Kitas und Schulen sehr bald wieder, zumindest im Wechselmodell, öffnen können!

Eine sehr kritische Debatte hat sich heute hier um das Thema Impfen entzündet.

Zunächst einmal bin ich sehr froh, dass wir jetzt überhaupt einen oder seit kurzem sogar zwei zugelassene Impfstoffe haben. Das ist doch ein gewaltiger Schritt vorwärts!

Die Erwartungen an das Impfen waren und sind hoch. Oftmals leider zu hoch. Das Impfen ist kein Sprint, sondern ein Marathon, und es kann nicht darum gehen, im Bundesvergleich schon beim Start die Goldmedaille zu gewinnen.

Es war von Anfang an klar, dass es nicht möglich ist, alle Brandenburger*innen, die es möchten, sofort zu impfen. Die Entscheidung, zunächst die älteren Menschen in Pflegeheimen und das medizinische Personal zu berücksichtigen, ist zweifellos richtig. Denn sie sind am meisten gefährdet. Das hat nun begonnen und muss nun zügig fortgesetzt werden.

Ministerin Nonnemacher hat in ihrer Rede bereits geschildert, welche Probleme es beim Impfstart gegeben hat. Auch auf Bundesebene wurde darüber diskutiert, ob Deutschland oder die Europäische Union zu wenig Impfdosen bestellt oder erhalten hat und wer die Schuld daran trägt. Lassen Sie mich eins hier feststellen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Das Impfen ist kein Wahlkampfthema!

Ich will hier die Probleme nicht schönreden. Ich will aber daran erinnern, dass wir vor einer völlig neuen Situation mit ganz neuen Herausforderungen stehen. Die verantwortlichen Mitarbeiter*innen im Gesundheitsministerium und in den Gesundheitsämtern geben ihr Bestes und arbeiten schon jetzt weit über der Belastungsgrenze!

Vieles muss verbessert werden und ich habe den Ausführungen von Ministerin Nonnemacher entnommen, dass daran auch gearbeitet wird. In einigen Pflegeheimen z. B. scheiterten die Impfungen noch daran, dass die Einverständniserklärungen von Betreuer*innen fehlten – die Feiertage lagen einfach dazwischen. Auch die Erreichbarkeit der Hotline der Kassenärztlichen Vereinigung wurde zum Problem. Hier wurde die Zahl der zu erwartenden Anrufe offensichtlich völlig unterschätzt. Es ist natürlich frustrierend, wenn man wieder und wieder aus der Leitung fliegt.

Ob das System, die Terminvereinbarung rein telefonisch abzuwickeln, tatsächlich trägt, oder man wie andere Bundesländern auf eine schriftliche Einladung setzt, muss auf den Prüfstand. Das lässt sich aber nicht allein von Ministeriumsseite regeln, sondern erfordert die Mitarbeit der Kommunen. Denn nur die haben beispielsweise den Zugriff auf die Melderegister und können solche Anschreiben rausschicken.

Ähnliches gilt für die Frage des Transports. Wie gelangen ältere Menschen zum Impfzentrum, wenn sie nicht mehr mobil sind? Das kann nicht alles das Gesundheitsministerium regeln. Auch hier ist die Initiative der Kommunen und der Bürger*innen gefragt. Ich möchte mal das Beispiel meines Wohnortes Dallgow-Döberitz nennen, wo sich jetzt der ehrenamtliche Bürgerbusverein bereiterklärt hat, solche Fahrten zu übernehmen. Das finde ich vorbildlich und findet hoffentlich viele Nachahmer*innen!

Sich untereinander zu helfen und Solidarität zu leben ist in Brandenburg eine gute Tradition. Eins ist klar: Durch die Pandemie kommen wir nur, wenn wir weiterhin verantwortungsbewusst und solidarisch handeln. Sicher müssen die meisten von uns jetzt noch ein bisschen auf die Impfung warten. Es werden noch einige Monate vergehen, mindestens bis zum Sommer, bis wir die 70%-Quote und damit die sogenannte Herdenimmunität erreicht haben. Aber wir haben doch das Glück, in einem Land zu leben, in dem alle, die wollen, in den nächsten Monaten mit einer Impfung rechnen können.

Dieses Glück haben bei weitem nicht alle Menschen auf dieser Welt! Viele Menschen, vor allem im globalen Süden, werden noch Jahre ohne den Impfstoff leben müssen und dem Virus weiter ausgesetzt sein.

Solidarität endet eben nicht an den Grenzen unseres Landes. Wir brauchen Solidarität in Europa und auch darüber hinaus. Denn eins müssen wir uns immer wieder bewusstmachen: Die Pandemie ist erst dann zu Ende, wenn sie für alle zu Ende ist!