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Sahra Damus spricht zum Antrag „Gleichstellungsbeauftragte durch Familienbeauftragte ersetzen und familien- und kinderfreundliche Gesellschaft schaffen“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Liebe Kolleg*innen,
Werte Gäste,

Sie wollen mit ihrem Antrag also die Gleichstellungsbeauftragten und das Landesgleichstellungsgesetz abschaffen. Soweit, so wenig überraschend. Auch nicht überraschend, dass dieser Antrag so ähnlich schon dutzendmal landauf landab von der AfD gestellt worden ist.

Bei so manchem AfD-Antrag habe ich mir schon gedacht: Man müsste wirklich mal sezieren, was sie uns da vorlegen. Und daher mache ich das heute einfach mal, ganz nach dem Motto: Manche Menschen entzaubert man am besten, indem man sie schlicht zitiert.

Da heißt es also in Ihrem Antrag, sie wollen „einer demografischen Katastrophe“ „bewusst entgegengenwirken“. Da frage ich mich als erstes mal: Warum fordern sie dann eigentlich Familienbeauftragte und nicht gleich Fortpflanzungsbeauftragte oder so etwas. Ich jedenfalls möchte nicht in einer Gesellschaft leben, wo der Staat in so private Dinge wie Kinderwunsch und Fortpflanzung eingreift.

Schauen wir mal weiter. Sie fordern ein „bestandserhaltendes Niveau von 2,1 Kindern pro Frau“. Da ist dieses Unwort von der Bestandserhaltung, das fand sich schon in Ihrem unsäglichen Antrag zum Familienbild. Bestandserhaltung klingt für mich nach Rassegeflügel oder dem Aussterben der Dinosaurier, aber nicht nach moderner Familienpolitik. Und den Bestand wollen sie auch nicht um seiner selbst willen erhalten, sondern „zur Stabilisierung und zum Erhalt unserer Sozialsysteme, aber auch zur Bewahrung unserer Kultur und zum Fortbestand unseres Volkes“.

Steigende Geburtenzahlen sollen also das ausgleichen, was Ihre Vorschläge zur Sozialpolitik nicht vermögen – ein stabiles Sozialsystem zu gewährleisten? Das ist ein Armutszeugnis.

Dann stellen Sie fest: „Die Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist in Deutschland erreicht“ und „In kaum einem anderen Land der Welt existiert eine gerechtere und gleichermaßen wertschätzende Behandlung und Betrachtung von Frau und Mann.“

Ach ja? Sie verschweigen den Gender Paygap der in Deutschland mit 19% noch immer besonders hoch ist, den rückläufigen Frauenanteil in Parlamenten und die extrem niedrigen Frauenanteile in Aufsichtsräten und Vorständen. Die wenigen Frauen in der Wissenschaft, die vielen Frauen, die alleinerziehend sind. Die Gewalt gegen Frauen ist ein andauerndes Problem, Femizide sind in Deutschland leider an der Tagesordnung. Während des ersten Lockdowns im Mai gab es 3 Femizide innerhalb weniger Tage in Brandenburg – in Werder, in Zossen, in Cottbus. Aber nein, keine Probleme, völlige Gleichberechtigung. In einem Paralleuniversum vielleicht.

Als nächstes fabulieren Sie von der „drohenden Zerstörung bestehender Gesellschafts- und Generationenverträge“. Da sage ich: Wenn sich Gesellschaft ändert, muss sich auch Politik ändern, müssen wir Generationenverträge eben weiterentwickeln. Nicht andersherum. Das ist ein einfallsloses, rückwärtsgewandtes Verständnis von Politik.

Und – sie reduzieren Gleichstellung alleine auf das Thema Familie. Ich finde es eine wunderbare Idee, flächendeckend Familienbeauftragte einzuführen. Aber dann lassen sie uns bitte das eine tun und das andere nicht lassen. Denn der Gleichstellungsauftrag ist in der Landesverfassung und im Grundgesetz verankert. Der Schutz der Familie und die Kinderrechte übrigens auch, auch wenn wir da Ausbaubedarf sehen. In einigen Bereichen gibt es das auch schon: Familienbeauftragte an Hochschulen, in Unternehmen… Und wenn Familienbeauftragte, dann aber bitte nicht mit ihrer Agenda, die Fortpflanzung anzukurbeln, sondern mit echter Unterstützung für Familien. Familienfreundliche Arbeitszeiten, Unterstützung insbesondere für Frauen in Führungspositionen, die Unterstützung von Regenbogenfamilien und die Bestärkung von Männern, die länger Elternzeit und mehr Familienarbeit übernehmen wollen.

Dann lesen wir noch: „In Deutschland wird Familienarbeit … vielfach abschätzig bewertet.“ Da würde ich Ihnen ja zum Teil recht geben. Komme aber nicht zu Ihrer Schlussfolgerung, Frauen fürs zu Hause bleiben zu bezahlen, sondern es ihnen zu ermöglichen, berufstätig, unabhängig und selbstbestimmt zu sein. Das Ehegattensplitting setzt da beispielsweise absolute Fehlanreize.

Als sei das irgendwie biologisch determiniert, mutet es an, wenn sie philosophieren über das: „Wesen des Menschen als Spezies mit zwei unterschiedlichen Geschlechtern und der damit verbundenen durchschnittlich unterschiedlichen Ausprägung von (charakterlichen) Eigenschaften, Merkmalen und persönlichen Präferenzen“.

Durchschnittlich was? Durchschnittlich schlau, freundlich, stark? Sind Männer oder Frauen jetzt durchschnittlich schlauer? So geht der Versuch, Menschen in Stereotype zu pressen, statt die Fähigkeiten in den Fokus zu nehmen, unabhängig vom Geschlecht. Als Frauen vor gut 100 Jahren um das Wahlrecht kämpften, hieß es noch: Sie seien geistig nicht in der Lage, vernünftige Wahlentscheidungen zu treffen. In dieser Tradition stehen Ihre Binsenweisheiten davon, was angeblich typisch weiblich und typisch männlich ist.

Sie sprechen dann von „vermeintlichem Feminismus, der den Wert von Frauen ausschließlich an ihrer beruflichen Karriere bemisst und andere Lebensentwürfe als ‚altbacken‘ und ‚rückständig‘ diffamiert.“

Eben genau nicht – Feminismus ist, wenn´s allen besser geht. Wenn auch Männer nicht unter Druck stehen, möglichst kurz in Elternzeit zu gehen. Sie verbreiten den Mythos, Feminismus richte sich gegen Männer. Da haben sie grundsätzlich was falsch verstanden. Er richtet sich gegen Benachteiligungen von Frauen. Gleichberechtigung herstellen ist eben gerade das Gegenteil von Diskriminierung.

Und dann kulminiert das Ganze in: „Im Jahre 2030 wird jeder dritte Brandenburger über 65 Jahre alt sein. Diese Entwicklung stellt letztendlich die Existenzfrage für unser Volk, ….“ Und sie haben ausgerechnet: „Bei einer Geburtenrate von 1,5 Kindern schrumpft ein Volk um ca. 30% pro Generation.“

Ich will Ihnen mal was sagen. Unser Planet leidet eher an Überlastung durch uns Menschen. Würden alle Menschen auf der Welt so leben wie wir, bräuchten wir 6 Planeten. Ich komme deswegen aber nicht etwa zu dem Schluss, dass wir eine 1-Kind-Politik einführen sollten wie in China. Lassen Sie uns die demographische Entwicklung zu Kenntnis nehmen, sie erforschen und dann angemessen darauf reagieren mit sozialpolitischen Maßnahmen. Ich muss Ihnen leider sagen: Es gibt keine Garantie, dass alles so bleibt wie es ist. Und schon gar nicht werden wir uns in die Vergangenheit zurückkatapultieren, egal wie viele solcher Anträge Sie hier noch stellen.

Was dem in Wirklichkeit zugrunde liegt, ist Ihr Glaube daran, dass Deutsche etwas Besseres wären als Menschen anderer Herkunft. Anders kann man solche Rhetorik nicht erklären, dass man ein „Volk“ erhalten müsse, schützen müsse gegen vermeintlich schädliche Einflüsse von außen. Das zeigt was ihre Forderungen eigentlich sind: nicht familienfreundlich, sondern rassistisch.