Herr Vizepräsident!
Meine Damen und Herren!
Am 15. März 1945 zwischen 14.51 Uhr und 15.36 Uhr flog die US Air Force einen gezielten Angriff auf das Bahnhofsgelände von Oranienburg. Allein in diesen 45 Minuten wurden 5 690 Großbomben auf die Stadt abgeworfen. Insgesamt war die Stadt Oranienburg im Zweiten Weltkrieg das Ziel von fast 20 000 Bomben der Alliierten. Etwa 2 000 Menschen starben bei den Bombardierungen - die Hälfte von ihnen Gefangene des Konzentrationslagers Sachsenhausen und Zwangsarbeiter.
Der verbrecherische Krieg, der vom nationalsozialistischen Deutschland vom Zaun gebrochen worden war, kehrte an seinen Ursprung zurück. Die Stadt Oranienburg als Sitz von Rüstungsunternehmen wie den Heinkel-Werken, aber auch den Auerwerken als Standort für die Produktion von Uranoxid und Uranmetall in Platten- und Würfelform war ein wichtiges Ziel in der Schlussphase des Krieges.
Unter den abgeworfenen Bomben gab es einen sehr hohen Anteil sogenannter chemischer Langzeitzünder. Diese Zünder sollten die Sprengkörper verzögert - nach Stunden oder Tagen - zur Detonation bringen. So töteten sie vor allem die zum Aufräumen eingesetzten Hilfskräfte. Auf diese Weise sollte die Moral der Zivilgesellschaft gebrochen werden.
Während des Abwurfs der Bombe zerdrückte ein windgetriebenes Flügelrad eine Ampulle mit Aceton. Diese löste über Stunden oder Tage einen Kunststoffring auf, der den Schlagbolzen der Zündung festhielt. Doch viele dieser heimtückischen Bomben drehten sich im weichen Sandboden nach oben. Das Aceton floss daneben; die Zünderwirkung verzögerte sich auf unbestimmte Zeit.
Diese unbestimmte Zeit läuft teilweise immer noch. Stand heute werden noch ungefähr 200 Großbomben im Oranienburger Untergrund vermutet. Wie Experten sagen, ist die Frage nicht, ob sie detonieren werden, sondern wann sie detonieren werden. Deshalb ist eine systematische Suche heute dringender denn je.
Meine Damen und Herren, Oranienburg hat in der Zeit des Dritten Reiches schwere Schuld auf sich geladen - als Standort des ersten Konzentrationslagers bereits im März 1933, später nicht nur als Ort des KZs Sachsenhausen, sondern auch der Inspektion der Konzentrationslager, wo der europäische Massenmord organisiert wurde.
Dennoch war der Zweite Weltkrieg kein Oranienburger Krieg, sondern ein deutscher Krieg. Oranienburg ist mit seiner Last von Bomben mit chemischen Langzeitzündern deutschlandweit herausragend betroffen und bedarf der Solidarität Brandenburgs und des Bundes.
Deshalb bin ich froh, meine Damen und Herren, dass sich der Landtag bereits am 14. Dezember 2018 in einer Entschließung für die Einrichtung einer Modellregion Oranienburg für die Kampfmittelbeseitigung ausgesprochen hat und dies am 13. Juni 2019 einstimmig durch eine Änderung des Ordnungsbehördengesetzes umgesetzt hat.
Mit dieser Gesetzesänderung wurde die Modellregion Oranienburg zunächst befristet auf drei Jahre eingeführt. Wir alle wissen, dass in den vergangenen zwei Jahren eine systematische Bombensuche kaum erfolgen konnte, da aufwendige Evakuierungen und die damit einhergehenden Kontakte vieler Menschen unvertretbar gewesen wären. So ist es folgerichtig, das Projekt Modellregion zu verlängern und die Evaluation auf 2024 zu verschieben, um überhaupt zu realistischen Einschätzungen zu gelangen.
Alle Gefahrenpunkte in Oranienburg abzuklären und die Stadt bombenfrei zu bekommen ist eine Generationenaufgabe. Die Kampfmittelbeseitigung wird uns vor Ort noch Jahrzehnte beschäftigen. Deshalb hoffe ich, dass es nach der Evaluation möglich sein wird, das Modell dauerhaft zu etablieren.
Zunächst bitte ich um Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innenausschuss.
- Vielen Dank.