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Rede im Landtag: Symbolpolitik stärkt nur Extremisten – Zeit für Lösungen

- Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin, liebe Abgeordnete, liebe Zuschauende,

die Terrororganisation Islamischer Staat IS will unsere Gesellschaft spalten. Die Rechtsextremen wollen unser Land in finstere Zeiten zurückführen. Putin führt seit Jahren einen Desinformations- und Zersetzungskrieg gegen unsere freiheitliche Demokratie. Sie alle schrecken vor nichts zurück. Nicht vor Propaganda, nicht vor Gewalt, nicht vor Terror.

Auf einem Stadtfest in Solingen hat ein Mann am Freitagabend drei Menschen mit einem Messer getötet. Acht Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Der IS hat sich zu dem Anschlag bekannt.

Ich, meine Fraktion, wir alle sind voller Trauer und zutiefst betroffen von dem schrecklichen mutmaßlich islamistischen Terroranschlag. Unsere Gedanken und Wünsche sind bei den Familien der Toten und Verletzten.

Ich finde, wir sind diesen Menschen etwas schuldig! Wir sind ihnen schuldig, dass der Täter zur Rechenschaft gezogen wird. Sie haben das Recht zu erfahren, wie es dazu kommen konnte.

Es gibt keine absolute Sicherheit. Das wissen wir alle. Aber wir sind es den Menschen in Solingen und im ganzen Land schuldig, dass wir ernsthaft, und ich meine wirklich ernsthaft daran arbeiten, so etwas in Zukunft zu verhindern!

Warum sage ich ernsthaft?

Weil es – leider – nach solchen Anschlägen immer dasselbe Muster ist: Eine populistische Forderung übertönt die andere. Auch von denen, die das jetzt beklagen, Herr Redman. Von der offen verfassungsfeindlichen AfD ist nichts anderes zu erwarten. Entscheidend ist, wie wir Demokratinnen und Demokraten reagieren.

Es werden riesige, unerfüllbare Erwartungen geweckt. Und dann passiert jahrelang nichts oder zu wenig.

Das muss sich ändern! Für uns Grüne sage ich da ganz klar: Wir sind bereit, uns zu bewegen. Wir lassen über alles mit uns reden, was verfassungs- und europarechtlich machbar ist. Es muss nur mit dem Grundgesetz vereinbar sein. Aber schon der erste Vorschlag der CDU ist das nicht!

Die erste Forderung von Friedrich Merz war ein Einreiseverbot für alle.

Für alle Menschen, die aus Syrien und Afghanistan flüchten. Also auch für Kinder. Auch für Frauen, die unter der Taliban leiden. Da sage ich: Das kann ich nicht ernst nehmen. Man verteidigt das Grundgesetz nicht, indem man seine Werte opfert!

Das ist genauso falsch wie die Forderung der AfD nach einem Betretungsverbot für Geflüchtete auf Volksfesten. Beides wird es mit uns Grünen nicht geben. Menschen in Not werden auch in Zukunft in Brandenburg Zuflucht finden!

Wir müssen die Debatte auf dem Boden des Grundgesetzes führen. Und wir müssen die richtige Debatte führen. Die Lösungsvorschläge der SPD passen leider zum üblichen Muster. Dietmar Woidke will härter abschieben, um den Terrorismus zu bekämpfen. Er streitet mit Nancy Faeser, SPD, warum sie nicht härter abschiebt. Olaf Scholz hat schon letzten Sommer angekündigt, »endlich im großen Stil« abzuschieben.

Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Geltendes Recht muss durchgesetzt werden. Aber die derzeitige Debatte um Abschiebungen spielt nur den Spaltern unserer Gesellschaft in die Hände!

Ich höre die Zwischenrufe und sage auch gern, warum: Das riesige Getöse weckt riesige Erwartungen. Erwartungen, die mal wieder mit Ansage bitter enttäuscht wurden. Mit Ansage, weil die SPD genau weiß, wie groß die Hürden sind, weil sie genau wissen, dass unsere Behörden auch gar nicht dafür ausgestattet sind.

Nichts aber wollen Extremisten mehr als ein Volk, das von seiner Regierung enttäuscht ist.

Die Menschen spüren doch, wenn sie nicht für voll genommen werden! Machen wir den Faktencheck zu den Forderungen: Hätten Abschiebungen nach Afghanistan den Anschlag in Solingen verhindert?

1. Der Mann war Syrer! 2. Wer nach Afghanistan abschieben will, muss die Taliban durch Verhandlungen aufwerten. Ihnen, 3. im Zweifel Geld für Rückführungen zahlen. Und 4. am Ende die Attentäter als Helden zurück in die Heimat schicken.

Das alles wissen Sie auch, werte Abgeordnete von SPD und CDU. Die ganze Debatte um Abschiebungen lenkt von dem ab, was wirklich getan werden muss. Fakt ist: Auch deutsche Männer töten und vergewaltigen. Und die meisten Geflüchteten, die sich radikalisieren, machen das bei uns.

Ich mache nochmal das Angebot: Lassen Sie uns rauskommen aus den Symboldebatten der letzten Jahrzehnte. Wir brauchen keine Asyldebatte. Wir müssen Lösungen liefern!

Ich biete ihn auch drei Dinge an, von denen ich glaube, dass wir sie schnell gemeinsam angehen können.

1. Lassen Sie uns das Waffenrecht verschärfen. Wir Grüne fordern das seit Jahren, die FDP blockiert. Mit erschreckenden Folgen!

Erst letztes Wochenende haben wir durch meine Kleine Anfrage an den Innenminister erfahren, dass in Brandenburg eine hohe zweistellige Zahl von Extremisten eine Waffenerlaubnis hat. 80 Prozent davon sind Rechtsextremisten. Auf deutsch: Ganz legal laufen hier anerkannte Nazis mit Waffen durch Brandenburg. Lassen Sie uns gemeinsam die Extremisten entwaffnen!

Zweites Angebot: Lassen Sie uns ein richtig großes Investitionsprogramm für die innere Sicherheit starten. Zum Teil brauchen unsere Behörden mehr Befugnisse. Wir dürfen den Extremisten nicht den Gefallen tun, uns selbst mit einem Überwachungsstaat die Freiheit zu nehmen. Unbescholtene Bürger müssen auch weiterhin ein Recht auf Privatsphäre haben!

Aber der Verfassungsschutz muss auch Finanzströme von Extremisten verfolgen dürfen. Wir in Brandenburg haben das schon vorgemacht. Ich stehe dazu – und die Beschwerden der AfD zeigen mir, dass das richtig war.

Vor allem aber braucht es mehr Geld. Unsere Behörden, Polizei, Ausländerbehörden, Integrationsbehörden brauchen dringend bessere Ausstattung und mehr Personal. Lassen Sie uns gemeinsam die Schuldenbremse reformieren. Lassen Sie uns mit Bund und Ländern ein Sondervermögen innere Sicherheit auflegen!

Dritter Lösungsvorschlag – und mir der Wichtigste: Lassen Sie uns endlich richtig in Prävention investieren. Egal ob IS oder AfD – sie alle greifen nach den Köpfen und Herzen der jungen Menschen in Brandenburg. Wir bringen immer noch Geflüchtete in Massenunterkünften unter, wo sie sich im Zweifel radikalisieren. Das müssen wir beenden!

Wir brauchen mehr Sprachkurse. Geflüchtete müssen endlich ab dem ersten Tag arbeiten dürfen! Die Migrationssozialarbeit mussten wir in den letzten Haushaltsverhandlungen bitter erkämpfen. Sie ist ein wichtiger Schutz vor Radikalisierung und muss fest in den Haushalt!

Wir brauchen ein Netzwerk für die Begleitung von jungen Menschen in Krisen – gerade, wenn sie geflüchtet sind. Da können wir von Australien, Dänemark, den Niederlanden viel lernen. All die großartigen Leute da draußen, die Präventionsarbeit machen, brauchen unsere Unterstützung – mehr Geld, mehr Personal.

Die Fachstelle Islam, das Tolerante Brandenburg, die Vereine für psychosoziale Hilfe – ich will nur zwei stellvertretend nennen: Inter Homines und Albatros –leisten tolle Arbeit, aber mit jeweils nur fünf Leuten in ganz Brandenburg.

Wenn von hier heute ein Signal ausgeht, dann muss es doch sein: Danke für eure großartige Arbeit. Wir haben euch gehört – und dieser Landtag wird euch in den nächsten Jahren noch deutlich stärker unterstützen!

Werte Abgeordnete, liebe Gäste,

der Islamische Staat, die Rechtsextremen in diesem Land und in diesem Parlament, alle haben ein gemeinsames Ziel. Sie wollen unsere freiheitliche, vielfältige Gemeinschaft spalten. Den Gefallen tun wie ihn nicht. Lassen Sie uns an einer Welt arbeiten, in der wir einander mit Vertrauen begegnen. Egal, woher wir kommen.

Lassen Sie uns rauskommen aus den Ritualen und Symboldebatten. Die Lösungen liegen auf dem Tisch.

Packen wir es an!

Vielen Dank!

Weiterführende Informationen

Rede zu: Antrag "Sonderplenum Solingen" (TOP 1 der 112. Plenarsitzung)