- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,
Als am Morgen des 7. Oktober die Nachricht vom brutalen Überfall der Hamas auf Israel kam, stockte mir der Atem. Und nicht nur mir. Die Bilder und Nachrichten waren unerträglich. Familien in mehreren Kibbuzim grausam ermordet. Tanzende junge Leute auf einem Festival verschleppt. Bis heute fehlt von den vielen Entführten jede Spur. Internationale Verhandlungen zur Freilassung der Geiseln und eine Waffenruhe laufen. Doch die für heute angekündigte Freilassung der ersten fünfzig Geiseln wurde auf morgen verschoben.
Es ließ sich schon damals erahnen, welche dramatischen Konsequenzen für die ohnehin schwierige Situation im Nahen Osten dieser Angriff haben würde. Nach dem Krieg in der Ukraine sind wir jetzt mit einem weiteren Krieg in einem uns nahestehenden Land konfrontiert. Die Auswirkungen und das Leid der vielen unschuldigen Opfer sind kaum zu ertragen.
Wir stehen auch in einer humanitären Verantwortung gegenüber den Menschen im Gazastreifen. Sie brauchen medizinische und humanitäre Hilfe, um zu überleben.
Unser Wirtschaftsminister Robert Habeck hat es in seiner vielbeachteten Rede zur Situation in Israel auf den Punkt gebracht. Er hat gesagt, ich zitiere: „Der Satz ‚Israels Sicherheit ist deutsche Staatsräson‘ war nie eine Leerformel und darf auch keine werden.“
Klar ist: Wir stehen in voller Solidarität hinter Israel. Das ist unsere Verpflichtung aus der deutschen Geschichte. Das unfassbare Verbrechen der Shoa ist erst knapp achtzig Jahre her. Es war die Generation meiner Großeltern, die jüdisches Leben in Deutschland und Europa vollständig vernichten wollte. Und daraus erwächst für uns eine Verantwortung.
Eine Verantwortung für Israel und eine Verantwortung für den Schutz jüdischen Lebens in Deutschland, in Brandenburg.
Es schmerzt mich sehr, wenn ich höre, dass Jüdinnen und Juden auch in Brandenburg von Beleidigungen auf offener Straße berichten, von beschmierten Haustüren oder von Kindern, die Angst haben, zur Schule zu gehen.
Die Zahl antisemitischer Straftaten nimmt immer weiter zu. Laut Landeskriminalamt lagen bis zum 30. Oktober diesen Jahres 26 Straftaten vor, die einen möglichen Bezug zu den Ereignissen in Israel seit dem 7. Oktober aufweisen. Es geht um Sachbeschädigungen, pro-palästinensische Graffiti und Volksverhetzungen.
In Fürstenwalde wurde am 11. November ein Schaukasten der Kirche demontiert und ein Solidaritätsaufruf der Jüdischen Gemeinde zu Berlin entfernt. Gegen das Pfarrhaus wurden Steine geworfen. Zu Recht hat unsere Landtagspräsidentin Ulrike Liedke diesen Vorfall verurteilt!
Der Krieg in Israel hat alarmierende Auswirklungen auch auf Deutschland. Es gibt sehr viel Solidarität mit Israel. Es gab und gibt aber in vielen Städten antiisraelische Proteste und Ausschreitungen – bis hin zur Markierung von Häusern mit einem Davidstern.
Das darf es in Deutschland nie wieder geben. Nie wieder!
Und damit meine ich: Nie wieder ist jetzt!
Der Verein „Islamisches Zentrum Fürstenwalde“ wurde vom Brandenburger Verfassungsschutz als gesichert extremistische Bestrebung eingestuft. Die vom Verein betriebene „al-Salam“-Moschee wurde ebenfalls als extremistisches Beobachtungsobjekt eingeordnet.
Am Dienstag tagte in Berlin die Islam-Konferenz. Ich erwarte, dass sich die muslimischen Verbände in Deutschland klar von den Taten der Hamas und von jeder Form des Antisemitismus distanzieren. „Wer hier lebt,“, so sagte es Robert Habeck, „lebt hier nach den Regeln dieses Landes. Und wer hierherkommt, muss wissen, dass das so ist und auch durchgesetzt werden wird.“
Mit Schrecken müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass der Antisemitismus bei uns immer noch weit verbreitet ist. Das betrifft, wie die Leipziger Mitte-Studie gezeigt hat, alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppierungen. Das ist, kann man gar nicht oft genug betonen, völlig inakzeptabel und braucht klare politische Antworten.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir in unserer Verfassung den Kampf gegen Antisemitismus und die Förderung jüdischen Lebens fest verankert haben.
Das bedeutet auch, dass wir die demokratische Bildungsarbeit in unserem Land weiter stärken müssen. Es muss klar sein: Wir treten jeder Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus entschieden entgegen!
Demokratiebildung beginnt schon in der Kita und reicht über die Schulen bis in die Erwachsenenbildung. Die vielen unterschiedlichen Bildungsträger, die Landeszentrale für politische Bildung, das „Tolerante Brandenburg“, das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Rassismus, die Opferperspektive, die regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie, die Partnerschaften für Demokratie, die Fachstellen Antisemitismus und Islam oder die „Respekt Coaches“ leisten hier einen unschätzbaren Beitrag.
Und da im Bund gerade schwierige Haushaltsberatungen stattfinden möchte ich noch einmal in aller Deutlichkeit sagen:
Die Mittel für Demokratieförderung dürfen auf keinen Fall gekürzt werden. Im Gegenteil: Wir müssen sie aufstocken! Es wurden hier seitens einiger AfD Redner auch Vorwürfe laut, die Geflüchteten seien schuld, sie hätten den Antisemitismus nach Deutschland gebracht.
Dazu möchte ich zunächst einmal feststellen. Millionen von Muslim*innen leben friedlich in Deutschland und in Brandenburg, Seite an Seite mit Christ*innen, Jüd*innen oder konfessionslosen Menschen. Es ist hochgradig verantwortungslos, auf diese Weise Hass gegen Zugewanderte und Geflüchtet zu schüren.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schluss kommen.
Wenn wir nicht die Schaffung einer Beauftragtenstelle zur Bekämpfung von Antisemitismus ohnehin schon geplant hätten, wäre spätestens jetzt der Moment zu sagen, das brauchen wir. Ich bin froh, dass der Gesetzentwurf heute in die zweite Lesung geht und dass wir dieser Stelle mit der Ansiedlung am Landtag eine wirklich herausragende Bedeutung geben.
Nach der Anhörung im Hauptausschuss hat es am Gesetzentwurf noch einige Veränderungen gegeben. Vielen Dank an die jüdischen Gemeinden, dass Sie sich so engagiert einbringen! Nun soll die Stelle ausgeschrieben werden, die jüdischen Gemeinden werden dazu angehört.
Vielen Dank auch, dass es gelungen ist, dass wir uns mit SPD, CDU, Linken und den vier Abgeordneten der Freien Wähler gemeinsam auf den Gesetzentwurf und den heutigen Antrag „Antisemitismus entschlossen entgegentreten – Jüdisches Leben in Brandenburg schützen!“ einigen konnten.
Das ist ein klares Signal, dass wir mit allen demokratischen Kräften im Land jeder Form von Antisemitismus in Brandenburg entschlossen entgegentreten.