- Es gilt das gesprochene Wort!
Anrede! Lieber Herr Petke!
Selbst wenn ich in Rechnung stelle, dass Sie und ich Vertreter*innen von Oppositionsfraktionen sind und die Fraktionen von CDU und Bündnis90/Die Grünen in vielen Sachfragen gut zusammenarbeiten, so ist die freundlichste Formulierung, die ich diesem Antrag gegenüber finden kann die, dass ich ihn albern finde. Sie wollen, dass die rot-rote Landesregierung binnen 6 Monaten ein komplettes Alternativkonzept zu ihrem zentralen Vorhaben für die 6. Wahlperiode vorlegt, was auf der kühnen Annahme beruhen soll, Verwaltungsschwäche ließe sich allein durch interkommunale Zusammenarbeit beheben. In Punkt zwei wird vorausgesetzt, dass der Landtag diesen Antrag annimmt, die Landesregierung das Konzept vorlegt, das dann wiederum durch die Landtagsmehrheit bestätigt wird und dann richten wir ein Kompetenzzentrum für die interkommunale Zusammenarbeit vermutlich nach hessischem Vorbild ein. Die Landesregierung wird das alles juristisch ausgestalten und sauber durchrechnen und fertig ist - eins zwei drei – die Reform à la CDU ausgearbeitet durch rot-rot. Sagen Sie mal Herr Petke, sind wir hier im Kindergarten?
Sie legen 10 Tage nach Start der Volksinitiative hier die drei Forderungen - Aufhebung des Leitbildbeschluss, Bewahrung aller Kreise und Kreisfreien Städte, Konzept für interkommunale Zusammenarbeit – als parlamentarischen Antrag vor, kurze Zeit nachdem das Parlament eine Ihnen missliebige Mehrheitsentscheidung getroffen hat. Wo waren Sie, als es am 13. Juli dieses Jahres darum ging, Alternativen oder zumindest Änderungen zum Leitbild zur Abstimmung zu stellen? Wieso fordern Sie als eine Volkspartei mit Gestaltungsanspruch 4 Monate später die Landesregierung auf, Ihnen die Oppositionsarbeit abzunehmen? Wieso warten Sie es noch nicht einmal ab, bis die Volksgesetzgebung die erste Hürde übersprungen hat und das Anliegen hier erneut parlamentarisch beraten werden wird?
Ich kann Ihnen versichern, dass auch wir erhebliche Kritik am Vorgehen von Rot-Rot bei der Verwaltungsstrukturreform haben - aktuell werden die Vorschläge zum Kreiszuschnitt im Süden des Landes von uns abgelehnt und auch bei Teilen der Funktionalreform werden wir heftig gegenhalten. Aber wir beauftragen doch nicht die Landesregierung, die grüne Kritik zu qualifizieren!
Aber jetzt wollen wir mal einen Blick auf die interkommunale Zusammenarbeit werfen. Wenn ich mir die beschriebenen Segnungen aus ihrer Begründung anschaue, dann frage ich mich, wieso in den ostdeutschen Ländern Hundertschaften von Politikern und Verwaltungsfachleuten einschließlich christdemokratisch geführter Landesregierungen dies nicht beherzigt haben? Warum haben die horizontalen und vertikalen Kooperationen zwischen Ämtern, Gemeinden, kreisfreien Städten und Landkreisen dann nicht die zahlreichen Strukturreformen ersetzt, die wir nach der Wende hatten? Hat Schönbohm geschlafen?
Die Enquete 5/2 ist in ihrem Abschlussbericht darauf eingegangen, dass interkommunale Kooperationen nach dem Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit in Form von Zweckverbänden oder öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen probate und die Kommunalisierung ergänzende Mittel sind, kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Aufgabenverlagerung und Kooperationen können helfen, temporär Verwaltungsschwäche zu überbrücken, sie aber nicht dauerhaft beheben. Sie haben Grenzen, zumal wenn sie sich auf jeweils einzelne Aufgaben mit jeweils anderen Partnern beziehen. Es gibt dann verschiedene Zweckverbände, ein paar Gemeinschaftsunternehmen, oder auch ein gemeinsames Verwaltungsamt. Je mehr das wird, desto weniger ist das für Bürger*innen durchschaubar. Mit dem Prinzip der Einräumigkeit von Verwaltung hat das dann nichts mehr zu tun. Diese Kooperationen sind auch nicht zwangsläufig stabil und nachhaltig, sondern hängen oft von der Chemie der beteiligten Hauptverwaltungsbeamten ab. Die Meinungsbildung in den Entscheidungsgremien ist mit Problemen behaftet, sie werden meist nicht direkt gewählt, tagen nichtöffentlich und sie unterliegen keiner Kontrolle durch die demokratisch gewählten Vertretungen. Wie häufig werden Zweckverbände gerade aus ihren Kreisen, Herr Vida, wegen realer oder vermeintlicher Intransparenz kritisiert.
Ziel der Enquetekommission war es doch gerade, durch institutionalisierte Kooperationen mit größerer Verwaltungskraft die nicht hinreichend demokratisch legitimierten Zweckverbände überflüssig zu machen. Dass jetzt durch Zweckverbände oder Verwaltungsverbände ein demokratischer Bedeutungsverlust der kommunalen Ebene vermieden werden soll, ist völlig unverständlich! Kommunale Kooperationen führen eher zur Einschränkung der kommunalen Selbstverwaltung und leiden an einem Demokratiedefizit. Das Gegenteil ist also der Fall: aus Angst vor Neugliederungen nehmen Sie schwere demokratische Legitimationsprobleme der Hilfskonstrukte in Kauf!
Es wird an der Verwaltungsstrukturreform oft hart kritisiert, dass die Einsparpotentiale und Fusionsrenditen nicht exakt berechnet werden können. In der Tat sind uns derartige Versuche in der Enquetekommission nicht gelungen, weil im Zeitverlauf keine vergleichbaren Entitäten mehr zu identifizieren waren. Zu verschieden waren die Aufgabenwahrnehmungen, zuviel war neu strukturiert worden. Dass Sie jetzt unbewiesen behaupten, gerade bei den Kooperationen seien fiskalische Einsparpotentiale und erhebliche Effizienzressourcen vorhanden, finde ich – sagen wir mal – mutig.
Unrühmliches Beispiel fehlender Stabilität ist Havelbus, der Verkehrsverbund der Landkreise Havelland und Potsdam-Mittelmark, der mühsam entflochten werden musste. Dass die ambitionierten Bemühungen um freiwillige Verwaltungskooperation zwischen der kreisfreien Stadt Cottbus und dem Landkreis Spree-Neiße sich bisher fast alle zerschlagen haben, spricht auch Bände!
Zum Schluss noch ein Wort zur überstrapazierten regionalen Identität. Ich habe im Frühjahr 2014 in einer Rede mal zu Herrn Wichmann gesagt, dass ich das Falkenseer Tiefbauamt noch nie als sonderlich identitätsstiftend empfunden habe. Auch Landkreise stiften kaum Identität. Bitte denken Sie daran, dass wir Verwaltungsstrukturen ertüchtigen wollen.
Bündnis 90/Die Grünen unterstützen aus guten Gründen nicht die Volksinitiative. Trotz erheblicher Kritik an der Ausgestaltung der Reform: Der vorliegende Antrag ist eine problematische Werbekampagne für die Volksinitiative und entspricht nicht unserem Verständnis von demokratisch legitimierten kommunalen Strukturen. Wir lehnen ab!