Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Ursula Nonnemacher spricht zum Doppelhaushalt (Einzelplan Innenpolitik und Kommunales)

>> Änderungsantrag zum Haushalt: Einrichtung einer Polizeibeschwerdestelle (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Die Haushaltsberatungen zum Doppelhaushalt 2017/18 unterscheiden sich von denen, die ich bisher erleben durfte, doch beträchtlich. Die Einnahmesituation des Landes ist gut, die Steuereinnahmen sind kontinuierlich steigend, die Arbeitslosigkeit ist auf einem Tiefstand seit Bestehen des Landes Brandenburg und die allgemeine Rücklage ist mit 1,148 Milliarden Euro zum Jahresende 2015 ebenfalls auf Rekordniveau. Dies ist erst mal eine komfortable Situation für die rot-rote Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen. So fällt auf, dass die Koalitionsfraktionen dieses Mal selber sehr viele Änderungsanträge zum Haushalt gestellt haben. Während es sonst üblich war, dass das Regierungslager sich mehr oder minder desinteressiert anhörte, wie sich die Opposition um Zustimmung zu ihren Haushaltsanträgen abmühte, um diese dann allesamt zu versenken, gab es in diesem Herbst erstmals Diskussionen, weil zu einem Haushaltstitel eine Vielzahl von konkurrierenden Anträgen vorlag. Dass bei guter Kassenlage die Wohltaten der Aufstockung vieler Haushaltstitel zugunsten der Fraktionen von SPD und LINKEN gebucht werden, liegt einerseits an der gewünschten politischen Profilierung, andererseits daran, dass manche Posten bei der Aufstellung des Haushaltsgesetzentwurfes noch nicht entscheidungsreif waren, z.B. bei den Anschließerbeiträgen.

Gleichzeitig mahnt uns der Landesrechnungshof, dass das Zeitfenster für die Reduzierung struktureller Haushaltsdefizite bis zum Greifen der Schuldenbremse immer enger wird. Dies ist für einen EP, der einen großen Personalkörper mit hohem Beamtenanteil enthält, eine erhebliche Herausforderung, zumal der Anteil der Versorgungsbezüge an den Personalaufgaben ständig steigt und sich von 2010 bis 2015 bereits verdoppelt hat: von 32 auf 67 Mio. Euro.

Finanzminister Görke hat dargelegt, dass dieser Haushalt für einen Gleichklang aus sozialer und innerer Sicherheit stehe. Schauen wir uns also die Innere Sicherheit mal an:

Während Innenminister Speer 2010 noch die abstruse Zielzahl von 7000 Polizeibeamten vor Augen hatte, sieht die Personalbedarfsplanung der Landesregierung heute 8.200 Beamtinnen und Beamte für das Jahr 2020 vor. Den drastischen Personalabbau, der sich nicht auf eine Aufgabenkritik stützte, hatten wir damals scharf kritisiert. 2014 einigte sich die Regierung dann auf 7.800 Stellen. Die Zahl aus dem Koalitionsvertrag ist längst überholt, selbst die ursprünglich von der CDU geforderten 8000 Polizeibeamten sind nicht mehr aktuell. 2015 kam die Evaluierungsgruppe der Polizeistrukturreform zu dem Ergebnis, dass das Land mindestens 8216 Polizeibeamtinnen und -beamte benötige. Die Grundannahme, die Kriminalität gehe demographisch bedingt zurück, hatte sich nicht bestätigt. Nicht berücksichtigt im Evaluationsbericht war aber die veränderte Bedrohungslage aufgrund eines Anstieges politisch motivierter Straftaten- insbesondere rechter Gewaltdelikte, aufgrund zahlreicher Anti-Asyl-Demonstrationen sowie der Gefahr des islamistischen Terrorismus. Wir hatten daher bereits im Nachtragshaushalt 2016 die Streichung von 100 kw-Vermerken und damit einen Stopp des weiteren Personalabbaus im Polizeipräsidium gefordert. Dem hat die Landesregierung im aktuellen Haushaltsgesetz entsprochen, mit der Schaffung zusätzlicher Stellen legte sie sogar noch eins drauf. Die Entwicklung begrüßen wir, da sie den Empfehlungen des Evaluationsberichtes näherkommt. Auch dem Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zur Schaffung von 50 weiteren Stellen im Polizeipräsidium habe ich im Ausschuss zugestimmt. Weitere Anpassungen müssen je nach Lage und Bedarf erfolgen.

Viel entscheidender als eine auf den Kopf genaue Zielzahl ist aber die Frage, wo das ausgebildete Personal herkommen soll. Wir haben daher einen Änderungsantrag eingebracht, mit dem wir die Ausbildung von 375 Polizeianwärterinnen und -anwärtern jährlich an der Fachhochschule der Polizei beantragen (pdf-Datei). Den Ansatz der Koalitionsfraktionen mit lediglich 350 Anwärter-Stellen halte ich für zu zaghaft. Während meiner Sommertour konnte ich mich bei einem Besuch der Fachhochschule der Polizei in Oranienburg davon überzeugen, dass die dortigen Kapazitäten ggf. durch Umschichtungen von Fort- und Weiterbildungen in die Polizeidirektionen noch stärker genutzt werden könnten. Hier hätte die Landesregierung früher handeln müssen und sowohl AnwärterInnen-Stellen als auch Raumkapazitäten und Lehrpersonal zügiger ausweiten müssen. Ein schnelleres Handeln hätte ich mir auch gewünscht bei dem Angebot an die Beamtinnen und Beamten, ihre Lebensarbeitszeit freiwillig zu verlängern. So wären uns wahrscheinlich einige gut ausgebildete und erfahrene Fachkräfte im Dienst erhalten geblieben. Nicht zu unterschätzen ist zudem die Frage der Zufriedenheit der Bediensteten, die nicht nur mit einem guten Gesundheitsmanagement, sondern auch mit einer modernen Führungskultur einhergeht. Der Bericht der Untersuchungskommission Anfang des Jahres zur Aufarbeitung der Missstände in der „Soko- Imker“, die zum Maskenmann-Fall ermittelte, hat schwere Defizite in der Kommunikation und in der Führungskultur einzelner leitender Beamter zu Tage gebracht. Wir Bündnisgrüne fordern daher mit unserem Haushaltsänderungsantrag einen unabhängigen Polizeibeauftragten, der nicht nur für Beschwerden von Externen zuständig ist, sondern auch Anlaufstelle für interne Probleme der Beamtinnen und Beamten ist.

Auch beim Verfassungsschutz sind in der jüngsten Vergangenheit personelle Engpässe deutlich geworden. Wir Bündnisgrünen wünschen uns grundsätzlich eine Neuausrichtung der Arbeit des Verfassungsschutzes, sehen aber angesichts des enormen Anstiegs extremistischer Bestrebungen den akuten Bedarf an Personal. Dem Antrag der Koalitionsfraktionen, der einen Stopp des Personalabbaus im Verfassungsschutz durch die Streichung von 10 kw-Vermerken vorsieht, haben wir daher zugestimmt.

Ebenso haben die Anträge zur Stärkung des Katastrophenschutzes und zur Attraktivitätssteigerung der Tätigkeit als Lehrkraft an der Landesschule und Technischen Einrichtung für Brand- und Katastrophenschutz unsere Zustimmung erhalten.

Auch die Bewilligung von weiteren 23 Millionen Euro für den Bereich der Erstaufnahme aufgrund vertraglicher Bindungen und verbesserter Standards für Flüchtlinge tragen wir mit. Wobei die Vertragsgestaltungen mit dem DRK alles andere als ein Ruhmesblatt für das MIK war. Dass im Gegenzug den Kommunen, die aufgrund zurückgehender Flüchtlingszahlen, leerer Unterkünfte und langfristig abgeschlossener Verträge ähnliche finanzielle Schwierigkeiten haben, nur 11 Millionen Euro zur Verfügung gestellt wird, kann man jedoch kritisch hinterfragen.

Viel beschäftigt haben den AIK in diesem Jahr die Folgen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur rückwirkenden Festsetzung von Kanalanschlussbeiträgen. Dazu wurden mehrere Gutachten durch den Parlamentarischen Beratungsdienst und Herrn Prof. Brüning von der Universität Kiel vorgelegt, die im Kern zu der Aussage kamen, dass nur die nicht bestandskräftigen Bescheide zurückerstattet werden müssen und zwar von den kommunalen Aufgabenträgern. Diejenigen, die Widerspruch eingelegt oder die durch Anträge auf Stundung oder Ratenzahlung die Beiträge noch nicht vollständig bezahlt haben, sind die Nutznießer. Die Frage nach dem Gerechtigkeitsproblem, dass die ehrlichen Zahler bestandskräftiger Bescheide nicht generell, sondern nur nach Vermögen ihrer zuständigen Aufgabenträger in den Genuss der Rückerstattung kommen, hat uns alle lange bewegt. Es bleibt die schwierige Erkenntnis, dass einerseits das Institut der Bestandskraft auch ein hohes Rechtsgut ist, andererseits durch eine generelle Rückzahlung mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag neue Gerechtigkeitslücken aufgerissen würden. Die kommunale Familie hat bei dem Vorschlag einer Finanzhilfe durch §16 FAG auch gleich entschieden abgewinkt: Die Belastung der Nichtbetroffenen, die beispielsweise schon vor Jahren auf eine alleinige Gebührenfinanzierung mit all ihren Problemen umgestellt haben, würde neue Schieflagen provozieren. Die vorliegenden Haushaltsanträge von den Koalitionsfraktionen und der CDU mit Hilfen für Verwaltungs- und Rechtsverfolgungskosten, Kosten für die Aufnahme von Krediten oder Investitionskosten liegen eigentlich mit zweimal 25 Millionen Euro plus weiteren 25 Millionen Verpflichtungsermächtigungen versus einmal 50 Millionen € nahe beieinander. Nur versucht die CDU, den Anschein zu erwecken, dass mit dieser Summe auch eine Hilfe bei der Rückerstattung bestandskräftiger Bescheide zu finanzieren sei. Auch eine Verdoppelung des Rahmens für Kredite, die kaum jemand in Anspruch nehmen wird, wird da nicht helfen. Wir begrüßen es, dass durch die Änderungsanträge zum EP 20 notleidenden Aufgabenträgern jetzt endlich Unterstützung gewährt wird.

Es gilt darauf zu achten, dass sich Kommunen oder Aufgabenträger durch die Rückerstattung bestandskräftiger Bescheide nicht in eine anderweitige Verschuldungssituation begeben, während andere zu unpopulären Lösungen stehen müssen, weil sie die Finanzlage im Blick behalten.

Die anstehende Verwaltungsstrukturreform beschäftigt zwar uns Innen- und Kommunalpolitiker ständig, aus haushaltärischer Sicht wird sie aber weiterhin kaum abgebildet. Zwar werden in der Personalbedarfsplanung die im Rahmen des zu erwartenden Funktionalreformgesetzes geplanten Kommunalisierungen von Stellen vermerkt, ansonsten wird die Reform in der mittelfristigen Finanzplanung aber völlig ignoriert. Dies wird auch vom Landesrechnungshof in Hinblick auf das zu erwartende strukturelle Haushaltsdefizit in den Jahren 2019 und 2020 kritisiert. Die fehlende Darstellung ist umso unverständlicher, als ja die Landesregierung vom Landtag beauftragt wurde intensiv zu prüfen, inwieweit der Landesanteil an der Teilentschuldung nicht schon 2019 in Gänze wirksam werden kann.

Ein urgrünes Anliegen ist seit jeher der Datenschutz und das Recht auf Informationsfreiheit. Dem werden wir auch übermorgen mit unserem Entschließungsantrag zur Einführung eines modernen Transparenzgesetzes in Brandenburg Rechnung tragen. Wir bedauern, dass die Landesregierung für so notwendige Projekte wie eine e-government- und open-data-Strategie nicht mehr Mittel im Haushalt zur Verfügung stellt. Für die Erfordernisse der neuen europäischen Datenschutzgrundverordnung, die wir sehr begrüßen, hatte die Behörde der LDA im EP 01 einen Stellenaufwuchs in nicht unerheblichem Umfang beantragt. Ich freue mich sehr, dass es in diesem Bereich zu einem vertretbaren Kompromiss gekommen ist und in den Haushaltsjahren 2017/18 zumindest 8 Stellen vorgesehen sind. Inwieweit dies den erheblich gesteigerten Anforderungen gerecht wird, muss sich zeigen.

Es gibt Licht und Schatten in diesem Einzelplan. In der Gesamtabwägung lehnen wir ab.

>> Änderungsantrag zum Haushalt: Einrichtung einer Polizeibeschwerdestelle (pdf-Datei)

Der Änderungsantrag wurde abgelehnt.