- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, liebe Gäste,
trinken Sie Ihren Kaffee schwarz oder mit Milch? Und wenn mit Milch, mit wie viel Milch? Und ist es wirklich Milch, also die von der Kuh, oder ist es pflanzliche Milch?
Bei einem Coffee-to-go ist das alles wichtig, um zu wissen, wie viel Mehrwertsteuer da berechnet werden muss. Kaffee gehört nämlich nicht zu den Grundnahrungsmitteln – also bei mir schon, nicht aber im Gesetz – Milch aber schon. Deshalb entfallen auf den jüngst eingewanderten Latte Maccchiato nur 7%, für den schon länger hier heimischen Filterkaffee werden dagegen 19% fällig. Es sei denn, die Milch ist Soja-Milch, dann kostet auch der Latte 19%. Vielleicht kostet pflanzliche Milch ja auch deshalb manchmal einen Aufschlag.
Diese Regelungen stammen natürlich aus einer Zeit, als noch niemand auf die Idee gekommen war, aus diversen pflanzlichen Erzeugnissen milchige Flüssigkeiten herzustellen und vor der Immigration des Latte Macchiato. Aber sie zeigen, wie renovierungsbedürftig das Umsatzsteuergesetz ist.
Auch die Gastronomie war bis zum 1. Juli 2020 von einer unverständlichen Ungleichheit betroffen: Während Essen, was von einem Restaurant geliefert wurde bzw. dort abgeholt wurde, mit 7% besteuert wurde, musste für ein im Restaurant bestelltes Essen 19% Umsatzsteuer berechnet werden. Wenn wir mal davon ausgehen, dass Steuern nicht nur der Einnahmenbeschaffung des Staates dienen, sondern auch Verhalten „steuern“ sollen, so handelt es sich bei der Begünstigung von geliefertem Essen definitiv um eine Fehlsteuerung. Ich denke, wir alle wollen eher, dass Leute in die Gaststätten gehen, dass sie sich dort treffen, dort feiern und so weiter. Restaurantkultur ist Lebensqualität.
Deshalb war es auch in dieser Hinsicht gut, dass als Kompensation der Corona-bedingten Einschränkungen der Mehrwertsteuersatz für Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen befristet abgesenkt wurde. Damit wurde übrigens auch die Gemeinschaftsverpflegung in Kitas, Schulen und sozialen Einrichtungen billiger. Und das war auch wichtig zu der Zeit. Die Absenkung wurde jetzt schon zweimal verlängert, ohne jedoch die systematischen Probleme anzugehen. Das muss aus unserer Sicht jetzt dringend in Angriff genommen werden. Um es mal so zu sagen: Seit Jahrzehnten wird an dieser Steuer immer wieder herumgefrickelt, sie gehört aber endlich vom Kopf auf die Füße gestellt.
Deshalb wollen wir auch nicht auf eine dauerhafte Verlängerung der Absenkung orientieren. Man muss sich nämlich auch fragen, wofür der ermäßigte Steuersatz eigentlich gedacht war. Der ermäßigte Steuersatz hat ja eigentlich eine sozialpolitische Begründung, er sollte nämlich den Grundbedarf eines Menschen billiger machen. Dazu gehören neben Lebensmitteln, Futtermitteln und Wohnungsmieten unter anderem auch Tickets für Theater, Konzerte und Museen und Zeitungen. Finde ich übrigens richtig, Kultur und bezahlten Qualitätsjournalismus als Grundbedarf eines Menschen zu bezeichnen! Auch Hygieneprodukte gehören dazu, warum allerdings Wegwerfwindeln nicht zum Grundbedarf gehören, frage ich mich. Antwort: Es gab sie 1968 bei der Einführung der Mehrwertsteuer in Deutschland noch nicht.
Ein einfaches Auslaufen der Mehrwertsteuerermäßigung für Restaurantdienstleistungen würde die Gastronomie zur Unzeit massiv belasten, daher treten wir für eine weitere, auf 2 Jahre befristete Verlängerung der Absenkung ein. Aus unserer Sicht muss der Bund diese Zeit nutzen, die Regelungen zum ermäßigten Steuersatz vom Kopf auf die Füße zu stellen. Ob er dann Restaurantdienstleistungen als Grundbedarf einstuft und ob er neben Sozialpolitik auch Strukturpolitik mit der Umsatzsteuer erreichen will, muss der Bund entscheiden. Für die Gastronomie in Ostdeutschland wäre zunächst einmal eine Absenkung der unfairen Netzentgelte beim Strom eine wichtige Entlastung, an der der Bund ja auch arbeitet.
Übrigens meint auch der Bundesrechnungshof in seinem Bericht vom 13. Dezember des vergangenen Jahres, die „Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes (sei) lange überfällig“. Er stellt fest, dass das Volumen der Steuerermäßigungen stetig wächst und fordert eine Überprüfung des Katalogs der ermäßigt besteuerten Leistungen. Ich zitiere aus dem Bericht des Bundesrechnungshofs: „Eine Reform des ermäßigten Umsatzsteuersatzes sollte die Ergebnisse wissenschaftlicher Studien zugrunde legen. Aktuelle Evaluierungen sind längst überfällig. Sinnvoll erscheint insbesondere eine Ausnahmenbeschränkung auf den Bereich der Grundversorgung. Die Bundesregierung sollte – im Rahmen der dringend nötigen Reform – darauf achten, keine Klientelpolitik zu betreiben und einzelne Interessengruppen zulasten der Allgemeinheit zu bevorzugen.“
Da hat der Bund also eine große Aufgabe vor der Brust, dort müssen dann gute und vor allem sozial ausgewogene Lösungen gefunden werden.
Meine Damen und Herren, bis Weihnachten ist es ja noch ein wenig hin, aber die ersten Lebkuchen liegen ja schon in den Regalen. Wenn Sie dann später Weihnachtsschmuck aus Tannenzweigen kaufen, denken Sie daran, dass auf frische Tannenzweige nur 7% Mehrwertsteuer entfallen. Handelt es sich dagegen um getrocknete Zweige, so schlagen diese mit 19% zu Buche. Die Regeln zum ermäßigten Mehrwertsteuersatz müssen insgesamt auf den Prüfstand. Und bis es hier zu Regelungen kommt, die man auch versteht, treten wir für eine Verlängerung des abgesenkten Satzes für Restaurantdienstleistungen ein.
Ich bitte um Zustimmung zum geeinten Antrag der fünf Fraktionen.
Vielen Dank