- Es gilt das gesprochene Wort !
Anrede!
Aktuelle Stunden können eine Sternstunde des Parlamentes sein, wenn sie zu brennenden Problemen den Austausch neuer Argumente provozieren und zur politischen Standortbestimmung beitragen. Aktuelle Stunden können aber auch sehr ermüdend sein, wenn Sachlage und Argumente sattsam bekannt und mehr die Disziplin des Schaulaufens gefordert ist. Letzteres scheint mir heute der Fall zu sein.
Das Bundeskabinett hat am 25. Mai 2011 den Gesetzentwurf zur „Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt" beschlossen. Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, im Rahmen der Evaluationsforschung zu den Hartz-Gesetzen die Effektivität und Effizienz der Arbeitsmarktpolitik zu erhöhen. Der Referentenentwurf zum Gesetzentwurf und ein Eckpunktepapier sind schon deutlich länger bekannt und der Landtag hat in seiner 36. und in seiner 39. Sitzung bereits ausführlich über die Instrumentenreform diskutiert.
Obwohl die Positionen hier mehrfach ausgetauscht wurden, fasse ich den Standpunkt unserer Fraktion nochmals zusammen:
- die Instrumentenreform möchte durch Reduzierung der Zahl der Instrumente, die Neuordnung der öffentlich geförderten Beschäftigung und Neugliederung des SGB III mehr Dezentralität, Flexibilität, Individualität, Qualität und Transparenz erreichen. Zudem ist eine Änderung des Dienstrechts der Bundesagentur für Arbeit geplant. Die Intention ist erst einmal nicht falsch, manche an Evaluationen ausgerichtete Maßnahmen erscheinen durchaus sinnvoll
- die Reduzierung des Instrumentariums von 42 auf 31 Maßnahmen mit dem Ziel, die Arbeitsförderung klarer zu strukturieren, ist prinzipiell richtig.
- Wir kritisieren, dass die ausgeprägten Kürzungen von 7,8 Milliarden Euro bis 2015 sich vorwiegend an haushaltärischen Gesichtspunkten weniger an den Erfordernissen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik orientieren
- Wir kritisieren, dass Langzeitarbeitslose mit multiplen Vermittlungshindernissen nicht ausreichend berücksichtigt werden
- Wir bemängeln insbesondere die extrem drastischen Kürzungen beim Gründungszuschuss, einem Instrument, dem laut dem „Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung" eine hohe Wirksamkeit zukommt. Die Umwandlung in eine Ermessensleistung ist nicht nachvollziehbar, auch nach 5 Jahren sind noch 55-70% der Geförderten selbstständig tätig und schaffen sogar weitere sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Dass bis 2015 5 Milliarden bei einem nachgewiesen wirksamen Instrument eingespart werden soll, ist nur dem Diktat der Sparzwänge zuzuschreiben
- Auch die Mittelkürzungen für Qualifizierung und Aus- und Weiterbildung gerade von Langzeitarbeitslosen oder Geringqualifizierten kritisieren wir stark
- zum öffentlich geförderten Beschäftigungssektor, dem sog. Sozialen Arbeitsmarkt, haben wir weiterhin eine sehr kritische Haltung. Auch wenn uns Kollege Dr. Bernig oder Herr Minister Baaske immer mal wieder mit Zitaten der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion konfrontieren: Wir kennen die Beschlusslage und gönnen uns trotzdem die föderale Freiheit, den ÖBS wesentlich kritischer zu beurteilen. Wir sind nicht gänzlich dagegen, aber die Probleme der hohen Kosten bei nachgewiesener Ineffektivität, der prinzipiellen Problematik der Vernichtung sozialversicherungspflichtiger Arbeit bei Arbeitsplatznähe, der Mitnahmeeffekte und der Gerechtigkeitsproblematik zum Niedriglohnsektor bestärken uns in unserer kritischen Haltung.
Ja, die Integration von Langzeitarbeitslosen mit multiplen Vermittlungshindernissen in einer Gruppe mit gemeinsamer sinnstiftender sozialer Arbeit ist ein Wert an sich! Sie ist der Isolation mit Gefahr von Depression und Suchterkrankung deutlich vorzuziehen. Sie dient der sozialen Stabilisierung und Integration. Bei sprudelnden Haushaltsmitteln wäre ÖBS für uns kein Thema!
Wir müssen aber in der Politik zu einer Kultur der Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit kommen. Bei der dringenden Notwendigkeit von Haushaltskonsolidierung und Schuldentilgung muss jeder verausgabte Euro auf den Prüfstand und maximalen Benefit für unsere Gesellschaft erbringen. Wir bekennen uns als grüne Landtagsfraktion weiterhin zur Priorisierung der Bildungsausgaben. Investitionen in frühe Hilfen, in frühkindliche Bildung, in gute schulische Ausbildung und Ausbildungsfähigkeit zahlen sich im Sinne des vorsorgenden Sozialstaates am meisten aus. Wir bekennen uns zur Haushaltskonsolidierung mit echter Schwerpunktsetzung bei Bildung und Wissenschaft.