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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde „Mindestlohn Jetzt!“

- Es gilt das gesprochene Wort !

Die meisten von uns werden sich an die denkwürdige Elephantenrunde am Wahlabend des 18. September 2005 erinnern, als ein überdrehter Gerhard Schröder trotz Wahlniederlage die Kanzlerschaft beanspruchte und der perplexen Angela Merkel indirekt bedeutete, sie könne das nicht.

Sechs Jahre später ist klar: die Kanzlerin hat sich als ausgesprochen robust erwiesen. Mit ihrem gut gepflegten Image der unaufgeregten und vernünftigen schwäbischen oder mecklenburgischen Hausfrau hat sie alle Stürme überstanden und viel Macht erworben. In ihrer eigenen Partei hat sie fast alle potentiellen Konkurrenten weggelobt, entnervt zur Aufgabe veranlasst oder dauerintegriert. Sie hat zwei katastrophale Jahre schwarz-gelb überlebt und dabei eine Menge ideologischen Ballast über Bord geworfen, der ehemals zur Grundausstattung ihrer Partei gehörte: das traditionelle Familienbild mit der Hausfrau am Herd, die Hauptschule und damit das dreigliedrige Schulsystem, die Wehrpflicht, Ablehnung der Finanztransaktionssteuer und die Atomenergie. Bei allen Schwenks befand sie sich im Einklang mit der Mehrheit der Bevölkerung. Frau Merkel wird über kurz oder lang auch den Mindestlohn einführen.

Warum sorgt sich die Bundeskanzlerin plötzlich um die „Würde der Arbeit" und will „Gerechtigkeitslücken" schließen? Während der greise Helmut Schmidt Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten salbt, versucht sich Angela Merkel an der Rettung der Eurozone. In Zeiten, wo über Schutzschirme verhandelt wird, die auf Billionenbeträge aufgehebelt werden können und mal eben 55 Milliarden Euro vom Finanzminister übersehen werden, ist es angebracht, sich keine offene Flanke zu geben. Die Wut und Enttäuschung der Menschen über die Unsummen, die zur Stabilisierung abstrakter internationaler Finanzbeziehungen investiert werden sollen, brauchen einen Ausgleich. Dass viele Menschen in prekären Verhältnissen leben, ihre Löhne nicht existenzsichernd sind und Altersarmut droht, wissen wir seit langem. Der Schwenk kommt aber jetzt und das ist kein Zufall. Die Bundeskanzlerin will nicht ihre Partei sozialdemokratisieren, sondern sie will ihr die Macht erhalten.

In Brandenburg erhalten etwa 70.000 Frauen und Männer trotz Berufstätigkeit aufstockende Leistungen, - meistens wegen geringer Entlohnung. Jede dritte Frau verdiente 2010 ein Gehalt unter der Niedriglohnschwelle.

Der Anteil der Menschen, die trotz Arbeit nur einen Niedriglohn verdienen, steigt rapide an und liegt inzwischen bei über 22 Prozent aller Vollzeitbeschäftigten - das sind bundesweit 4,6 Millionen Menschen. Für die Aufstockung werden bundesweit jährlich 11 Milliarden Steuergelder eingesetzt. Es ist skandalös zu nennen, dass mit öffentlichen Mitteln profitable Dumpingstrategien von Unternehmen subventioniert werden.

Weiterhin ist skandalös zu nennen, das Menschen acht Stunden am Tag arbeiten und dennoch nicht den Lebensunterhalt für sich und ihre Familien bestreiten können. Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) waren im Jahr 2009 7,5 Prozent oder 2.910.000 Mio. Erwerbstätige armutsgefährdet. Das Gehalt im Niedriglohnsektor reicht nicht aus, wenn eine ganze Familie davon leben soll, auch nicht mit dem jetzt diskutierten Mindestlohn. Mehr als drei Viertel der vollberufstätigen AufstockerInnen haben eine Familie zu versorgen!

Männer und vor allem Frauen, denn sie sind mehrheitlich in geringfügiger Beschäftigung, müssen mit den Folgen im Alltag klarkommen. Klarkommen damit, dass sie häufig ohne nennenswerte Rentenansprüche einer vorprogrammierten Altersarmut entgegengehen.

So verdienen z. B. gelernte (!) Friseure im ersten Berufsjahr noch nicht mal vier Euro die Stunde. Mehr als eine Million ArbeitnehmerInnen werden mit einem Stundenlohn unter 5 Euro abgespeist. Aber selbst bei einem Brutto- Stundenlohn von 7,50 Euro – was ja durchaus den angedachten Mindestlöhnen entspricht, würde die FriseurIn als Rentnerin nach 45 Beitragsjahren lediglich eine Rentenhöhe von 535,-- Euro bekommen.

Erst bei einem Brutto-Stundenlohn von 9,47 Euro bekäme sie nach 45 Beitragsjahren 676,-- Euro, was der gegenwärtigen Höhe der Grundsicherung im Alter entspricht. Solche Löhne sind menschenunwürdig, wenn davon keine Familie ernährt bzw. sich noch nicht mal eine Person selbst, ohne staatliche Aufstockung, durchbringen kann. Solche Zustände gefährden den Zusammenhalt unserer Gesellschaft.

Deshalb fordern wir GRÜNE seit langem einen allgemein gültigen Mindestlohn, der in gar keinem Fall unterschritten werden darf, und darüber deutlich hinausgehende Branchenmindestlöhne. Zur Einführung schlagen wir eine Mindestlohnkommission nach britischem Vorbild vor.

Noch lautet die Sprachregelung bei der CDU, man wolle „Lohnuntergrenzen" und keinen „politischen" Mindestlohn. Wir brauchen keine Placebos und keine Wahlkampftaktik! Wir brauchen einen wirksamen flächendeckenden Mindetlohn! 91% der Deutschen und 84% der CDU Anhänger wollen ihn. Er ist längst überfällig.