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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde "Wer Armut verhindern will, sagt ja zum Mindestlohn!"

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Die SPD Fraktion hat bereits im November 2011 die in der CDU aufkommende „Lohnuntergrenzendebatte“ zum Anlass genommen, eine aktuelle Stunde unter dem Motto „Mindestlohn jetzt!“ durchzuführen. Nun nimmt die SPD Fraktion die am Freitag leider vorerst gescheiterte Bundesratsinitiative des Landes Thüringen zum Anlass, das Thema Mindestlohn erneut auf die Tagesordnung zu setzen. Wir sagen dazu: gut so!, denn es hat weiterhin hoher Relevanz. Die neuesten Zahlen des Statistischen Bundesamtes von September 2012 zum Niedriglohnsektor, die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit und die Untersuchungen von Wirtschaftsforschungsinstituten bestätigen: die Ausweitung des Niedriglohnsektors setzt sich weiter kontinuierlich fort. Auch der Entwurf des Vierten Armuts- und Reichtumsbericht bietet viel Material zum Thema Einkommensarmut! Mehr als jeder fünfte Deutsche arbeitet mittlerweile unterhalb der Niedriglohnschwelle, die aktuell bei 10,36 Euro pro Stunde liegt. Damit sind bundesweit mehr als 6,5 Millionen Menschen im Niedriglohnsektor tätig, davon 4,6 Millionen mit Vollzeitbeschäftigung.
2008 verdienten 1,2 Millionen weniger als 5 Euro Bruttostundenlohn, etwa 5 Millionen weniger als acht Euro. Der Anteil derjenigen, die unter 8 bzw. 8,50 Euro verdienen, liegt in Ostdeutschland doppelt so hoch wie im Westen. Hauptgrund für diese Entwicklung ist die prekäre Beschäftigung: 68% der LeiharbeiterInnen und über 84% der MinijobberInnen beziehen Niedriglöhne.
Die immer stärkere Ungleichverteilung der privaten Vermögen in Deutschland wird begleitet von einer immer weiter auseinanderdriftenden Einkommensentwicklung. Seit dem Beginn der letzten Dekade sind die Löhne deutscher ArbeitnehmerInnen kaum gestiegen, die Schere zwischen großen und kleinen Einkommen öffnet sich immer mehr. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sank die Lohnquote um 5%. Das Einkommen des reichsten Zehntels in unserer Gesellschaft stieg um knapp 17%, das des ärmsten Zehntels sank um 10%. Das offenbart nicht nur ein dramatisches Gerechtigkeitsproblem in unserer Gesellschaft, Ökonomen befürchten durch die Polarisierung der Einkommensentwicklung eine Destabilisierung unserer Wirtschaft. Wenn der Chef von McKinsey Frank Matern am 22.9. auf Spiegel online höhere Löhne in Deutschland fordert, dann sollte doch selbst bei der FDP mal der Wecker klingeln!

Wir GRÜNEN stehen zu einem verbindlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50€ und wollen die Einführung von branchen- und regionalspezifischen Mindestlöhnen, die über dieser allgemeinen Lohnuntergrenze liegen. Wir meinen es ernst mit dem Schutz vor Lohnarmut. Wir warnen allerdings davor, den Mindestlohn als eine Allzweckwaffe der Sozialpolitik zu glorifizieren.
Dass es nicht so einfach ist mit dem Mindestlohn, zeigen die Peinlichkeiten, die sich die rot-rote Landesregierung mit ihrem Vergabegesetz erlaubte. Abgesehen von fehlenden ökologischen und sozialen Kriterien wurde erst auf Druck von Gewerkschaften und Grünen wenigstens 8 Euro Mindestlohn, nicht aber die inzwischen allgemein üblichen und sich an der aktuellen Pfändungsgrenze orientierenden 8,50 Euro aufgenommen. Zudem ist die Umsetzung des Gesetzes in den Kommunen praktisch nicht gegeben; eine arbeitsmarktpolitische Wirkung lässt sich nicht erkennen.
Mindestlohn ist ein wichtiges Element der Armutsprävention, reicht aber allein nicht aus. Auch Mindestlohn verhindert nicht Beschäftigung zu Niedriglohn, wie auch Tarifverträge nicht automatisch einen guten Lohn garantieren. Wir brauchen einen breiten Strauss an Maßnahmen vor allem zur Reduktion prekärer Beschäftigungsverhältnisse und zur besseren Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums.
Dass der Mindestlohn nicht automatisch vor Altersarmut schützt habe ich Ihnen gestern in der Rentendebatte vorgerechnet. Ein Mindestlohn, der bei einem Rentensicherungsniveau von 43% vor Altersarmut schützt, ist politisch und ökonomisch illusorisch. Wer aber nicht mal für armutsfeste Löhne sorgt, braucht über armutsfeste Renten erst gar nicht zu reden!