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Rede im Landtag: Wohnraum im Potsdamer Josephinenstift sichern

Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Mitmenschen in Brandenburg!

An ganz wichtigen Stellen, stelle ich hiermit fest, sind wir uns in der Einschätzung der Situation einig. Und trotzdem, der Satz ist schnell gesagt: Ich kann mir vorstellen, was die Kündigungen für Mieterinnen und Mieter der Josephinen Wohnanlage in Potsdam bedeutet, dass es für sie ein Schock war. - Ist das so? Können wir uns das wirklich vorstellen, was es bedeutet, solch ein Schreiben in den Händen zu halten, obwohl man doch gedacht hatte, eine schöne, bezahlbare Wohnung gefunden zu haben? Vielleicht können wir es uns ein bisschen vorstellen; denn viele Menschen suchen in dieser Stadt bezahlbaren Wohnraum.

Für ältere Menschen aber ist die Suche ungleich schwieriger, denn sie brauchen im Regelfall Barrierefreiheit und suchen auch nach Möglichkeiten, Pflege in der Nähe zu haben. Im Moment glaube ich sogar, ein bisschen zu wissen, wie sich das anfühlt, weil ich selbst Eltern habe, die Mitte 80 sind, die immer selbstbestimmt gelebt haben und das auch weiter wollen, solange es irgend geht. Wenn die solch ein Schreiben bekämen, wären sie fassungslos, und ich wäre natürlich hochgradig empört, denn - und jetzt kommt ein Satz, den der eine oder andere für naiv halten mag; den habe ich noch von meinen Großeltern gelernt, und ich finde ihn nach wie vor richtig -: So was macht man einfach nicht.

Es ist und bleibt empörend, dass ein Unternehmen Menschen, die in ihrem Leben allerhand geleistet und Anspruch auf besondere Wertschätzung haben, mal eben so auf die Straße setzen will - mitten im Winter, inmitten einer Pandemie, die ohnehin besonderen Stress bedeutet.

Es ist eine Frechheit, dass in der Begründung der Kündigungen etwas von „unserem hohen Verantwortungsbewusstsein“ steht. Ich frage mich: Wem gegenüber? Das Verantwortungsgefühl den Bewohnerinnen und Bewohnern gegenüber tendiert jedenfalls gegen null. Wenn das anders wäre, hätte man wirklich intensiv nach Lösungen suchen müssen und die angebotenen Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadtgesellschaft nicht kurzfristig absagen dürfen. Es gab offenbar gar kein Bedürfnis, alles zu tun, um den Mieterinnen und Mietern ihr Zuhause zu bewahren. Also muss sich die Eigentümerin den Vorwurf gefallen lassen, aus Profitgier gehandelt zu haben und schutzbedürftige Menschen auf die Straße setzen zu wollen; das ist mal Fakt.

Das einzig Gute - sofern man daran etwas Gutes erkennen möchte - ist, dass die Kündigungen - es ist hier schon ein paarmal erwähnt worden - tatsächlich rechtswidrig waren und eigentlich überhaupt nicht gegolten hätten und man sich dagegen juristisch zur Wehr hätte setzen können. Dass das viele nicht tun, ist zwar bedauerlich, aber ich kann das gut verstehen. Zu vielen der Umstände, die eine Rolle spielen, hat Elske Hildebrandt etwas gesagt, und auch die anderen Rednerinnen und Redner haben etwas dazu gesagt. Was in diesem Fall über alle Maßen deutlich wird, ist: Gesellschaftlich wichtige Aufgaben, wie die Betreuung älterer Menschen, die Anspruch auf Pflege haben, sollten nicht ohne Weiteres an Unternehmen ausgelagert werden, die im Zweifel ihre Gewinne allem anderen voranstellen.

Ich möchte unbedingt noch die Rolle der Stadt erwähnen. Es ist hier von Rückkauf die Rede. Rückkauf bedeutet: Es ist also auch einmal verkauft worden. Das war nicht nur in Potsdam der Fall, sondern in vielen Städten. Es ist ein nicht ganz zutreffendes Beispiel, aber ich erinnere an Dresden, wo der gesamte Sozialwohnungsbestand verkauft wurde, um mal eben kurzfristig den Stadthaushalt zu sanieren. Das war einmal für einen kurzen Moment möglich, und am Ende hat die Gesellschaft Schaden genommen.

Ich bitte all diese Dinge zu bedenken, wenn wir jetzt davon reden, zu enteignen oder einen Rückkauf durchzuführen. Wir kennen die Debatten in Berlin, wo es um Wohnungen geht. Es ist ausgesprochen schwierig, und vielleicht hilft es, im Vorfeld gemeinsam länger über Entscheidungen nachzudenken, die über Jahre wirken. Das würde ich, wenn es um Enteignung geht, auch in diesem Fall vorschlagen, und durchaus auch, was das Gesetz betrifft.

Aber das geht hier nicht mal eben per Beschluss, ihr Lieben, das geht hier tatsächlich nicht; dazu sind in der Vergangenheit viel zu viele Fehler gemacht worden. Aber ohne Frage bedarf es starker Schranken für gewinnorientierte Unternehmen, die solche Dinge anbieten. Besonders im vorliegenden Fall zeigt sich, dass es tatsächlich Lücken an verschiedenen Stellen gibt, was dieses Gesetz und - das wurde schon erwähnt - die staatliche Heimaufsicht betrifft bzw. die Unmöglichkeit der Heimaufsicht, in diesem Zusammenhang tätig zu werden.

Es ist davon gesprochen worden, dass in einem der nächsten Ausschüsse genau diese Themen zur Sprache kommen, und ich bin mir ganz sicher, dass wir alle sehr sorgfältig mit diesem Problem umgehen werden. Es ist jenen gedankt worden, die sich in die Spur begeben haben, um den Menschen zu helfen: dem Bündnis „Burgstraße bleibt!“, der Verbraucherzentrale, dem Mieterverein Potsdam und Umgebung, dem Seniorenbeirat der Stadt. Und ich schwöre hier drei heilige Eide, dass dieses Thema auf gar keinen Fall unter den Tisch fallen wird. Wir werden es ganz sicher bearbeiten und im Auge behalten.
- Danke.