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Ostdeutsche Landtagsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN strikt gegen vorzeitiges Auslaufen des Solidarpakts

(Nr. 142) Die Vorsitzenden der fünf ostdeutschen Landtagsfraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben auf einem Treffen in Potsdam allen Forderungen eine Absage erteilt, die auf ein vorzeitiges Auslaufen des Solidarpakts hinauslaufen. Das wäre ein erhebliches Risiko für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland. Sie bekräftigten zugleich, dass der Solidarpakt keiner Verlängerung über das Jahr 2019 hinaus bedürfe. Nach dem Jahr 2019 müsse die Förderung jedoch auf neue Beine gestellt und in einen bundesweit geltenden Nachteilsausgleich umgewandelt werden.

Die europäische Finanz- und Schuldenkrise hat nicht nur die Bundesebene, sondern tief hinein in die Republik die Bundesländer aufgerüttelt, heißt es in einer gemeinsamen Positionierung, auf die sich die Fraktionsvorsitzenden und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden aus Sachsen-Anhalt - Dr. Claudia Dalbert -, Sachsen - Antje Hermenau und Annekathrin Giegengack-, Thüringen – Anja Siegesmund -, Mecklenburg-Vorpommern – Jürgen Suhr – und Brandenburg – Axel Vogel und Marie Luise von Halem – verständigten.

„Haushaltsdebatten finden derzeit im Lichte einer drohenden Rezession, großem Konsolidierungsdruck und den sinkenden Einnahmen aus europäischen Fördermittelpaketen statt. Das zieht auch heftige Verteilungsdebatten unter den Ländern nach sich, selbst wenn die Finanzbeziehungen der Länder erst zum 1.1. 2020 neu geregelt sein müssen. Die innerstaatliche Solidarität steht vor einer neuen Belastungsprobe, weil die einzelnen Bundesländer finanziell sehr unterschiedlich aufgestellt sind“, heißt es darin.

Zwei Drittel des klassisch orientierten Aufbau Ost, ein systematischer Versuch des Nachbau West, sind vorbei. Infrastrukturprojekte wurden realisiert, mittelständische Strukturen gefestigt und gewerbliche Investitionen mit erheblichen Förderquoten voran getrieben. Die Bilanz ist dennoch ernüchternd.

1. Die wirtschaftliche Finanzkraft in den neuen Ländern ist nach wie vor drastisch niedriger als in den alten Ländern.

2. Die Leistungsfähigkeit der öffentlichen Haushalte in den neuen Ländern ist deutlich niedriger als in den meisten alten Ländern.

3. Der demografische Handlungsdruck ist trotz einer Entspannung bei den Wanderungssalden weiterhin enorm und konterkariert die Angleichung der Lebensverhältnisse, weil die bundesweiten Ausgleichssysteme im Wesentlichen pro Kopf berechnet werden.

Heute wissen wir: Der Aufholprozess auf dem Weg zur Angleichung an die Wirtschaftskraft der alten Länder braucht einen langen Atem. Inzwischen sprechen manche von einer Illusion. Das ist aber kein Grund für Resignation. Als Nachbau West konnte und kann der Aufbau Ost nicht gelingen. Für das letzte knappe Drittel müssen die Prioritäten im Rahmen einer gezielten Ost – Förderung überdacht werden.

Wir begrüßen die klare Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei dem Treffen mit den ostdeutschen Ministerpräsidenten in der vergangenen Woche in Köthen, dass der Solidarpakt verbindlich sei und nicht in Frage gestellt werde. Aber wir wissen auch, dass der Solidarpakt einzelgesetzlich geregelt ist. Er kann jeder Zeit mit einer einfachen Mehrheit im Bundestag geändert werden. Schon vor einem knappen Jahr haben wir darauf aufmerksam gemacht, dass es viele Begehrlichkeiten gibt, die vertragliche Laufzeit zu verkürzen. Das wäre ein erhebliches Risiko für die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland. Der Solidarpakt war einst als Kopplungsgeschäft mit dem aktuellen Länderfinanzausgleich 2001 erarbeitet worden, weil die nur zu zwei Dritteln erfolgte Anrechnung der kommunalen Finanzkraft dazu führte, dass sich Länder wie Bayern vor dem Finanzausgleich „arm“ rechnen konnten, während ostdeutsche „reicher“ gerechnet wurden als sie wirklich waren. Den Länderfinanzausgleich kann der Bundestag nicht so einfach kippen, aber das Kompensationsgeschäft Solidarpakt II steht auf tönernen Füßen.

Natürlich gibt es Unterschiede zwischen den fünf neuen Bundesländern im Hinblick auf ihre Regionalstruktur, ihre Wirtschaftsstruktur und ihre Finanzsituation. Aber es gibt auch gemeinsame Kernprobleme. Da ist eine Mischung zwischen föderalem Wettbewerb und länderübergreifender Kooperation vernünftig. Alle unterliegen dem gesamtstaatlichen Ziel, die Schuldenbremse, die wir als Instrument zur Verhinderung strukturelle Verschuldung ausdrücklich begrüßen, ab 2020 einzuhalten. Diese Unterschiedlichkeit wird also nachlassen. Aber alle haben gemeinsam, sich von der Förderung durch den Solidarpakt Schritt für Schritt zu entwöhnen. Und sie haben gemeinsam, dass das eine ansteigende Abhängigkeit von Steuereinnahmen, die erheblich schwanken und prozyklisches Investitionsverhalten der öffentlichen Hand quasi herausfordern, bedeutet. Hier muss eine gemeinsame Strategie in der Steuerpolitik aus der Sicht der ostdeutschen Länder her.