Begleitend zur anstehenden Evaluation und Novellierung der Energiestrategie 2030 der Landesregierung hat die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beim Berliner Reiner Lemoine Institut und Prof. Dr. Ing. Jochen Twele von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW Berlin) eine Studie in Auftrag gegeben. Hierin werden die für Brandenburgs Ausrichtung der Energiepolitik zentralen Fragen untersucht. Von zentraler Bedeutung ist hierbei insbesondere die Frage, wie lange die Braunkohle für eine sichere Energieversorgung noch benötigt wird. Konkret geht es aktuell um die Auswirkungen eines schrittweisen Abschaltens des Braunkohlekraftwerks Jänschwalde bis zum Jahr 2030.
Insbesondere Ministerpräsident Dietmar Woidke und Wirtschaftsminister Albrecht Gerber nennen regelmäßig drei Bedingungen, die vor dem beginnenden Auslaufen der Braunkohle erfüllt sein müssten, nämlich:
- Erneuerbare Energien müssten zuverlässiger sein.
- Die Energiespeicher-Technologie müsse weiterentwickelt werden.
- Und der Netzaus- und umbau müsse weiter gediehen sein.
Vor diesem Hintergrund hat die bündnisgrüne Fraktion Professor Dr. Jochen Twele und das Reiner Lemoine Institut beauftragt, die Energiestrategie 2030 der Landesregierung daraufhin zu untersuchen, ob bzw. in welchem Umfang diese drei Vorbedingungen tatsächlich erfüllt sein müssten, bevor der Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in Brandenburg beginnen kann.
Das Ergebnis ist: Bei einer konsequenten Umsetzung der Energiestrategie 2030 kommt es im Falle einer schrittweisen Abschaltung des Kraftwerks Jänschwalde bis 2030 zu keinen Problemen bei der Energieversorgung. Vielmehr kann durch den entstehenden Energiemix der Energiebedarf der Region Berlin-Brandenburg sicher gedeckt werden.
„Die von der Landesregierung immer wieder aufgestellte Behauptung, die Abschaltung des Kraftwerks Jänschwalde bis 2030 gefährde die Versorgungssicherheit, solange keine neuen Speichertechnologien für die erneuerbaren Energien zur Verfügung stünden, erweist sich laut der Studie als falsch“, sagte Schinowsky. „Zudem wurde belegt, dass der Aufschluss neuer Tagebaue mit den in der Energiestrategie 2030 der Landesregierung verankerten Klimaschutzzielen inkompatibel ist.“ Vielmehr beinhalte die bislang gültige Planungsgrundlage für Brandenburgs Energieversorgung bereits den Beginn des Auslaufens der Brandenburger Braunkohleverstromung.
Die Studie des Berliner Reiner Lemoine Instituts sieht zwei wesentliche Prognosen der Energiestrategie der Landesregierung als überholt an, nämlich die darin angenommene zu erzielende Energieeinsparung sowie den hohen Exportbedarf an Strom. Zudem ist inzwischen klar, dass CCS (Carbon, Capture and Storage), die umstrittene Technologie zur Kohledioxidabscheidung und -speicherung, in Brandenburg nicht zur Anwendung kommen wird.
Ein mittelfristiger Ausstieg aus der Kohle würde auch das Akzeptanz-Problem beim Netzausbau deutlich reduzieren: „Der von der Landesregierung postulierte Ausbau erneuerbarer Energien und der Umbau der Versorgungsstruktur erfordern basierend auf den Berechnungen der Lastflussanalyse keine neuen Netzkapazitäten“, erklärte Mitautor Prof. Dr. Jochen Twele. Insgesamt sei die Netzbelastung in Szenario 3 (siehe unten) am geringsten. Das führe Twele zufolge auch zu den potenziell niedrigsten Netznutzungsgebühren, da keine weiteren Netzverstärkungen notwendig seien.
Schinowsky forderte die Landesregierung auf, nun auch endlich öffentlich zu dem in ihrer eigenen Energiestrategie implizierten Auslaufen der Braunkohle zu stehen. Minister Gerber hatte erst vor kurzem erklärt, dass die LEAG noch nicht entschieden habe, ob sie die neuen Tagebaue Jänschwalde Nord und Welzow Süd II eröffnen wolle. „Die Landesregierung muss sich gegenüber der LEAG und aber vor allem gegenüber den direkt und indirekt in der Braunkohle Beschäftigten in der Lausitz dazu bekennen, dass neue Tagebaue in ihrer Energiestrategie nicht vorgesehen sind.“ Höchste Zeit sei es zudem, dass die brandenburgische Landesregierung deutlich mehr Engagement bei der Gestaltung des Strukturwandels in der Lausitz zeige. Mit dem Mitte Februar 2017 angekündigten Programm zum Aufbau von industriellen Energiespeichern, habe Brandenburg bereits den richtigen Weg eingeschlagen.
Ein Selbstläufer wird die sichere, sozial und umweltverträgliche Energieversorgung nicht. Hierfür braucht es eine aktive Weichenstellung, sagte die energiepolitische Sprecherin: „Die Studie zeigt auch, dass am Ausbautempo bei den erneuerbaren Energien festgehalten werden muss.“ Die aktuelle Energiepolitik der schwarz-roten Bundesregierung sei hierfür leider wenig förderlich. Zudem müssten – wie auch in der Energiestrategie 2030 der Landesregierung vorgesehen – Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs und der Einsatz moderner Technologien wie Wärmepumpen und Solarthermie im Heizungsbereich stärker vorangebracht werden.
Drei Szenarien beinhaltet die Studie:
In Szenario 1 wird die Umsetzung der Energiestrategie 2030 simuliert. Ergänzend hierzu wurden zwei relevante politische Entscheidungen berücksichtigt, die nach deren Verabschiedung im Jahr 2012 getroffen wurden: Der ursprünglich erwogene Neubau eines CCS-Kraftwerks am Standort Jänschwalde ist laut Aussagen der Landesregierung vom Tisch. Zudem wird in den Jahren 2018 und 2019 jeweils ein 500-MW-Block des Kraftwerks Jänschwalde laut den Verhandlungen mit der Bundesregierung in die sogenannte Sicherheitsbereitschaft überführt und voraussichtlich in den Jahren 2022 und 2023 endgültig stillgelegt.
In Szenario 2 werden zusätzlich zu diesen für in Szenario 1 einbezogenen Änderungen die der Energiestrategie 2030 zugrunde gelegten Annahmen hinsichtlich der Energieeinsparung korrigiert bzw. reduziert. Aus Sicht der AutorInnen der Studie sind die seinerzeit getroffenen Annahmen hierzu unrealistisch und wurden entsprechend angepasst.
In Szenario 3 wurde ergänzend hierzu untersucht, wie die Energieversorgung Brandenburgs ohne Energie aus Braunkohle gestaltet werden kann.