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Wo die Zukunft zu Hause sein soll – Axel Vogel zur Energiepolitik in der Lausitzer Rundschau

Unter dem Stichwort „Debatte" gibt die RUNDSCHAU Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft Gelegenheit, Stellung zu wichtigen Themen zu beziehen, die die Zukunft der Region betreffen.

Ob Solar,- Wind- oder andere regenerative Energien–- für Axel Vogel liegen die Herausforderungen unter anderem "in der Kombination verschiedener erneuerbarer Energiequellen".

Im Januar 2007 drehten die Preise an der Leipziger Strombörse plötzlich ins Minus. Während des Orkans Kyrill drängte der vorrangig einzuspeisende Windstrom derartig stark ins Netz, dass die Betreiber der Grundlastkraftwerke noch Geld drauf packen mussten um ihren Strom aus Kohle oder Atom loszuwerden. Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien wird diese Situation immer häufiger auftreten: Heute sind von über 2.000 geplanten Windenergieanlagen in Nord- und Ostsee gerade einmal 12 in Betrieb gegangen, Brandenburg wird mit dem Erreichen der Ausbauziele der Energiestrategie 2020 allein aus Windkraft mehr Strom produzieren als im Land verbraucht wird, hinzu kommt Strom aus anderen erneuerbaren Quellen wie Fotovoltaik und Biomasse.

Immer deutlicher wird: Es gibt einen Systemkonflikt zwischen den Erneuerbaren Energien und den fossil oder atomar betriebenen Grundlastkraftwerken. Die Politik muss sich entscheiden: Konsequente Ausrichtung des gesamten Stromerzeugungssystems an den Erneuerbaren oder Absicherung der Grundlastkraftwerke - beides zugleich geht nicht.

In der energiepolitischen Debatte geht es daher längst nicht mehr darum ob wir eine Vollversorgung mit Erneuerbaren Energien wollen, sondern darum, wie schnell wir den Übergang ins neue Energiezeitalter schaffen. Der baldige Umstieg auf die klima- und ressourcenschonende Erneuerbaren ist unausweichlich. Der weitere Raubbau an der Natur und die Klimazerstörung durch die fossile Energiegewinnung führen in die Sackgasse. Die teure Abscheidung und Einlagerung von CO2 durch die CCS-Technologie sind da kein Ausweg.

Der komplette Umstieg auf die Erneuerbaren ist keine Utopie, sondern realistisch und in den nächsten Jahrzehnten technisch umsetzbar, das hat die diesen Mai veröffentlichte Studie des Sachverständigenrats für Umweltfragen der Bundesregierung erneut bestätigt. Der Strombedarf Deutschlands kann danach bis 2050 komplett und sicher mit Erneuerbaren gedeckt werden. Weder eine Verlängerung der Atomkraft-Laufzeiten, noch der Bau neuer Kohlekraftwerke sind nötig und die Strompreise könnten sogar sinken. In Brandenburg kann das 100-Prozent- Ziel aus meiner Sicht sogar noch schneller erreicht werden. Schon heute produzieren wir hier knapp 60 Prozent unseres Stromverbrauchs regenerativ.

Die von Dietmar Woidke, in seinem LR-Artikel „Wo Energie zu Hause ist“ gepriesene CCS-Technologie ist mitnichten der Königsweg zu mehr Klimaschutz. CCS verteuert die Energiegewinnung und führt dazu, dass für die gleiche Strommenge mehr Kohle verstromt werden muss. CCS kommt zu spät zur Erreichung unserer Klimaschutzziele. Ausreichende Speicherkapazitäten für das bei einer großindustriellen Abscheidung anfallende CO2 sind nicht vorhanden. Ob CCS jemals wirtschaftlich einsetzbar sein wird, steht in den Sternen. Fazit einer aktuellen Studie des Bundesumweltministeriums deshalb: Die Erneuerbaren Energien werden mittelfristig günstiger CO2 einsparen als durch die CCS-Technologie möglich.

Die von der rot-roten Landesregierung von Schwarz-Rot übernommene Energiepolitik ist ein Irrweg. Sie verficht einen „Energiemix“ und meint die Fortführung der Braunkohleverstromung über 2035 hinaus. Der Energiekonzern Vattenfall verfügt in der Lausitz derzeit noch über Abbaurechte für 1,3 Milliarden Tonnen Braunkohle, die mindestens für die nächsten 26 Jahre reichen werden. Wer mit dem Hinweis auf den möglichen Einsatz von CCS neue Tagebaue genehmigen will, nimmt in Kauf, dass es weit über diesen Zeitrahmen hinaus zur Abbaggerung weiterer Dörfer und großflächigen Naturzerstörungen kommt. Der Braunkohleabbau könnte so aus der Lausitz bis kurz vor Frankfurt (Oder) wandern, das geplante Endlager für abgeschiedenes CO2 unter bewohntem Gebiet bei Beeskow und Neutrebbin den sozialen Frieden im Land gefährden.

„Wir brauchen neue Technologien, um den Klimawandel in den Griff zu bekommen“, zitiert Woidke einen schwedischen Gewerkschaftsvertreter. Richtig! Doch die Herausforderungen liegen nicht in neuen Techniken zur fossilen Stromgewinnung. Sie liegen in der Kombination verschiedener Erneuerbaren Energiequellen, in der verbesserten Stromspeicherung und in der Netzintegration.

Gefragt ist die Kopplung der unregelmäßig anfallenden Windenergie mit Strom aus anderen Energieträgern. In der Uckermark, wo Windstrom in sogenannten virtuellen Kraftwerken mit Strom aus Wasserstoffspeichern kombiniert wird, sind solche Technologien bald zu besichtigen.

Die Politik muss die Industrie bei der Erforschung und Anwendung dieser neuer Technologien unterstützen. Sie muss Entwicklungsvorsprünge ausbauen helfen und so neue Arbeitsplätze schaffen – gerade auch in der Energieregion Lausitz. Bekommen die Erneuerbaren ausreichend Rückenwind, stehen die Chancen dafür gut. 11.000 Menschen arbeiten in Brandenburg bereits in der Erneuerbaren-Energien-Branche, mehr als doppelt so viele wie in der Braunkohle. Tendenz steigend.

Dieser Artikel erschien als Gastbeitrag in der Lausitzer Rundschau vom 5. Juni 2010.