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Der BER-Aufsichtsrat als Kontrollgremium ist ein Vollausfall
Wissen ist Macht. Das ist ein alter Spruch der Sozialdemokratie. Aber Macht benötigt Gegenmacht, Sicherungen, um im Zaum gehalten zu werden. Herrschaftswissen ohne geeignete Kontrollmechanismen und vor allem die gezielte Zurückhaltung von Herrschaftswissen schafft dagegen Ohnmacht. Ohnmacht, die im Falle der Informationspolitik von Flughafengesellschaft (FBB) und Brandenburgs Landesregierung zuallererst die Abgeordneten trifft, in der Konsequenz aber zulasten des gesamten Landes geht.
Als Abgeordnete sind wir – wie auch der Aufsichtsrat – angewiesen auf umfassende und verständliche Informationen. Gerade weil wir keine Baufachleute sind, müssen wir vollen Einblick in Gutachten und deren Bewertungen durch die FBB erhalten. Gerade weil die Probleme etwa mit dem Brandschutz so detailliert sind, dass sie nicht einmal der Technikchef im Einzelnen nachvollziehen kann, dürfen wir nicht mit sibyllinischen Äußerungen abgespeist werden.
Als Abgeordnete müssen wir auf frühzeitige Information pochen, um unseren Kontrollpflichten gerecht werden zu können. Wir müssen aus erster Hand erfahren, sobald es Anzeichen für weitere Kostensteigerungen oder eine erneute Terminverschiebung gibt. Wir müssen darüber informiert werden, wie FBB und Landesregierung mit derartigen Hinweisen umgehen und wie ernst diese zu nehmen sind. Gerade vor der Erfahrung der letzten beiden Jahre, in denen die Regierungschefs von Berlin und Brandenburg, Klaus Wowereit und Matthias Platzeck, durch den FBB-Geschäftsführer Prof. Rainer Schwarz mit kurzfristigen Ankündigungen von Terminverschiebungen zweimal wie dumme Jungen bloßgestellt wurden, muss es in aller Interesse liegen, dass solches nicht mehr vorkommt.
Über die Kostensteigerungen des BER ist breit diskutiert worden. Aber bis heute gibt es keine Antwort, wie es sich Management und Aufsichtsrat vorgestellt haben, Jahr für Jahr zusätzliche Ausgaben für das Terminal zu beschließen, bis am Ende Mehrausgaben in Höhe von 600 Millionen Euro aufgelaufen waren, ohne sich erkennbar Gedanken darüber zu machen, woher dieses Geld kommen soll. Die Rechnung ist jetzt präsentiert. Der Landtag soll 444 Millionen Euro herausrücken, wenn er nicht das Fälligwerden von 888 Millionen Euro an Bürgschaften riskieren will. Wie es aber dazu kommen konnte bei dem, ob seines finanziellen Sachverstandes so hoch gelobten, Geschäftsführer Schwarz, das wissen wir bis heute nicht.
Immer wieder tauchen neue Papiere in den Medien auf, die belegen, dass zumindest Prof. Schwarz – der Aufsichtsrat bestreitet ja ein solches Wissen nach wie vor – frühzeitig Kenntnis von einer Gefährdung der Inbetriebnahme zum 3. Juni 2012 hatte. Aber egal, ob das Schreiben von PricewaterhouseCoopers vom 6. März mit dem Titel „Gefährdung der Inbetriebnahme“, das Schreiben der ORAT-Projektleitung vom 14. März, das auf die Nichterfüllung der Probebetriebsanforderungen und eine sehr risikoreiche Inbetriebnahme zum 3. Juni verwies, oder der McKinsey-Bericht vom 16. März mit der Aussage, der Erfolg der Inbetriebnahme am 3. Juni sei auch in der neuen Struktur nicht sicherzustellen – nichts gab die Landesregierung von sich aus weiter. Wenn doch einmal Einsicht in die Unterlagen gewährt wird, wird jede öffentliche Diskussion mit dem Hinweis auf Geschäftsgeheimnisse unterbunden. Folglich sind brisante Informationen allein den Medien zu entnehmen, während FBB und Aufsichtsrat im Nachhinein wortreich zu erklären versuchen, warum diese Fakten nicht schon früher auf den Tisch gekommen sind.
Wenn der Flughafen BER zum Fluchhafen geworden ist, dann auch, weil die privatrechtliche Struktur der FBB wie ein Bannfluch über dem Informationsbegehren der Abgeordneten liegt. Und über allem thront als Lordsiegelbewahrer des Schweigegelübdes Prof. Schwarz. Er weiß genau, was Minister und Abgeordnete nicht zu Gesicht bekommen dürfen, kann aber auch wortreich erklären, warum er selbst etwas nicht wissen konnte oder Informationen nicht weitergeben musste.
Besonders unappetitlich wird der Besitz von Herrschaftswissen, wenn man das Gefühl bekommt, dass jemand in den Medien vorgeführt wird, so wie Prof. Schwarz in einem Interview in der FAZ vom 25.10. mit dem bezeichnenden Titel „Ich bin nicht der Typ, der wegläuft“ mit dem Bund verfuhr. Hier mokiert er sich über das angebliche Unwissen der Bundes-Soko und zitiert aus nichtöffentlichen Schreiben nur das, was ihm in den Kram passt. Kein Wunder also, dass der Bund die Ablösung von Schwarz fordert. Kein Wunder, dass der Haushaltsausschuss des Bundestages die Mittel für den Flughafen so lange sperrt, bis Prof. Schwarz seinen Platz räumt und der Aufsichtsrat neu besetzt wird.
Dass ihm nach diesem Interview von seinem Aufsichtsrat nicht öffentlich in die Parade gefahren wird, macht erneut deutlich, dass die Sicherungssysteme bei der Flughafengesellschaft und ihren Gesellschaftern nicht greifen, dass der Aufsichtsrat als Kontrollgremium gegenüber der Geschäftsführung ein Vollausfall ist. Um ihn in ein Gremium zu verwandeln, das seinen Kontrollpflichten auch genügt, muss er neu besetzt werden.
Alles, was seit dem 7. November an neuen Erkenntnissen zum Brandschutz bekannt wurde, ist da nur noch ein zusätzlicher Mosaikstein im Bild versagender Kontrollmechanismen. Ob Verstöße gegen die Bauordnung das Terminal als Schwarzbau klassifizieren, ob Rückbauten nötig sind, ob mit den Verstößen gegen die Brandschutzvorschriften mögliche Brandkatastrophen implizit in Kauf genommen wurden, ob der Eröffnungstermin des BER erneut verschoben werden muss, provoziert bei den meisten nur noch ein Achselzucken. Rund zwei Drittel der Brandenburger glauben, dass auch der Eröffnungstermin 27. Oktober 2013 nicht zu halten ist. Trotzdem sind 67 Prozent der Brandenburger mit dem Ministerpräsidenten zufrieden. Wer auf einer solchen Welle der Zustimmung schwebt, sieht natürlich wenig Anlass irgendetwas zu ändern. Als Volksvertreter dürfen wir diese Vorgänge trotzdem nicht hinnehmen. Sonst wären in Brandenburg tatsächlich alle Sicherungen durchgebrannt.
Dieser Gastbeitrag von Axel Vogel erschien am 16. November 2012 in den Potsdamer Neuesten Nachrichten.