Zum Inhalt springen

Hinweis: Diese Website wird nicht mehr aktualisiert und dient als Archiv. Weitere Informationen →

Offener Brief von Axel Vogel an die Bürgerinitiative Woltersdorf gegen Fluglärm und Umweltverschmutzung

Sehr geehrter Herr von Aswegen,

danke für Ihre Teilnahme an unserer Flughafenkonferenz und Ihre ausführlich dargelegte Kritik.

Zunächst ein kleine Anmerkung zur Organisationsstruktur der Bündnisgrünen: Es gibt den Landesverband mit einem Vorstand (Petra Budke und Benjamin Raschke) und die Fraktion im Brandenburger Landtag mit ihren Vorsitzenden (Axel Vogel und Marie Luise von Halem). Organisatorin der Konferenz war die Landtagsfraktion, die Fraktion hat auch die von Ihnen zitierten Texte verfasst, deshalb beantworte ich in Abstimmung mit dem Landesvorstand Ihren Offenen Brief stellvertretend für uns gemeinsam.

Angesichts alter und neuer Erkenntnisse zum BER sagen auch wir:

Die von den Ergebnissen des Raumordnungsverfahrens abweichende Entscheidung für den Standort Schönefeld war ein großer Fehler. Unbestritten ist, dass im urbanen Raum mehr Menschen von Lärm und Umweltbelastungen betroffen sein werden. Der Fehler wiegt umso schwerer, als Fluglärm nicht nur eine erhebliche Verschlechterung der Lebensqualität bedeutet, sondern nachweislich Erkrankungen vor allem des Herz-Kreislauf-Apparats verursacht.

Brandenburg wird absehbar den Löwenanteil der negativen Auswirkungen tragen müssen, während sich die positiven wirtschaftlichen Effekte des BER für Brandenburg in engen Grenzen halten werden.

Was die Aussage des Wirtschaftlichkeitsgutachtens von Prof. Thießen und damit die Wirtschaftlichkeitsprognose für den BER angeht, sind wir etwas zurückhaltender. Prof. Thießen zeigt verschiedene Szenarien auf. Welches davon eintreffen wird, ist noch nicht ausgemacht. Absehbar ist allerdings, dass die Investitionsmittel, die vom Steuerzahler für den BER aufgebracht wurden, nie zurückgezahlt werden. Wie hoch die jährlichen Verluste tatsächlich ausfallen werden, ist für uns noch nicht absehbar. In jedem Fall ist von einem dreistelligen Millionenbetrag auszugehen. Der Cash Flow kann dabei, wenn es gut geht, positiv bleiben oder um 0 liegen, so dass der Steuerzahler zwar seine eingesetzten Mittel verloren hat, aber für den laufenden Betrieb keine Mittel zuschießen muss.

Wichtig ist die Erkenntnis, dass Nachtflug, Verkehrswachstum und eine Drehkreuzfunktion den wirtschaftlichen Erfolg des BER nicht oder nur unwesentlich verbessern würden.

Wir sind uns sicherlich darin einig, dass dringender Handlungsbedarf besteht. Bezüglich der Handlungsspielräume sind wir allerdings unterschiedlicher Ansicht. Dabei geht es für uns primär nicht darum, was wir uns wünschen, sondern darum, was wir am Ende für erreichbar halten.

Wir kommen, so ernüchternd dies für die Betroffenen auch ist, an den handfesten Tatsachen nicht vorbei. Es gibt einen gültigen und letztinstanzlich bestätigten Planfeststellungsbeschluss. Es sind viele Milliarden geflossen, nicht nur in den eigentlichen Flughafenbau und verzögerungsbedingte Mehrausgaben, sondern auch in Form von Vorlaufkosten vor dem eigentlichen Baubeginn. Ein erheblicher Teil des Flughafens ist fertiggestellt. Berlin und Brandenburg stoßen bereits mit diesem Projekt an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit.

In dieser Situation formulieren wir Zielsetzungen, die angesichts dieser Gemengelage Aussicht auf Erfolg haben. Mit Forderungen nach einem sofortigen Neubau eines weiteren Flughafens an anderer Stelle werden wir in der politischen Diskussion nur Schiffbruch erleiden und haben am Ende nichts erreicht.

Die Protagonisten des Flughafenprojekts aus Berlin, Brandenburg und dem Bund lassen nichts unversucht um den Eindruck zu erwecken, dass der BER zum Großflughafen und internationalen Drehkreuz ausgebaut werden kann, das mit den größten Flughäfen Deutschlands, Frankfurt und München konkurrieren soll. Durch eine großzügige Nachtflugregelung und Förderprogrammen umwerben sie Fluggesellschaften und versuchen am Standort Tegel mit Dumpinggebühren die Verkehrszahlen künstlich in die Höhe zu treiben. Verkehrswachstum wird als das eigentliche Erfolgsrezept verkauft, mit abenteuerlichen Arbeitsplatzversprechen jedes Gegenargument niedergeredet, und mit rosigen Bildern von exorbitanten externen Wirtschaftseffekten um Zustimmung auf allen Ebenen geworben.

Im Brandenburger Landtag ist es allein unsere Grünenfraktion, die diesen Bestrebungen eine deutliche und konsequente Absage erteilt, immer mit dem Ziel, die Anwohner von den negativen Auswirkungen zu entlasten. Diese Haltung ist auf dem politischen Parkett nicht selbstverständlich. Als Renate Künast sich im Vorfeld der Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus mit der Position nach vorne wagte, der BER solle kein internationales Drehkreuz werden, sondern ein Flughafen für den regionalen Bedarf, wurde sie mit ungewöhnlicher Schärfe abgestraft. Sie hatte ein Tabu gebrochen und es gewagt, den Mythos vom Großflughafen und Erfolgsmodell BER anzutasten.

Zusammen mit den Fraktionen in Berlin und im Bund stehen wir zu dieser Position. Am Standort Schönefeld haben ein internationales Drehkreuz und ein Großflughafen nichts verloren. Es muss ein Nachtflugverbot von 22 bis 6 Uhr erlassen werden, eine Begrenzung der Flugbewegungen erfolgen und eine dritte Start- und Landebahn verbindlich ausgeschlossen werden.

Zu der Zahl der Flugbewegungen bedarf es folgender Erklärung. Der BER wurde für eine Zahl von 360.000 Flugbewegungen im Jahr bei Endauslastung konzipiert. Diese Zahl stellt jedoch keineswegs eine verbindliche Obergrenze dar. Nach geltender Rechtslage darf so viel geflogen werden, wie die beiden bestehen Start- und Landebahnen hergeben. Das sind theoretisch mehr als 450.000 Flugbewegungen im Jahr. Möchte man die Zahl deckeln, so stehen die Chancen am besten, wenn man den Hebel bei der konzipierten Zahl 360.000 ansetzt. Das ändert nichts daran, dass wir mit einer Verteuerung des Flugverkehrs (Kerosinsteuer, Mehrwertsteuer, Flughafengebühren, Ticketsteuer) und einer Verlagerung des Kurzstreckenverkehrs insbesondere nach Frankfurt und München auf die Schiene die Zahl der Flugbewegungen verringern wollen.

Dem Wachstum des BER sind auf diese Weise von Anfang an klare Grenzen gesetzt. Für alle Beteiligten ist es unerlässlich bereits jetzt Strategien zu entwickeln, wohin gegebenenfalls den-noch entstehendes weiteres Verkehrswachstum gelenkt werden soll. Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag arbeitet an einem Deutschen Luftverkehrskonzept, das zusätzliche Standorte mit einbeziehen soll.

Was Ihre Bewertung unserer Tätigkeit angeht, sei folgender Hinweis erlaubt. Ihnen wie uns geht es darum, etwas für die Anwohner des BER zu tun. Darüber, welches die erfolgversprechenden Wege sind, gehen unsere Meinungen auseinander. Nur den eigenen Weg als den richtigen gelten zu lassen und andere zu diskreditieren halten wir insgesamt für nicht sehr hilfreich.

Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen,

Axel Vogel

>> Offener Brief der BI Woltersdorf (pdf-Datei)