Die auf Bundesebene tagende Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung („Kohlekommission“) soll bis zum Ende des Jahres einen Zeitplan zum Ausstieg aus der Braunkohleverstromung und Konzepte zur Gestaltung des damit verbundenen Strukturwandels in den Kohleregionen erarbeiten. Die Bundesregierung stellt zur Abfederung des Strukturwandels bundesweit dafür 1,5 Milliarden Euro bereit. Es zeichnet sich ab, dass die Lausitz daher mit einem dreistelligen Millionenbetrag rechnen kann.
„Niemand weiß, wer die Summen verteilen soll und vor allem wofür. Es sind nur noch wenige Monate, bis die Gelder fließen können, aber das Land Brandenburg steht mit leeren Händen da. Es darf nicht sein, dass hunderte von Millionen Euro einfach in der Landeskasse versickern“, warnt die wirtschafts- und energiepolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Heide Schinowsky auf einer Sitzung ihrer Fraktion in Cottbus. An der Sitzung teilgenommen haben auch der Oberbürgermeister der Stadt Cottbus, Holger Kelch, Hannelore Wodtke, Lausitzer Mitglied der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung und Gerd Rosenkranz, Mitautor des Impulspapiers „Eine Zukunft für die Lausitz“ des Beratungsinstituts Agora Energiewende.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Brandenburger Landtag hat nun konkrete Forderungen an die Landesregierung vorgestellt, um diesem Prozess zum Erfolg zu verhelfen. Dazu zählt ein unter Beteiligung der Bevölkerung zu erstellendes Leitbild für die Lausitz, ein zentral verantwortliches Steuerungsgremium, ein Masterplan mit Zielen und Maßnahmen für den Transformationsprozess und ein mit Geldern des Bundes zu füllender Strukturwandelfonds („Lausitzfonds“), aus dem diese Maßnahmen finanziert werden. Den entsprechenden Beschluss „Lausitz 2030: Den notwendigen Strukturwandel systematisch gestalten: Bundesmittel für Strukturförderung weise nutzen“ hat die Fraktion heute gefasst. Ergänzt wird der Beschluss durch eine Liste mit konkreten Vorhaben, die die Fraktion vorschlägt (siehe Anhang).
Heide Schinowsky:
„Für uns alle sind in diesem Dürresommer die Folgen des menschgemachten Klimawandels deutlicher denn je spürbar geworden. Die schnellstmögliche Reduktion klimaschädlicher Treibhausgase – verbunden für Brandenburg mit dem Ausstieg aus der Braunkohle – ist Gebot der Stunde und wird derzeit in der Kohlekommission diskutiert. Wie der Strukturwandelprozess in den Kohleregionen hingegen im Detail gestaltet werden soll, kann nicht allein auf Bundesebene festgelegt werden. Hier sind Vorschläge und Ideen aus der Lausitz selbst und hier ist die steuernde Hand der Landesregierung gefragt. Diese steuernde Hand vermissen wir bislang. Die Landesregierung muss nun dafür sorgen, dass passgenaue Lösungen zur Verwendung dieser Gelder entwickelt werden. Wie hier vorzugehen ist, dazu haben wir heute Vorschläge gemacht.“
Holger Kelch, Oberbürgermeister von Cottbus/Chóśebuz:
„Die Regierungen in Potsdam, in Dresden und Berlin müssen die richtigen Weichen für den Strukturwandel stellen. Wir fordern verlässliche Rahmenbedingungen und konkrete Termine und Verpflichtungen, die ein Fortkommen unserer Region durch den Ausbau der Infrastruktur, durch Ansiedlungsanreize und klare Perspektiven für die Menschen hier gewährleisten. Diese Rahmenbedingungen und die Unterstützung müssen stehen, bevor am Jahresende eventuell ein Kohleausstiegs-Datum festgelegt wird. Aber mit Geld allein ist es nicht getan. So muss beispielsweise der Bund als Eigentümer der Bahn darauf dringen, dass bestehende Industriearbeitsplätze am Bahnstandort Cottbus erhalten und ergänzt und nicht an andere Standorte verlagert werden und der Bahnstandort Cottbus nicht noch weiter ausgedünnt, sondern eher gestärkt wird“.
Gerd Rosenkranz, ehemaliger Leiter der Abteilung Grundsatzfragen des Beratungsinstituts Agora Energiewende:
„Bei der Vergabe der Mittel müssen regionale Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft eine Schlüsselrolle einnehmen. Der Bund sollte lediglich Monitoring- und Koordinationsfunktionen übernehmen; die Entscheidungen über die jeweiligen Prioritäten sollten die Akteure aus der Region treffen. Die Strukturen dafür müssen die Länder schaffen. Was bisher fehlt, sind ausformulierte Vorstellungen darüber, wie die zu erwartenden Strukturwandelgelder in den Braunkohleregionen verwendet werden sollen. Klar ist aber auch: Die Bereitschaft zu großzügiger Unterstützung für die Strukturentwicklung in der Lausitz durch den Bund war noch nie so groß – und wird möglicherweise auch nie wieder so groß sein, wenn die Chance jetzt nicht entschlossen ergriffen wird.“
Hannelore Wodtke, Stadtverordnete aus Welzow und Mitglied der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung:
„Es fehlt in Brandenburg eine Strategie, wo es hingehen soll, wie eine `Lausitz 2030´ aussehen soll. Seit Jahren geben sich Bundesminister in der Lausitz die Klinke in die Hand. Aber wo genau Projekte, wie eine mögliche Löschflugzeugstaffel am Flugplatz Welzow, die Modellregion für den neuen Mobilfunkstandard 5G oder sei es auch nur die Einrichtung einer Zweigstelle für KfZ-Neuzulassungen überhaupt mal diskutiert werden, geschweige denn eingereicht werden können, ist völlig unklar. Es gibt noch nicht einmal den seit langem angekündigten Leitbildprozess. Seit Jahren kommen aus Potsdam nur warme Worte. Das ist zuwenig. Alleine nur auf die Kohlekommission der Bundesregierung zu setzen, reicht nicht aus. Die Landesregierung muss endlich mal in die Gänge kommen.“
Die vorgeschlagenen Maßnahmen im Einzelnen:
1) Schaffung des rechtlichen Rahmens für einen Strukturwandelfonds:
Die Landesregierung wird aufgefordert, sich gegenüber der Bundesregierung für die Einrichtung eines Strukturwandelfonds Lausitz einzusetzen.
2) Einsetzung eines Steuerungskreises – Priorisierung und Operationalisierung von Strukturwandelprojekten:
Die Landesregierung wird aufgefordert, einen Steuerungskreis einzuberufen, der mit der Erstellung einer Masterplanung für den Transformationsprozess der Lausitz beauftragt wird. Dieser Masterplan soll wesentliche Ziele und Maßnahmen für eine erfolgreiche Transformation der Region enthalten.
3) Integrativer Leitbildprozess:
Um den Strukturwandel umfassend und positiv zu begleiten, wird die Landesregierung gebeten, einen transparenten, offenen und umfassenden Leitbildprozess anzustoßen
4) Stärkung zivilgesellschaftlicher Initiativen durch Einrichtung einer Stiftung Lausitz:
Neben der Förderung von Wirtschaft, Wissenschaft und Infrastruktur braucht es als dritte Säule die Stärkung des zivilgesellschaftlichen Engagements für die Strukturwandelgestaltung. Um derartige Entwicklungen zu fördern, bedarf es einer entsprechenden Stiftung als Fördermittelgeber und Berater.