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Kalkulierbare und stabile Entsorgungskosten sicherstellen - Nachhaltige Ressourcennutzung durch Phosphorrückgewinnung aus Abwasser und Klärschlamm in Brandenburg unterstützen

Der Landtag stellt fest:

Klärschlamm ist ein Abfallprodukt aus der abgeschlossenen Behandlung von Abwasser in Kläranlagen und besteht aus Wasser sowie aus organischen und mineralischen Stoffen. In Klärschlämmen können sich neben Schwermetallen auch organische Schadstoffe, Arznei-mittelrückstände, Krankheitserreger, Kunststoffreste oder anderweitige Nanomaterialien befinden.

Aufgrund einer Vielzahl problematischer Inhaltsstoffe im Klärschlamm fand eine stetige Abkehr von der direkten landwirtschaftlichen Nutzung als Dünger hin zur thermischen Entsorgung in Kraftwerken statt. In Mono- und Mitverbrennungsanlagen wird heute deshalb mehr als die Hälfte der kommunalen Klärschlämme behandelt. In Brandenburg wird durch den Braunkohleausstieg die Mitverbrennungskapazität weiter sinken. Auch die Kapazität der landwirtschaftlichen Verwertung sinkt derzeit schneller, als dass die Verbrennungskapazitäten zunehmen.

Klärschlamm kann unter strengen Auflagen als Düngemittel verwendet werden. Die Stickstoff- und ganz besonders die Phosphorgehalte sprechen für den Einsatz als Düngemittel zur Deckung des pflanzlichen Nährstoffbedarfs. Sofern diese keine oder nur geringen sonstigen Schadstoffbelastungen aufweisen, ist der Einsatz als Düngemittel vertretbar.

Da insbesondere Phosphor eine begrenzt verfügbare Ressource ist, sind Forschung und Entwicklung in den nächsten Jahren deutlich zu intensivieren, um die Rückgewinnung und Wiederverwertung von Phosphor aus Klärschlamm voranzutreiben. Angesichts einer langfristig zu erwartenden Verknappung von Rohphosphaten sollten die in kommunalen Klär-schlämmen enthaltenen Phosphatmengen verstärkt genutzt oder für eine zukünftige Nutzung gesichert werden. Mit der Phosphorrückgewinnung werden natürliche Ressourcen geschont und der Bodenschutz verbessert.

Seit dem Jahr 2015 gelten zusätzlich die Grenzwerte des Düngerechts für die Verwendung von Klärschlamm bei der Verbringung in der Landwirtschaft. Außerdem wurde im Jahr 2017 die Klärschlammverordnung von 1992 novelliert. Ziel ist es, die wertgebenden Bestandteile des Klärschlamms umfassender als bisher mit der bodenbezogenen Klärschlammverwertung wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückzuführen. Dazu gehört auch, die herkömmliche bodenbezogene Klärschlammverwertung zum Zweck einer weiteren Verringerung des Schadstoffeintrags in den Boden deutlich einzuschränken. Im Ergebnis dürfen große Kläranlagen, die das Abwasser von mehr als 100.000 bzw. 50.000 Einwohnern behandeln, Klärschlamm nur noch bis 2029 bzw. 2032 bodenbezogen (z. B. als Dünger) verwerten. D.h., Klärschlamm, der mindestens 20 Gramm Phosphor pro Kilogramm Trockenmasse enthält, muss nach Ablauf der Übergangsfristen einer Phosphorrückgewinnung unterzogen werden. Ausgenommen sind alle Betreiber von Abwasserbehandlungsanlagen mit einer Ausbau-größe von bis zu 50.000 Einwohnern, die keiner Verpflichtung zur Phosphorrückgewinnung unterliegen.

Zukünftig wird die landwirtschaftliche Verwertung von Klärschlämmen auch für Anlagenbetreiber mit Kläranlagen kleiner 50.000 Einwohner schwer bis unmöglich. Die Entwicklung seit dem Jahr 2017 zeigt eine bis zu 300prozentige Kostensteigerung für die landwirtschaftliche Verwertung. Das hat zur Folge, dass die Kostensteigerungen bei der Klärschlammverwertung direkt über die Gebühren an den Kunden sowie die Bürgerinnen und Bürger weitergegeben werden.

Die Bedeutung des Rohstoffs Phosphor hebt insbesondere das von der Bundesregierung 2012 beschlossene Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess) hervor. Zudem wird seitens der Europäischen Kommission Phosphor für die EU und die Umsetzung der Rohstoffinitiative vom 26. Mai 2014 als „kritischer Rohstoff" eingestuft.

Auch diesen Entwicklungen muss die künftige Behandlung und Entsorgung von Klärschläm-men begegnen. Dabei sind Kläranlagenbetreiber und Klärschlammentsorger gleichermaßen betroffen. Nach der Verordnung zur Neuordnung der Klärschlammverwertung (Ab-fKlärVNOV) haben Klärschlammerzeuger, die im Kalenderjahr 2023 eine Abwasserbehand-lungsanlage betreiben, der zuständigen Behörde bis spätestens 31. Dezember 2023 einen Bericht über die geplanten und eingeleiteten Maßnahmen zur Sicherstellung der ab 1. Ja-nuar 2029 durchzuführenden Phosphorrückgewinnung, zur Auf- oder Einbringung von Klär-schlamm auf oder in Böden oder zur sonstigen Klärschlammentsorgung im Sinne des Kreis-laufwirtschaftsgesetzes vorzulegen.

Der Landtag möge beschließen:

Vor dem Hintergrund, frühzeitig möglichst nachhaltige Verfahren zur umweltgerechten Entsorgung von Klärschlämmen und der Rückgewinnung von Ressourcen für den Stoffkreislauf zu entwickeln und vor Ort umzusetzen, wird die Landesregierung aufgefordert, im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel

1. gemeinsam mit den relevanten Akteurinnen und Akteuren ein Konzept zur Verwertung und Entsorgung von Klärschlämmen zu erstellen und dabei entsprechend der dezentra-len und flächenhaften Struktur im Land Brandenburg die Umsetzung eines räumlich aus-differenzierten Kaskadenmodells für die verschiedenen Schlammbehandlungsverfahren (u.a. Eindickung, Entwässerung, Trocknung, Verbrennung) zu prüfen;

2. ein Maßnahmenprogramm zur Rückgewinnung von Phosphor zu erarbeiten und dessen Umsetzung u. a. durch eine Informationsplattform für Betroffene zu unterstützen;

3. zu prüfen, inwieweit der Betrieb einer innovativen Pilotanlage zur Klärschlammaufbereitung und Phosphorrückgewinnung im Land Brandenburg unterstützt werden kann;

4. sich gegenüber dem Bund einzusetzen, den Aufbau regionaler Lösungen bei der Klärschlammverwertung und Phosphorrückgewinnung sowie die Entwicklung von innovativen Verfahren zur Phosphorrückgewinnung zu unterstützen;

5. bei der Neuerrichtung von Anlagen die berechtigten Interessen der Betroffenen zu berücksichtigen und aktiv den Dialog zu suchen.

Begründung:

Seit dem Beginn der Abwasserreinigung war der im Klärschlamm enthaltene Phosphor über viele Jahre ein begehrtes Düngemittel für die Landwirtschaft. Der Rohstoff trägt weltweit dazu bei, die Ernährung der Weltbevölkerung zu sichern.

Der im Klärschlamm enthaltene Phosphor wird deshalb heute immer weniger als Abfall, son-dern mehr als wertvolle Ressource betrachtet. Die Erfahrungen im Umgang mit Klärschlämmen haben aber gezeigt, dass neben den im Klärschlamm enthaltenen wichtigen Nährstoffen auch Schadstoffe auf die Felder gelangen. So trat ab den 1980er Jahren an die Stelle der landwirtschaftlichen Verwertung die reine Entsorgung von Klärschlamm auf Deponien in den Vordergrund. Heute wird Klärschlamm thermisch durch Mitverbrennung in Kohlekraftwerken oder Monoverbrennung entsorgt. Die Verbringung des Klärschlamms ist aber sehr häufig mit weiten Transportwegen zu den Entsorgungsanlagen in ganz Deutschland verbunden. Daraus ergeben sich für Entsorger und Verwerter steigende Kosten. Laut Statistischem Bundesamt fallen rund 1,8 Millionen Tonnen des Schlamms jährlich in Deutschland an. In-nerhalb von zehn Jahren hat sich dabei die Verwertung auf oder im Boden halbiert. Der verbrannte Anteil von kommunalem Klärschlamm lag im Jahr 2018 bei etwa 74 Prozent.

Mit Inkrafttreten der novellierten Klärschlammverordnung spielen insbesondere Kläranlagen-Kooperationen eine immer wichtigere Rolle. So sieht die Klärschlammkooperation Ostwestfalen-Lippe u. a. die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens vor, bei dem Mitte Februar 2020 ca. 57 Kommunen, Verbände und Gesellschaften aus der Region einen Ko-operationsvertrag unterzeichneten. Ziel der Kooperation ist es, mit einem strategischen Partner eine Klärschlammverbrennungsanlage zu errichten und diese zukünftig gemeinsam zu nutzen.

In den kommenden Jahren werden erhebliche Investitionen in moderne Verbrennungskapazitäten und Phosphor-Rückgewinnungstechnologien erforderlich sein. Immer mehr Abwasserentsorger schließen sich zusammen, um neue Konzepte zur Klärschlammentsorgung zu erarbeiten. Beispielsweise haben im Jahr 2019 Hamburg Wasser und Remondis den Grundstein für eine neue Phosphor-Rückgewinnungsanlage auf dem Klärwerk Hamburg gelegt, die erstmals im großtechnischen Maßstab das TetraPhos-Verfahren anwendet. Es ist eines von mehreren entwickelten innovativen Verfahren, welche Klärschlämme stofflich und ener-getisch verwerten. Beim TetraPhos-Verfahren wird der Rohstoff Phosphor in Form von Phosphorsäure als multipel einsatzfähiger Grundstoff zurückgewonnen. Vorteilhaft ist zu-dem die Gewinnung von Gips und wertvollen Metallsalzen aus den Aschen als weitere Handelsgüter.

Hervorzuheben ist, dass mit dem Aufbau regionaler Lösungen bei der Klärschlammverwertung und Phosphorrückgewinnung durch eigene Monoverbrennungskapazitäten kalkulier-bare und stabile Entsorgungskosten für einen langen Zeitraum für alle projektbeteiligten Kommunen, Unternehmen und Bürger geschaffen werden können. Unter Einbindung aller Klärschlammerzeuger in der Region können zudem Im- und Exporte von Klärschlämmen vermieden werden. Wirtschaftspolitisch leistet eine Phosphorrückgewinnung mit angeschlossener Monoverbrennung in der Fläche Brandenburgs, beispielsweise in der Lausitz, einen wichtigen Beitrag für die Strukturentwicklung. Insbesondere in ländlich geprägten Regionen führt dies mittelfristig zu einer Förderung dezentraler Gewerbeansiedlungen und positiver Demographieeffekte durch eine weiterhin kostengünstige Abwasserentsorgung.

All diesen Entwicklungen muss auch die künftige Behandlung und Entsorgung von Klärschlämmen in Brandenburg begegnen. Kläranlagenbetreiber und Klärschlammentsorger sind davon gleichermaßen betroffen. Bundesweit geht es vor allem um die Entwicklung und Etablierung neuer Techniken zur Rückgewinnung des im Klärschlamm bzw. in der Klärschlammverbrennungsasche enthaltenen Phosphors. Regionalen und länderübergreifen-den Ansätzen kommt hierbei eine wichtige Bedeutung zu, denn um Klärschlamm(KS)-Mono-verbrennungs- oder Phosphorrückgewinnungsanlagen wirtschaftlich betreiben zu können, sind große Eingangsmengen an Klärschlamm bzw. Klärschlammaschen erforderlich. Durch die verhältnismäßig kleinskaligen und dezentralen Strukturen im Land Brandenburg können diese nur über die Fläche generiert werden. Die Ausgangssituation des Landes Brandenburg ist also grundsätzlich anders zu bewerten und zu adressieren, als im Falle von Ballungsgebieten und dichten Industriestandorten. Wichtig ist deshalb, die gesetzlichen Über-gangszeiten zu nutzen, um zusammen mit Brandenburger Abwasserverbänden und Betrei-bern von Kläranlagen ein Konzept zur Verwertung und Beseitigung von Klärschlämmen zu entwickeln. Ein solches Konzept könnte beispielsweise auch Möglichkeiten aufzeigen, in-wieweit Schadstoffanteile im Klärschlamm im Vorfeld der Verwertungsverfahren noch stärker als bisher reduziert werden können und ein räumlich ausdifferenziertes Kaskadenmodell für die verschiedenen Schlammbehandlungsverfahren (u.a. Eindickung, Entwässerung, Trocknung, Verbrennung) umgesetzt werden kann. Als übergeordnetes Ziel sind Maßnahmen umzusetzen, die eine umweltverträgliche mit einer ressourcenschonenden Phosphor-rückgewinnung gekoppelte Klärschlammentsorgung sicherstellen. Ein entsprechendes Maßnahmenprogramm zur Klärschlammverwertung und Rückgewinnung von Phosphor gilt es in den nächsten Jahren in Brandenburg zu etablieren.