- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Liebe Kolleg*innen, werte Gäste,
meine Vorredner*innen sind schon ausführlich darauf eingegangen, worum es im Untersuchungsausschuss ging, dessen Abschlussbericht wir heute beschließen: Um die Krisenpolitik der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Coronavirus.
Lassen Sie mich voranstellen: Die politischen Maßnahmen während der Pandemie müssen kritisch evaluiert werden. Wir wissen inzwischen mehr über das Virus und seine Auswirkungen. Wir können im Nachhinein Maßnahmen besser bewerten. Auch Gerichte haben eine ganze Reihe von Maßnahmen überprüft.
Unterm Strich kann man festhalten, dass einzelne Maßnahmen sich nachträglich als ungeeignet erwiesen haben und ebenfalls einzelne Maßnahmen von Gerichten aufgehoben wurden. Der überwiegende Teil jedoch wurde und wird von der deutlich Mehrheit der Bevölkerung mitgetragen.
Ein Untersuchungsausschuss ist jedoch nicht das richtige Instrument zur Klärung dieser Fragen. Vielmehr muss die Diskussion gesellschaftlich breit geführt werden, in den Fachausschüssen und Gremien, in den Medien, in wissenschaftlichen Studien in der rechtlichen Würdigung. Diese Debatte ist wichtig und richtig. Und sie passiert – bereits seit Beginn der Pandemie und auch jetzt im Nachgang.
Was passierte aber nun in diesem Ausschuss. Laut Einsetzungsbeschluss sollte er u.a. „… aufklären, ob das Handeln (…) der Brandenburger Landesregierung“ vor und während der Pandemie „geeignet, erforderlich und angemessen war(en)“. Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit – vielleicht klingt dieser Dreiklang vertraut – das sind die klassischen Kriterien einer juristischen Verhältnismäßigkeitsprüfung. Eine solche muss aber durch Gerichte erfolgen, nicht durch einen Landtagsausschuss. Wir haben schließlich Gewaltenteilung. Stattdessen soll ein Untersuchungsausschuss gemäß § 1 UAG „…Sachverhalte, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegt“ untersuchen.
Darum, irgendetwas aufzuklären, ging es der AfD jedoch offensichtlich nicht. Ihre Bewertung stand längst fest, nämlich dass die Krisenpolitik unverhältnismäßig gewesen sei. Ein großer Teil der Fragen war rein rhetorischer Natur. Mehr noch, Fragestellungen wurden als Bühne genutzt um bereits feststehende Meinungen auf großer Bühne mit prominenten Zeugen und Sachverständigen zu inszenieren. Und auch, um beständig neues Material für Podcasts, Social-Media-Posts und andere Formate der AfD zu produzieren. So ist auch zu erklären, warum der Ausschussvorsitzende mehrmals feststellen musste, dass die AfD Informationen aus nichtöffentlichen Sitzungsteilen veröffentlichte.
Untersuchungsausschüsse sind nicht dazu da, politische Meinungen gegeneinander antreten zu lassen oder einen wissenschaftlichen Streit auszufechten.
Ich will ihnen auch mal plastisch darstellen, wie eine typische Sitzung des so ablief. Spätestens in der 2. Fragerunde sollten die Verfahrensregeln einer Beweisaufnahme allen Beteiligten klar gewesen sein. Die AfD-Mitglieder brachen sie aber immer wieder – und zwar wider besseren Wissens.
Sie stellten Fragen, die von ihrem eigenen Einsetzungsbeschluss oder Beweisantrag gar nicht gedeckt waren. Sie fragten nach Informationen, die man mit einmal Googlen auf den Seiten des Gesundheitsministeriums findet. Sie fragten außerhalb des Untersuchungszeitraums.
Sie fragten teils ohne jeglichen Bezug zu Brandenburg, obwohl das nun mal für einen Landtagsausschuss Voraussetzung ist.
Sie fragten zur Bundesebene, was logischerweise nur in einem Untersuchungsausschuss auf Bundesebene beantwortet werden kann.
Sie fragten Zeug*innen nach persönlichen Bewertungen, obwohl diese laut Gesetz nur Tatsachen referieren dürfen. Sie stellten Fragen wiederholt, wobei uns Zeug*innen fragend ansahen, ob sie das jetzt wirklich noch mal und noch mal beantworten müssen.
Und schließlich verlangte die AfD den Befragten teils hellseherische Fähigkeiten ab, wenn sie einen hypothetischen Ablauf der Pandemie konstruieren wollte. Denn niemand kann die Frage seriös beantworten, ob die Maßnahmen etwa „die besten waren, die getroffen werden konnten?“
Wir anderen Ausschussmitglieder hätten inzwischen alle im Chor die §§ des UAG herunterbeten können, die die AfD Fraktion immer wieder brach.
Erwartbar daher also, dass der Vorsitzende einen Großteil der Fragen als unzulässig erklären musste. Was natürlich erneut Vorwand für die AfD bot, sich als Opfer zu stilisieren, das mundtot gemacht werden solle.
Schließlich ließ die AfD-Fraktion ja auch einige Ablehnungen per Klage vor dem Landesverfassungsgericht überprüfen. Das war ihr gutes Recht. Allerdings war das wohl ein Schuss in den Ofen, nicht nur wegen des ablehnenden Urteils, sondern auch weil das Verfahren vielmehr den Missbrauch des Untersuchungsausschusses durch die AfD aufzeigte.
Lassen Sie dazu mich aus der Stellungnahme des Verfahrensbevollmächtigten des Ausschusses zitieren: "das scharfe Schwert des Beweisrechts [wird] eingesetzt […], um politische Gegner (…) zu bekämpfen oder einen Untersuchungsausschuss, der Hoheitsgewalt ausübt und in Grundrechte eingreifen kann, zu schlichten politischen Kampfzwecken zu instrumentalisieren. Missbräuchlich ist es schließlich, wenn ein Beweisantrag kein konkretes Aufklärungsziel erkennen lässt, sondern offensichtlich nur der Selbstinszenierung dient, etwa indem politische Gegner (zumal als Zeugen aufgrund fantasievoll konstruierter Erkenntnisziele) öffentlich vorgeführt werden oder die Untersuchung zum Event deformiert wird, das der öffentlichen Aufmerksamkeit dient….“
Die abgelehnten Beweisanträge seien „ohne konkretes Aufklärungsziel ins Blaue hinein gestellt wurden, um politische Prominenz […] befragen zu können.“ (…) „… Ginge es tatsächlich um eine ernsthafte Kontrolle der Landesexekutive, hätte man sich auf die Befragung der thematisch betroffenen Landesregierungsmitglieder konzentriert.
Der Antragsgegner musste daher das Vorgehen der Antragstellenden als objektiv missbräuchlich bewerten, … und die Anträge – auch zum Schutz der Betroffenen und deren Integrität vor einer willkürlichen Inanspruchnahme als Zeugen zum politischen Selbstzweck – ablehnen“.
Was für eine Missachtung dieses wichtigen parlamentarischen Instruments des Untersuchungsausschusses. Was für eine grandiose Verschwendung von Zeit, Geld und Ressourcen. Abgeordnete wurden über drei Jahre lang für regelmäßige, langwierige und Sitzungen eingespannt, der Landtag und die Fraktionen mussten qualifiziertes Personal einstellen und im übrigen auch zusätzlich bezahlen, zahlreiche Zeug*innen und Sachverständige, das Verfassungsgericht und Rechtsanwälte wurden in Anspruch genommen und die Landesregierung musste aufwendige Berichte fertigen. Dies alles kostete Unsummen und band Kapazitäten, die auch bei der Bewältigung der Pandemie fehlten. Und das insbesondere in der frühen Phase der Pandemie, als medizinisches Personal, Personal aus dem Gesundheitsministerium oder aus den Impfzentren Stunden oder ganze Tage absitzen musste und nicht die eigentlich dringende, wichtige Arbeit machen konnte: nämlich die Pandemie zu bekämpfen.
Was bleibt? Das Ergebnis des Untersuchungsausschusses reduziert sich auf die Feststellung, dass verschiedene Meinungen darüber existieren, was in der Krisenpolitik richtig oder falsch war. Und darauf, dass es unterschiedliche Bereitschaften gibt, wissenschaftliche Erkenntnisse zur Kenntnis zu nehmen und rechtsstaatliche Verfahren zu respektieren.