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Rede im Landtag: Mehr Verfassung, mehr Beteiligung!

- Es gilt das gesprochene Wort!

Gestern Abend musste ich mich von meiner Tochter fragen lassen, wozu ich denn nun morgen schon wieder rede. Die Anschlussfrage war natürlich gleich: „Was ist eine Verfassung?“ Dass es da um die grundlegenden Regeln des Zusammenlebens geht, fand sie noch sehr spannend. Als es dann aber konkreter wurde,

  • friedliches Zusammenleben,
  • niemand darf wegen der Herkunft schlechter behandelt werden,
  • Meinungsfreiheit,

da wurde es ihr schnell zu langweilig und ich durfte sie dann auch mal zu Bett bringen. Wo sie mir dann noch sagte: Das lernen wir alles schon in der Kita. Warum wir da noch lange reden müssen?! Das, diese Selbstverständlichkeit nach 30 Jahren Landesverfassung, ist doch wirklich ein Grund zu feiern! Wie hart diese Selbstverständlichkeiten erkämpft wurden, haben wir gestern bei der Feierstunde gehört.

Prof. Härtel hat sehr gut herausgearbeitet, dass Verfassung immer ein Auftrag ist. Dass Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit immer auseinanderfallen. Und dass es unser aller Dauer-Aufgabe ist, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit kleiner und kleiner werden zu lassen. Heute wollen wir die Verfassung ändern. Genauer gesagt: erweitern. Denn die grundlegenden Regeln sind so gut gemacht, dass wir nur hinzufügen müssen.

Bevor wir aber den Verfassungstext erweitern, müssen wir uns doch erst einmal fragen: Kommen wir denn überhaupt dem Auftrag nach, die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit kleiner und kleiner werden zu lassen? Aus meiner Sicht kann die Antwort aller Demokrat*innen in diesem Hause sein ein selbstbewusstes „Ja“ sein.

  • Artikel 26 (3), Schutz vor häuslicher Gewalt: gemeinsam haben wir die Plätze in Frauenhäusern ausgebaut, und werden das auch fortsetzen
  • Artikel 45, soziale Sicherung: Brandenburg war und bleibt Vorreiter beim Mindestlohn
  • Artikel 45 (3), Pflege im Alter: mit einem millionenschweren Förderprogramm machen wir die Lücke kleiner!
  • Artikel 40, Verteilung Grund und Boden: wir arbeiten fraktionsübergreifend an einer neuen Agrarstruktur, ich schaue da die Linke an. Gerade erst haben wir hier im Parlament den Auftrag für ein Agrarstrukturgesetz gegeben.
  • Artikel 39, Schutz der Natur: Hier ist die Lücke besonders groß. Und wir machen sie kleiner. Mit einem Niedrigwasserkonzept zum Schutz unseres wertvollsten Guts. Und mit einem millionenschweren Moorschutzprogramm sparen wir mehr CO2 ein als im gesamten Verkehrsbereich!
  • Artikel 18, Recht auf Asyl: auf das Programm für die Jesid*innen in der letzten Legislatur und auf das aktuelle Landesaufnahmeprogramm können wir stolz sein!
  • Und zuletzt, aber sicher nicht abschließend Artikel 12, Gleichheit und Schutz vor Diskriminierung: wir haben neu eine Stelle des/der Polizeibeauftragten geschaffen. Und das Tolerante Brandenburg hat unser aller Unterstützung als unser Bollwerk gegen rechts!

Natürlich bleibt Verfassungswirklichkeit eine Daueraufgabe.

Aber wir können als Parlament selbstbewusst sagen: wir erweitern den Anspruch noch, wir legen noch etwas obendrauf. Auch das mit konkreten Folgen, erkennbar an den Entschließungsanträgen heute. Nur als Beispiel die Förderung jüdischen Lebens: Die AfD hat sich gestern beklagt, dass könne finanzielle Ansprüche auslösen. Aus meiner Sicht ist das ein Grund für Applaus!

Nun sollten wir bei Verfassungsänderungen behutsam sein, damit es nicht beliebig wird. Zugleich muss eine Verfassung mit der Zeit wachsen. Meine Co- Vorsitzende hat unsere bündnisgrünen Ideen hierfür gestern schon vorgebracht. Ich möchte sie daher nicht wiederholen, sondern mit einem Vorschlag abschließen, der gestern bei uns in der Fraktion entstanden ist. Wir finden den gut und haben eigentlich gedacht, damit stünden wir allein. Der Presse habe ich entnommen, dass wir doch nicht so allein sind.

Gestern haben wir hier auch den Auftrag vernommen, die Werte der Verfassung an die kommenden Generationen weiterzugeben. Sie „in Geschichten einzuweben“. Unsere Kitas und Schulen machen da schon einen guten Job. Aber nicht zuletzt durch Corona ist die Verbindung der Menschen zur Verfassung wahrlich nicht größer geworden.

Lassen Sie uns zum 35. Jubiläum der Verfassung ein „Verfassungsfest“ auf die Beine stellen und diese Verbindung stärken. Und dabei auch Anregungen für weitere behutsame Ergänzungen der Verfassung sammeln. Ganz im Sinne der Präambel: „Wir Bürgerinnen und Bürger des Landes Brandenburg…“

Vielen Dank!

Weiterführende Informationen

Rede zu: Gesetzentwurf "Achtes Gesetz zur Änderung der Verfassung des Landes Brandenburg" (TOP 2 der 70. Plenarsitzung)