- Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, liebe Mitmenschen in Brandenburg,
die Evaluation des Paktes für Pflege stellt eindeutig fest: Brandenburg hat das weitreichendste Maßnahmenpaket in Deutschland auf den Weg gebracht. Gerade die wichtigste Säule, Pflege vor Ort, stärkt nachweisbar die intrinsische Motivation der vielen Menschen, die sich engagieren. Profis, Ehrenamtliche, Familien. Und, was besonders wichtig ist aus meiner Sicht: die Wertschätzung all dieser Menschen, die sich in den Kommunen als konkret wirksam erleben. Das ist für mich das wirklich Entscheidende. Brandenburg hat sich auf den Weg gemacht, auf den aus meiner Sicht endlich wirklich zukunftsweisenden.
Es ist ja nicht so, dass das Thema Pflege quasi plötzlich und unerwartet auf die Agenda kommt. Es ist nur so gar nicht sexy. In unserer Gesellschaft, die so auf Leistungsfähigkeit getrimmt ist, wo es mehr Tipps gibt für die Selbstoptimierung, wo Fitnessuhren streng messen, ob das Gewicht in der Norm liegt, wo jugendliche Ausstrahlung in einem straffen Körper ein Wert an sich zu sein scheint, kann man politisch mit diesem Thema nicht gerade Jubelstürme auslösen. Vielleicht, weil sich niemand so richtig gern mit der eigenen Verletzlichkeit konfrontiert? Weil man nicht so recht wahr haben möchte, dass einem selbst schon morgen etwas geschehen kann, was einen aus der Bahn wirft, wo man auf Pflege angewiesen sein könnte?
Das Thema ist eigentlich nicht neu. Schon 1980 titelte das Deutsche Ärzteblatt „Krankenpflege im Krankenstand“. Und ab da wurde rumgedoktert, ohne wirklich systemisch etwas zu verändern.
Okay, die Pflegeversicherung, die war eine echte Maßnahme, verabschiedet nach unendlichen Debatten. Als sie dann verabschiedet war, da hatte man das Gefühl: „So, nu is aber auch mal gut, wir haben reagiert, das muss reichen.“
Nein, es reichte eben nicht, wie wir seit einigen Jahren sehr genau wissen. Denn die Zahl der zu pflegenden Menschen steigt schneller, als die Zahl derer, die professionell pflegen.
Brandenburg hat mit dem Pakt für Pflege richtig reagiert. Denn es wurden zunächst mal die richtigen Fragen gestellt:
- Wen muss man stärken? - Wer ist unbedingt einzubeziehen in die Pflege? - Was wollen Menschen eigentlich, die Hilfe brauchen? - Ist es möglich, Pflegebedürftigkeit so weit als möglich zu vermeiden? Was braucht es, um genau das zu erreichen?
Und so weiter.
Wenn man so will, ist vor allem mit Pflege vor Ort der Blickwinkel auf das Thema verändert worden. Es wird klar, dass in den Kommunen Netzwerke entstehen müssen. Denn VOR der Pflege passiert, gerade bei älteren Menschen, etwas anderes: Sie werden einsam, haben niemanden zum Reden, sind nicht mehr in der Lage, soziale Kontakte zu pflegen, weil sie nicht mehr Auto fahren können oder der Bus nicht fährt. All das macht erst einsam. Dann krank. Und häufig auch pflegebedürftig.
Pflege vor Ort setzt genau da an. Und regelt eben nicht standardisiert, dass alle Kommunen exakt dasselbe machen müssen. Nein, es geht darum, dass Menschen in der Kommune IHRE Wege finden. Und sie finden Wege, die tragen und das Thema mitten hinein holen ins Leben der Gemeinde, des Dorfes, des Landkreises, der Stadt.
Es gibt aber auch Klippen, die dringend angegangen werden müssen, und die haben mit den professionellen Pflegekräften zu tun. Der Pakt für Pflege hat auch das im Blick.
Ich rede von unserer Unfähigkeit, jedenfalls bisher, Menschen verantwortlich arbeiten zu lassen. Das ist, ich gebe es zu, ein weites Feld, wie der alte Fontane sagen würde.
Brandenburg geht es an. Aus dem Pakt für Pflege wird in Luckau eine Gemeindeschwester finanziert. Sie sucht die Menschen zuhause auf, ist im direkten Kontakt, ihre Aufgabe: Gesundheit fördern, Krankheit verhindern. Sie ist gewissermaßen ein extrem wichtiger Mosaikstein beim Zusammenspiel von Ärzten und Ärztinnen, die deutlich entlastet werden und all denen, die mit ihren Patient*innen zu tun haben.
Es klingt so logisch: Geteilte Verantwortung, entlastende Arbeit, die so erfüllend ist… das sagen alle Erfahrungen, die in anderen Ländern längst gemacht werden. Mit Communitiy Health Nurses. Okay, am Begriff können wir noch arbeiten, mir gefällt Gemeindeschwester auch besser, weil gerade für ältere Leute verständlicher.
Entscheidender aber: schauen wir uns an, was Pflegekräfte in Finnland für Kompetenzen haben, sie leiten dort bestimmte Versorgungszentren komplett.
Oder ich erinnere an die Reise des Ausschusses nach Den Haag. Wir alle waren völlig fasziniert von Buurtzorg (Bürtsorg). Was übersetzt Nachbarschaftshilfe bedeutet. Und genau das macht, was mit der Pflege vor Ort auf unsere Weise begonnen wurde: selbständig arbeitende Pflegekräfte, die im Sozialraum agieren, alle einbeziehen – also Nachbarn, Freund*innen, Familie -, heraus finden, wer kann was machen, ohne überfordert zu werden.
Voraussetzung ist aber, dass wir in Deutschland, und das trifft auf den gesamten Gesundheitssektor zu, berufsständige Eitelkeiten zur Seite legen und im Netzwerk arbeiten. Jeder und jede mit Verantwortung.
Brandenburg jedenfalls hat sich auf den Weg gemacht. Auf einen guten Weg, wir können durchaus darauf stolz sein. Aber nicht zu sehr bitte! Verstetigung ist nötig. Und Regelungen im Bund, damit mehr möglich wird. Im Interesse von uns allen.