Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann Emotionalität bei diesem Thema komplett verstehen, Herr Kretschmer. Was ich nicht gut finde, und das habe ich hier in anderen
Zusammenhängen schon einmal gesagt, ist, wenn wir zusätzliche Emotionalität in ein Thema bringen, das schwierig genug ist, und vorzugsweise mit Starkdeutsch arbeiten.
Laut Infektionsschutzgesetz, das ist erwähnt worden, haben Menschen das Recht, unter bestimmten Umständen Entschädigungszahlungen zu beantragen und nach Prüfung auch zu erhalten.
Das haben die Menschen getan. Für wen das unter welchen Umständen gilt, hat Ronny Kretschmer umfassend geschildert. Das ist von vielen anderen, die hier gestanden haben, schon gesagt worden.
Es gibt an dieser Situation in der Tat überhaupt nichts zu beschönigen. Sie ist nicht gut. Diese Sätze zum Thema Entschädigungszahlungen nach diesem Gesetz hätte vor - sagen wir mal -
zwei Jahren niemand von uns gesagt - nicht weil es das Gesetz nicht gegeben hätte, sondern weil die Aufmerksamkeit für die, die da Anträge zu bearbeiten hatten, nicht gerade überwältigend
war.
Herr Keller, Sie sprachen von ein paar Hundert. Nach meiner Kenntnis ist das schon extrem hoch gegriffen. Es war ein bisschen mehr als eine Handvoll pro Jahr, es lief schon irgendwie. -
Und dann kam Corona. Und dann kam eine wahre Flut von Anträgen - Zehntausende -, in der Tat, von Menschen, die ein Recht darauf haben, dass die Anträge schnell bearbeitet werden, was
- Herr Kretschmer, völlig korrekt - nicht gut lief und nicht der Fall ist. Es ging erheblich zu langsam, und es ist richtig: Es sind die organisatorischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen
zu schaffen, um den Antragsstau abzubauen. Und weil wir alle viele Fragen zu genau diesem Thema hatten, wurden all diese - das ist, glaube ich, von Frau Schier geschildert worden - kürzlich im Ausschuss gestellt, und alle Fragen waren kritische Fragen. Sie können sich offenbar sehr genau erinnern, Sie fragten nachvollziehbar viel, Herr Kretschmer.
(Zuruf des Abgeordneten Kretschmer [DIE LINKE]) - Jaja.
(Zuruf des Abgeordneten Kretschmer [DIE LINKE]) - Ja.
(Zuruf des Abgeordneten Kretschmer [DIE LINKE])
Ein Teil der Antworten war: Wir sind seit einigen Wochen dabei, die organisatorischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen zu schaffen. - Jetzt kann man sagen: spät, in der Tat. Es wird aber nicht schneller, wenn wir jetzt noch einmal fordern, die organisatorischen, finanziellen und personellen Voraussetzungen zu schaffen. Exakt das passiert. Es wurde vor allem von der Präsidentin des Landesamtes, Liane Klocek, en détail geschildert, was genau sie damit meint. Ein paar Zahlen zu Einstellungen sind hier auch genannt worden. Das war alles nicht direkt zum Jubeln, aber es war eine ehrliche Antwort.
In jener Sitzung wurde übrigens auch die Frage nach den Abschlagszahlungen insofern beantwortet, als gesagt wurde, dass sie keine gute Idee seien. So war die Antwort; Sie erinnern sich
vielleicht. Das Landesamt hatte offenbar diese Idee, verwarf sie aber nach Rücksprache mit anderen Bundesländern, die das mal umgesetzt und damit schlechte Erfahrungen gemacht haben; sie
rieten dringend ab.
Und ja, wir können uns an positiven oder negativen Beispielen entlanghangeln. Es ist eine unschöne Situation für die Leute. Ich würde heftig bezweifeln wollen - ich bin selbst, wenn Sie so wollen,
eine der Kleinunternehmerinnen, die im Zweifel gemeint sind -, dass daran reihenweise Betroffene pleitegehen. Das glaube ich nicht. Es ist eine sehr ungerechte Situation, es ist eine sehr unschöne Situation für die Leute, die betroffen sind, das ist wohl richtig. Aber dass jetzt hier reihenweise Unternehmen pleitegehen, das würde ich bestreiten.
Und da Sie alle darauf abgehoben haben, dass es nicht richtig sei, dass zu wenig Leute da seien und dass man das alles hätte früher bemerken können: Ich habe mir einmal sehr genau die
Stellenplanungen in diesem Ministerium angeschaut, das über die verschiedenen Legislaturen hinweg mal so zusammengeschnittenwar, mal so geschnitten war, mal kam etwas dazu, mal ging etwas weg. Exakt in der Legislatur von 2009 bis 2014 wurde im Bereich Gesundheit, genau in den Bereichen, von denen wir jetzt reden, wo wir jetzt gute Leute brauchen, die zum Beispiel diese Anträge bearbeiten, massiv gekürzt, fand massiver Stellenabbauunter dem großen Motto statt: Wir müssen effektiver und effizienter werden. - Das ist in wenigen Jahren nicht wieder aufzuholen, und schon gar nicht in einer Ausnahmesituation.
Das ist nicht als Entschuldigung für die sehr langsame Bearbeitung dieser Anträge zu verstehen; nicht, dass Sie mich missverstehen. Aber nicht zur Kenntnis zu nehmen, dass das auch eine Rolle spielt, lässt einen Teil der Wahrheit aus. Ich finde …
Vizepräsidentin Richstein: Frau Abgeordnete, lassen Sie zum Ende Ihrer Rede eine Zwischenfrage zu?
Frau Abg. Kniestedt (B90/GRÜNE): … wir merken seit mindestens einem Jahr … - Nein. Ich bin gleich fertig.
Vizepräsidentin Richstein: Müssen Sie auch sein, denn Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Frau Abg. Kniestedt (B90/GRÜNE): Ich bin gleich fertig. - Wir merken jetzt seit mindestens einem Jahr, wie wichtig das ist, wie sehr gute Leute an bestimmten Stellen gebraucht werden und dass es nicht immer darum gehenkann, abzubauen, abzubauen, abzubauen. Die Quittung kriegen wir hier oder an anderen Stellen früher oder später. - Danke.
Vizepräsidentin Richstein: Es wurde eine Kurzintervention angezeigt. - Herr Abgeordneter Walter, bitte.
Herr Abg. Walter (DIE LINKE): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, Kollegin Kniestedt, Sie wollen hier den angeblichen Stellenabbau in den letzten Jahren unserer Verantwortungszeit, als wir noch das Sozialministerium geführt haben - Sie spielen ja darauf an -, als Entschuldigung für das Problem benennen. Deshalb will ich Sie an der Stelle zumindest einmal fragen, ob Sie zwei Dinge zur Kenntnis nehmen:
Erstens: Wenn Sie sich den Stellenplan von 2014 bis 2019 einmal genau anschauen, stellen Sie fest: 2014 hatten wir im damaligen MASGF 496 Stellen, zum Ende der letzten Legislatur waren
es 964 Stellen. Ich frage Sie: Nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir gerade im Gesundheitsbereich einen Stellenaufwuchs, und zwar einen sehr deutlichen, hatten?
Ich stelle Ihnen die zweite Frage: Nehmen Sie eigentlich auch zur Kenntnis, dass Sie jetzt schon seit zwei Jahren regieren und seit zwei Jahren dieses Haus führen?
Ich sage Ihnen eines: Wissen Sie, was das Problem ist? Das Problem ist - und das haben Sie richtig genannt -: Es geht nicht, dass wir immer nur kürzen, kürzen, kürzen. Aber an der Stelle haben wir das überhaupt nicht getan. Ich glaube viel eher - und das ist ja nicht das erste Problem, das das MSGIV unter Ihrer Verantwortung hat -, dass das ein Problem der Organisation und Führung ist. Das können Sie doch wirklich nicht mehr verschweigen und auch nicht mehr wegwischen. Hier geht es um Selbstverständlichkeiten, und Sie bekommen nicht einmal die Selbstverständlichkeiten hin. Das ist doch das Problem, und da verlieren wir Vertrauen in der Bevölkerung. Deshalb: Hören Sie bitte auf, jedes Problem, das das MSGIV zum Großteil selbst schafft,
immer darauf zu schieben - Ihre Landesvorsitzende hat das auch schon getan -, dass es angeblich Stellenkürzungen gegeben habe. Das stimmt einfach nicht! Deshalb: Machen Sie an der
Stelle Ihren Job! - Vielen Dank.
Vizepräsidentin Richstein: Frau Abgeordnete Kniestedt, möchten Sie erwidern? - Ja, sie möchte.
Frau Abg. Kniestedt (B90/GRÜNE): Wissen Sie, Herr Walter, interessant war für mich jetzt eine Sache: Ich habe ganz ausdrücklich - und zwar nicht, weil ich vergessen hätte, wer zwischen 2009 und 2014 verantwortlich war - darauf verzichtet, mit dem Finger auf wen auch immer zu zeigen. Ich habe eine Situation geschildert, die zu einem massiven Stellenabbau geführt hat. Und Sie haben recht, es gab dann auch wieder einen Aufwuchs. Aber der konnte den Abbau in bestimmten Bereichen nicht kompensieren. Das ist so. Und wohin welche Stellen kommen - wir können absolute Zahlen nehmen und sie klingen super -, ist noch eine ganz andere Frage.
Ich sage Ihnen: Sie haben mich jetzt hier reden hören. Ich habe nicht den Eindruck, dass ich die Situation in irgendeiner Weise beschönige. Das ist nicht der Fall. Ich habe, wenn Sie so wollen, in aller Demut anerkannt, dass es ein Problem gibt. Aber ich glaube nicht, dass wir das Problem lösen, indem wir Dinge, die in der Vergangenheit, unter wessen Ägide auch immer, gelaufen
sind, verschweigen. Wir sollten uns vorbereiten auf Zeiten, die kommen, und dann nicht wieder über Stellenabbau reden, weil es gerade einmal besonders gut läuft und wir glauben, wir brauchen
die Leute im Ministerium dann nicht mehr. Das wollte ich sagen, völlig wurst, wer da vorne dransteht.