Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zugegebenermaßen wieder ein Haushaltsthema. Wenn wir heute über die Rückübertragung der überörtlichen Prüfung auf den Landesrechnungshof reden und dazu einen Gesetzentwurf eingebracht haben, hat das damit zu tun, dass wir die Beendigung eines Sonderweges fordern, den Brandenburg in der 4. Wahlperiode eingeschlagen hat.
Von 16 Bundesländern haben lediglich zwei, nämlich das kleine Saarland und Brandenburg, die Zuständigkeit für die überörtliche Kommunalprüfung beim Innenministerium angesiedelt. Das ist das gleiche Ministerium, das für die Haushaltsaufsicht über die Kreise und kreisfreien Städte zuständig ist, beispielsweise für die Genehmigung von Haushalten und Haushaltssicherungskonzepten. Nur liegen Genehmigung und Kontrolle hier in einer Hand, in einer Abteilung.
Kurze Wege über den Flur kann man zwar aus Gründen der Arbeitsökonomie begrüßen; sie bergen aber auch das Risiko von Interessenkonflikten. Wenn dann der Leiter von Abteilung 3 zufälligerweise gleichzeitig Leiter der Kommunalaufsicht ist, potenziert sich die Gefahr von Interessenkonflikten. Das, muss ich sagen, ist hart an der Grenze der Grundlagen des Verwaltungsverfahrensrechts. Das Problem ist: Jede Prüfung von Kommunalfinanzen durch das zuständige kommunale Prüfungsamt beinhaltet implizit auch eine Bewertung über die Qualität der Arbeit der Kollegen des aufsichtführenden Referats 32 und damit der Kolleginnen und Kollegen in den Büros nebenan.
Dass wir die Diskussion zum Gesetzentwurf zur Kreisneugliederung und dem dort gezeichneten verheerenden Bild von der Finanzsituation der kreisfreien Städte Cottbus, Brandenburg an der Havel und Frankfurt (Oder) gestern etwas ausführlicher geführt haben, lässt den Schluss zu, dass dies auch als ein langjähriges Versagen der Kommunalaufsicht und des Kommunalen Prüfungsamtes gewertet werden kann. Aktuelles Beispiel sind, wie gestern von mir aufgezeigt, die Rücklagen in den städtischen Betrieben, die zur Leistung freiwilliger Aufgaben in Cottbus herangezogen wurden. Ich habe gestern dazu ausgeführt, dass wir seit mindestens zehn Jahren eine defizitäre Haushaltslage dieser drei kreisfreien Städte verzeichnen, die praktisch nicht mehr lösbar ist, ohne dass das Land massiv in Unterstützung geht. Das ist letztendlich dieser Konstruktion zu verdanken. Wir gehen davon aus, dass der Landesrechnungshof frühzeitig Alarm geschlagen hätte und die Angelegenheit viel früher zum Politikum geworden wäre.
Es gibt aber auch politische Überlegungen, die sich der Ministerpräsident zu eigen machen sollte, die für eine Wiederherstellung des früheren Zustands sprechen. Thüringens Ministerpräsident Ramelow, der ja auch eine Kommunalreform vorhat, kann sich bei der Begründung für diese Kommunalreform auf den unabhängigen Landesrechnungshof berufen. In Brandenburg kann sich der Ministerpräsident nur auf Aussagen von Referaten des von ihm abhängigen Innenministeriums stützen. Ich denke, das schafft zusätzliche Glaubwürdigkeitsprobleme auf kommunaler Ebene. In Thüringen war es der Landesrechnungshof, der im Jahr 2010 auf Basis einer Sonderprüfung die Kreisgebiets- und Kommunalreform gefordert hat; in Brandenburg war es eine Initiative der Regierung.
Ich zitiere eine Aussage aus einem Prüfbericht des Thüringer Landesrechnungshofs, die für uns vermutlich genauso gilt, aber bei uns wahrscheinlich auf Ablehnung stoßen würde, weil sie eben vom Innenministerium und nicht von einer unabhängigen Prüfinstanz käme:
„Die Prüfungserfahrungen des Rechnungshofs belegen, dass kleine Kommunalverwaltungen Schwierigkeiten haben, ihre Aufgaben rechtskonform zu bewältigen. [ ... ] Aus Sicht des Rechnungshofs kann dieser Befund schon deshalb nicht überraschen, weil die rechtmäßige Erfüllung kommunaler Aufgaben in zunehmendem Maße gut ausgebildetes Personal erfordert. Kleinteilige kommunale Strukturen sind regelmäßig aber nicht in der Lage, das erforderli-che Personal zu gewinnen sowie die dafür erforderlichen Kosten zu tragen. Dass die Vergrößerung kleinteiliger kommunaler Strukturen zu einem erheblichen Einsparpotenzial führt, wird in der Wissenschaft nicht ernsthaft bestritten.“ Das wird dann weiter am Beispiel des E-Governments ausgeführt.
Das heißt, in Thüringen können sich der Ministerpräsident und der Innenminister auf den Landesrechnungshof berufen, während sich unser Innenminister immer nur auf sein eigenes Haus berufen kann. Ein ähnliches Zitat wäre in Brandenburg gar nicht möglich, weil der Landesrechnungshof überhaupt keine Zuständigkeiten dafür hätte.
Nun kommt aber zukünftig ein weiteres Problem auf uns zu. Nach der Einigung des Bundes und der Länder über die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen wachsen dem Bund erweiterte Kompetenzen bei der Finanzierung vor allem in der Bildung zu. In diesem Zusammenhang wurde auch die Verankerung von Erhebungsrechten des Bundesrechnungshofs vereinbart. Dazu zählen zukünftig auch die Unterstützungsleistungen für Bildungsinvestitionen in finanzschwachen Kommunen. Diese Erhebungen des Bundesrechnungshofs haben - so die Vereinbarung - im Be-nehmen mit dem jeweiligen Landesrechnungshof in der Landesverwaltung zu erfolgen. Mit anderen Worten: Der Bundesrechnungshof redet in Zukunft mit, wenn es um die überörtliche Haushaltsprüfung von Landkreisen und kreisfreien Städten geht. Nur hat er im Landesrechnungshof einen nicht zuständigen Ansprechpartner. Ob er sich systemwidrig mit einem Referatsleiter im Innenministerium als Ansprechpartner zufrieden geben wird, steht in den Sternen. Vielleicht überprüft der Bundesrech-nungshof ja dann die finanzschwachen Brandenburger Kommunalverwaltungen unter Umgehung des Innenministeriums direkt. Ich denke, das kann in niemandes Interesse liegen.
Ein weiteres Beispiel dafür, welch wohltuende Wirkung ein Einschalten des Landes-rechnungshofs hätte haben können, ist, dass alle drei der in diesem Jahr vom Steuerzahlerbund Brandenburg monierten Fälle von besonderer Steuermittelverschwendung Kommunen betreffen. Die geplante Verwaltungsstrukturreform ist ein weiteres Argument für die Stärkung des Landesrechnungshofs, denn die entstehenden neuen Landkreise werden größer, komplexer, werden mehr Aufgaben haben, und sie wer-den Aufgaben übernehmen, die bisher vom Landesrechnungshof geprüft wurden, beispielsweise im Forstbereich. Für diese Bereiche bedeutet unser Antrag, dass sich gar nichts ändert; sie bleiben weiter unter Kontrolle des Landesrechnungshofs.
Wir schlagen daher eine Gesetzesänderung vor, mit der die Übertragung auf das Innenministerium aus der 4. Wahlperiode rückgängig gemacht wird. Die Berichte des Landesrechnungshofs sind von der politischen Gewichtung und dem öffentlichen Druck her, den sie in der Regel entfalten, in keiner Weise mit den Berichten des Innenministeriums zu vergleichen, die allerhöchstens ein paar Fachpolitiker interessie-ren. Allein die Tatsache, dass sich die Berichte des Landesrechnungshofs an die politische Ebene richten und auch hier im Hause in diesem Plenum diskutiert werden, trägt viel zu dieser Aufmerksamkeit bei.
Das ist aber nicht der einzige Bestandteil des Gesetzentwurfs, sondern es geht noch um ein zweites Thema, nämlich das Prüfungsrecht über die IHKen. Sie wissen, dass Brandenburg als einziges Bundesland im IHK-Gesetz die IHKen ausdrücklich von der Prüfung durch den Landesrechnungshof ausgenommen hat. Wir hatten schon in der letzten Legislaturperiode den Antrag gestellt, diesen Mangel zu beheben. Herr Christoffers war damals Wirtschaftsminister und hat in Aussicht gestellt, erst einmal abwarten zu wollen, wie die Diskussionen um die Probleme der IHK Potsdam ausgehen würden, und hat Offenheit für dieses Ansinnen signalisiert.
Inzwischen liegen die Ergebnisse vor; Sie kennen sie. Das Argument, die Wirtschaft könne sich gut selbst kontrollieren und brauche keinen Rechnungshof, wurde inzwi-schen hinlänglich widerlegt. Inzwischen wurde der Ex-Präsident der IHK Potsdam auf 250 000 Euro Schadenersatz verklagt. Wie gut und richtig eine externe Aufsicht gewesen wäre, um es dazu gar nicht erst kommen zu lassen - ich denke, das weiß man jetzt.
Der Landesrechnungshof ist gemäß § 111 LHO grundsätzlich für die Überprüfung aller Kammern zuständig und hat dieses Prüfrecht in den letzten Jahren weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ausgeübt. Einzig und allein die lHKen sind landes-rechtlich davon ausgenommen und stellen einen prüfungsfreien Raum unter den Brandenburger Körperschaften des öffentlichen Rechts dar. Also gibt es auch hier einen Brandenburger Sonderweg. Eigentlich kann niemand erklären, warum.
Wer die IHKen erhalten und zugleich die Interessen ihrer Mitglieder optimal wahren will, kommt um die Einführung des Normalzustands in Deutschland, nämlich die Streichung des systemwidrigen Prüfungsverbots für den Landesrechnungshof im IHK-Gesetz, nicht herum.
Im Übrigen halten wir im Ergebnis eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts die Brandenburger Regelung schlichtweg für verfassungswidrig. Es gab inzwischen mehrere Gerichtsurteile in verschiedenen Bundesländern - infolge dessen, dass sich lHKen geweigert hatten, das Prüfungsrecht der Landesrechnungshöfe anzuerkennen. In Schwaben, Sachsen und Thüringen war das beispielsweise der Fall. In allen Gerichtsverfahren wurde am Ende den Landesrechnungshöfen das Prüfungsrecht zugesprochen, und zwar völlig unabhängig davon, was in Detailregelungen enthalten war. Insbesondere das Bundesverwaltungsgericht hatte in Sachsen einen Verstoß gegen das bundesweit geltende Haushaltsgrundsätzegesetz festgestellt. Das gilt, wenn es zu einem Gerichtsverfahren kommt, natürlich auch für Brandenburg. Wir sollten es gar nicht erst auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen, sondern von vornherein einen rechtssicheren Zustand herstellen und die entsprechende Klausel im IHK-Gesetz streichen. - Recht herzlichen Dank.
(Beifall B90/GRÜNE)
Der Gesetzentwurf wurde nicht in den Ausschuss für Inneres und Kommunales überwiesen und wurde abgelehnt.