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Axel Vogel spricht zum Antrag „Perspektiven für die Lausitz“

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- Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, liebe Gäste!

Eine Region fühlt sich abgehängt! Von den beredten Klagen des Cottbuser Oberbürgermeisters über die mangelhafte Finanzausstattung seiner Stadt, Bürgerinitiativen gegen die braune und für eine klare Spree bis hin zum Volksbegehren gegen die Neuordnung der Lausitzer Hochschullandschaft. Es brennt allerorten in der Lausitz und zunehmend brauen sich Ressentimente gegen „die da oben" in Potsdam zusammen wie andernorts gegen Brüssel oder Berlin. Allerhöchste Eisenbahn also sich im Landtag nicht nur erneut mit der Lausitz zu beschäftigen, und sich mit deren Problemen auseinanderzusetzen, sondern auch Lösungsansätze aufzuzeigen.

Das vorliegende Papier täuscht eine Auseinandersetzung mit den Lausitzer Problemen aber allerhöchsten an, formuliert eine Sammelsurium an mehr oder weniger häufig schon ventilierten Ideen bleibt in seinen wesentlichen Grundzügen aber weit hinter dem notwendigen zurück.

In seinen Grundlagen knüpft das Papier immer noch an der Idee des 1952 ausgerufenen „DDR-Kohle-und Energiebezirks Cottbus" an und schreibt dieses mit ein bisschen Nachhaltigkeitslyrik und erneuerbaren Energien angereichert bloß fort, ohne tatsächlich eine grundsätzliche Neuorientierung einzuleiten.

Aber egal wie lange die Braunkohle in der Lausitz am Ende noch gefördert wird, das Ende wird früher oder später kommen und dabei reden wir über Jahrzehnte und nicht über Jahrhunderte. Jede Aussage zur Perspektive dieser Region muss sich daher mit dem Strukturwandel beschäftigen und Perspektiven für die Zeit nach der Braunkohle und auf dem Weg dorthin aufzeigen.

Wir dürfen nicht den Fehler machen, den schon viele Regionen vorher gemacht haben, das unvermeidbare auszublenden. Denn egal ob Mittelengland, Ruhrgebiet oder Lothringen zum Beispiel, wo der Strukturwandel weg von Kohle und Stahl und das Verschwinden der großen Bergwerke zu einer vergleichsweise hohen Arbeitslosigkeit, Abwanderung und schrumpfenden Städten geführt haben; alle Beispiele zeigen, dass allein mit Fördermitteln die Folgen eines Strukturwandels allenfalls abgemildert , der Strukturwandel aber nicht aufgehalten werden kann.

Wichtiger als die Kraft an den Erhalt auslaufender Industriemodelle zu verschwenden, wäre es daher sich mit Regionen mit einem erfolgreich bewältigen Strukturwandel zu beschäftigen und von diesen zu lernen. Ich nenne als Beispiel die Region Hochrhein-Bodensee wo über viele Jahrzehnte die Textil- und Bekleidungsindustrie als wichtigster Industriezweig, den Globalisierungsdruck früh und intensiv zu spüren bekommen hat. Seit Anfang der 70er Jahre sind dort gut 20 000 industrielle Arbeitsplätze verloren gegangen. Mit einer systematischen Neuausrichtung auf hochwertige Produkte und Innovationen konnte diesem Niedergang entgegengewirkt werden. Der Fokus der Entwicklung richtete sich hierbei immer stärker auf wirtschaftszweigübergreifende Cluster. Dies setzt allerdings ein ausreichendes und gut qualifiziertes Fachkräftepotenzial voraus, womit den Hochschulen und den beruflichen Bildungsstätten in der Region eine zentrale Schlüsselrolle für das weitere Wirtschaftswachstum zufällt.

Die Suche nach einer Perspektive für die Lausitz muss also einhergehen mit verstärkten Investitionen in Bildung und die Hochschulstandorte, mit der Suche nach Alleinstellungsmerkmalen in der Region und mit einem Angebot für Zuwanderer aus dem In- und Ausland (wobei im vorliegenden Papier bedauerlicherweise immer nur auf Rückwanderer, nicht aber auf die dringend benötigten Zuwanderer aus dem Ausland Bezug genommen wird). Jeder Versuch, die auslaufende Braunkohleverstromung als Bestandteil einer Zukunftsperspektive verwenden zu wollen, muss unweigerlich scheitern. Die für die Braunkohle noch verbleibenden Jahrzehnte müssen jetzt genutzt werden. Die noch vorhandenen Mittel der EU-Strukturfonds, den Bundesmitteln zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur und die Zuschüsse aus dem Länderfinanzausgleich stehen mit abnehmender Tendenz noch bis Ende 2019 zur Verfügung. Bis dahin müssen die Weichen in der Lausitz in Richtung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen neue Wirtschaftsstruktur gestellt werden.

In der Region Hochrhein-Bodensee ist inzwischen eine positive wirtschaftliche Entwicklung zu beobachten. Eingebettet in die Wachstumszentren Bodensee-Zürich-Basel-Oberrhein werden der Hochrheinregion grundsätzlich wieder überdurchschnittlich gute Perspektiven eingeräumt. Die Lausitz, eine Region mit langer kulturhistorischen Identität, gelegen in der Mitte von Europa, Teil der Hauptstadtregion und umgeben von den Zentren Dresden, Leipzig, Posen und Breslau hat die Voraussetzung diesen Strukturwandel ebenso erfolgreich zu meistern. Dafür braucht es jedoch eine klare und ideologiefreie Beschreibung der Ausgangssituation, die Berücksichtigung globaler Trends und die Besinnung auf die eigenen Stärken. Das hier von SPD, CDU und Der Linken vorgelegte Papier lässt all dies vermissen.

Die Energiewende kann zwar ein Baustein in der Entwicklung der Lausitz werden, sie ist aber zunächst einmal nicht die Chance schlechthin, sondern bedroht das dort bestehende Geschäftsmodell ähnlich wie die Globalisierung die Region Hochrhein-Bodensee bedroht hat. Die heimische Braunkohle wird bei der Energiewende eben keine Rolle als Brückentechnologie spielen, weil diese Kraftwerke mit einer zunehmend dezentral organisierten und hochgradig flexiblen Energieversorgung der Zukunft nicht kompatibel ist. Die Energiewende wird nur dann zur Chance, wenn die vorhandenen Fachkräfte in die sich neu entwickelnden Sektoren einer dezentralen, nicht-fossilen Energieversorgung umgelenkt werden, Anknüpfungspunkte gibt es genug, seien es Speichertechnologien und Netzsteuerung. Allerdings wird es nicht 1:1 funktionieren – für 5.000 Arbeitsplätze in der Braunkohle weniger wird es kaum 5.ooo Arbeitsplätze bei den Erneuerbaren mehr geben. Angesichts der Tatsache, dass aufgrund des demographischen Wandels bis 2030 rund 40 % weniger Menschen im Erwerbsfähigen Alter in der Lausitz leben werden, werden sich, eine positive Bewältigung des anstehenden Strukturwandels vorausgesetzt, auch neue Chancen eröffnen Fachkräfte in anderen Berufszweigen als dem Energiesektor zu beschäftigen.

Eine Perspektive für die Lausitz tut in der Tat Not und die Zeit wird knapp. Das hier vorgelegte Papier ist jedoch nicht in der Lage diese Perspektive zu vermitteln. Halbherzig, unvollständig und vor Allem zu zaghaft. Anstatt unangenehme Wahrheiten auszusprechen und den schmerzhaften Wandlungsprozess anzugehen wird der Eindruck vermittelt, mit etwas mehr Zusammenarbeit, Appellen an die Hochschulen sowie Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Grenzkriminalität seien die Probleme dieser Region zu lösen. Für eine weitere Diskussion in den Ausschüssen stehen wir gerne bereit.